Felipe Massa: Verhältnis zu Stroll wie damals mit "Schumi"
Vom Schüler Michael Schumachers zum Lehrmeister von Lance Stroll: Wie Felipe Massa bei Ferrari "Schumi" löcherte und wo der "Meister" die Grenze zog
(Motorsport-Total.com) - So ändern sich die Zeiten: Als Felipe Massa 2003 bei Ferrari als Testfahrer anfing, war Michael Schumacher sein großer Lehrmeister. Heute ist es der 36-Jährige Brasilianer selbst, der von Williams nach seinem Rücktritt noch aus der Rente geholt wurde, um den erst 18-jährigen Teamkollegen Lance Stroll an die Formel 1 heranzuführen. Und Massa erinnert die aktuelle Zusammenarbeit sehr an die alten Ferrari-Tage - nur mit vertauschten Rollen.
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Auch nach der gemeinsamen Zeit waren Massa und Schumacher befreundet Zoom
"Manchmal sehe ich, dass er in einer Kurve etwas macht und dort Zeit verliert. Dann fragt er mich und ich sage ihm, dann er es so oder so probieren soll", gibt der Vizeweltmeister des Jahres 2008 Einblicke in das Williams-Teamwork. "Ich helfe ihm sehr. Alles, was ich sehe, gebe ich an ihn weiter. Und wir verstehen uns sehr gut."
Das sei ähnlich wie die damals mit Schumacher, "aber ich denke, dass ich gebe mehr an ihn weiter als Michael das bei mir getan hat", schmunzelt er. Massa gibt zu, dass er den Rekordweltmeister, dessen Teamkollege er 2006 auch war, mit Fragen nur so gelöchert habe. "Ich habe ihn komplett ausgefragt, weil Michael für mich immer ein Vorbild war. Ich habe ihn als Meister gesehen. Und ich war mir nicht zu schade dafür."
Schumacher gab nicht alles Preis
Doch 2006 gelangen Massa an der Seite Schumachers sogar seine ersten zwei Ferrari-Siege. "Klar, wenn ich vor ihm war, dann war er nicht 100-prozentig zufrieden", erinnert sich der Mann aus Sao Paulo. "Ich habe ihn mehr gefragt als er am Ende preisgegeben hat. Aber er hat mir vieles mitgegeben."
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Manchmal war Felipe Massa 2006 sogar vor Michael Schumacher Zoom
Diese Art Mentorenrolle nahm Massa laut eigenen Angaben auch schon bei Valtteri Bottas ein, der 2013 bei Williams debüttierte und dieses Wochenende in Sotschi seinen ersten Grand-Prix-Sieg feierte. "Er hat sich im Laufe unserer Zusammenarbeit prächtig entwickelt", erzählt der Williams-Pilot. "Und ich war immer ein Fahrer, der Informationen weitergegeben hat." Mit Stroll arbeite er aber intensiver als mit dem nunmehrigen Mercedes-Piloten, "weil Lance mehr Hilfe braucht als andere Fahrer."
Der kanadische Milliardärssohn, dessen Vater viel Geld in das Williams-Team investierte, bestritt zwar im Vorjahr umfangreiche Testfahrten mit einem 2014er-Boliden, erlebte dieses Jahr aber einen schwierigen Saisonauftakt: Nach drei Ausfällen erreichte er in Sotschi erstmals das Ziel, scheiterte aber auch wegen eines Drehers in der ersten Runde an seinem ersten WM-Punkt.
Was Stroll noch fehlt
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Lance Stroll und sein Lehrer: Felipe Massa hat keine Geheimnisse Zoom
Massa gibt seinem Schützling Rückendeckung. "Natürlich brauchen wir zwei Fahrer, die Punkte holen, aber wir dürfen nicht vergessen, dass er noch lernt", zeigt der Brasilianer Verständnis. "Er benötigt einfach ein sauberes Rennen. Dann kommt auch das Selbstvertrauen." Und auch Technikchef Paddy Lowe sieht bei Stroll das Potenzial, das der Youngster aber noch nicht freimachen kann.
"Er fährt die Rundenzeiten", sagt der Brite und verweist darauf, dass er im Qualifying von Sotschi in den ersten zwei Sektoren durchaus mit Massa mithalten konnte, aber dann in Sektor 3 einen Fehler machte, der dafür sorgte, dass der Kanadier fünf Startplätze hinter dem Brasilianer losfuhr. "Man sieht also, dass er schon in Felipes Nähe kommt", so Lowe. "Wir müssen ihm einfach noch ein paar Rennen geben, damit er seinen Rhythmus findet."
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Außerdem müsse sich der 18-Jährige auch unter seinen Kollegen Respekt verschaffen. "Der Druck gehört zum Lernprozess dazu, wenn man neu in diesem Sport ist. Und als Rookie muss man sich seinen Platz verschaffen und dafür sorgen, dass man auch auf der Strecke nicht herumgeschubst wird."
Stroll weiß: Die Erfahrung macht den Unterschied
Interessant ist, dass Stroll zu Massa aufschaut wie der damals 22-Jährige zum Formel-1-Rekordweltmeister. "Durch seine Erfahrung weiß er in jeder Situation, wie er das beste aus dem Auto herausholt", zeigt Stroll durchaus Bewunderung für Massa, der seinen aktuellen Teamkollegen übrigens noch in seiner Ferrari-Ära kennenlernte, als Stroll bereits Teil des Nachwuchsprogramm der Scuderia war.
Der Vorteil des Routiniers sei vor allem dessen enorme Erfahrung. "Es gibt viele Gründe für den Rückstand auf Felipe", sagt Stroll und verweist darauf dass für ihn das Auto, die unterschiedlichen Reifen und und das Fahrverhalten mit unterschiedlicher Tankfüllung noch völlig neu sind. "Es ist jedes Mal eine neue Erfahrung, wenn ich rausfahre, und ganz schwer einzuschätzen, was mich erwartet."
Das sei auch der Grund für die Leistungsschwankungen: "Ich weiß, dass ich viel näher dran bin, wenn alles passt. Manchmal gelingt mir das auch, manchmal haue ich aber daneben." Aus der Formel 3 wisse er aber, dass all das nur eine Frage der Zeit ist: "In meinem zweiten Jahr habe ich alles herausgeholt und den Titel geholt. Jetzt fange ich aber wieder bei Null an, und ich muss all das Wissen wieder aufbauen."
Den Kritiker, die ihm vorwerfen, nur wegen seines reichen Vaters in der Formel 1 zu sein, entgegnet er: "Von außen sieht man nicht alles. Und ich weiß, dass Williams das für mich relevante Umfeld ist und dass viel spekuliert wird, allerdings von Leuten, die nicht wissen, was passiert." Dadurch wolle er sich nicht verrückt machen lassen: "Ich lese und glaube nicht alles, was so geredet wird."