• 27.02.2018 12:40

  • von Dominik Sharaf

Erklärt: Warum ein Formel-1-Auto nicht bei Minusgraden fährt

Der Arctic Outbreak macht den Teams bei den Formel-1-Testfahrten in Barcelona zu schaffen, doch warum ist das so? Ausgerechnet die Kühlung spielt die Hauptrolle

(Motorsport-Total.com) - Das Wetterphänomen Arctic Outbreak sorgt auch in Barcelona für klirrende Kälte, weshalb die Formel-1-Teams in der ersten Woche der Wintertests kaum repräsentative Daten sammeln können. Die Boliden seien nicht für Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt gebaut, heißt es von den Mannschaften. Doch warum funktionieren die Wagen eigentlich nicht bei winterlichen Bedingungen? Ex-Konstrukteur und 'Motorsport-Total.com'-Technikexperte Gary Anderson weiß, was dahintersteckt.

Titel-Bild zur News: Valtteri Bottas

Auch die wärmsten Handschuhe nützen nichts, wenn die Aerodynamik streikt Zoom

"Formel-1-Autos sind schwierig zu kühlen. Ihr Arbeitsfenster ist klein. Die Wassertemperatur muss bei 120 Grad Celsius liegen, egal ob die Luft 0 Grad oder 35 Grad warm ist", sagt Anderson. Diese Bandbreite an Bedingungen lässt sich aber beim Bau der Wagen unmöglich simulieren. Stattdessen geht man von gewohntem Grand-Prix-Wetter aus, das sich meist zwischen 15 bis 30 Grad bewegt. Die Teams reagieren dann nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf extreme Klimata wie derzeit.

Ist es kalt, versuchen sie, die Kühler möglichst weit abzudichten, damit das Innenleben der Boliden nicht "erfriert". Allerdings leidet darunter der Luftstrom und die Funktionsweise der aerodynamischen Teile wird beeinträchtigt. "Sowohl im Inneren der Autos als auch am Chassis", meint Anderson. "Die niedrigen Temperaturen lassen so ein Auto ganz anders arbeiten, weil alles, was sich nahe des Bodens befindet, besonders sensibel dafür ist." Mit am stärksten betroffen ist der Diffusor.

Der Punkt, ab dem er genügend Abtrieb mehr generiert und den Wagen wie gewünscht auf den Boden drückt, sinkt ab. Heißt konkret: Ein Auto muss schneller fahren, damit er wie gewünscht funktioniert. Weil das nicht möglich ist, müssen die Teams baulich eingreifen und senken den Diffusor ab. "Da sind gut und gerne fünf Millimeter im Bereich des Möglichen", weiß Experte Anderson.


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Aber: Ist die Kälte so ein großes Problem wie Fahrer und Teamchefs behaupten? Anderson hat seine Zweifel und glaubt an Dramatisierung: "Diese Mannschaften haben viel Erfahrung. Sie werden experimentieren und bei ihren Testläufen mit Blick auf die Aerodynamik herausfinden, was Sache ist."

Durch ihre Testbeschränkungen federt die Formel 1 einen weiteren Effekt der Kälte in Europa ab: Schließlich können die finanzstarken Teams nicht zusammenpacken und sich eine Strecke im Nahen Osten mieten, um bei sommerlichen Bedingungen Privatrunden zu drehen, während die Privatiers mit den Zähnen klappern. "Also gilt es, einfach das Beste daraus zu machen", so Anderson.

Immerhin wurde mit der Umstellung des Zeitplans am Dienstag (mutmaßlich auch am Mittwoch) auf die schwierigen Bedingungen reagiert: Um mehr Fahrzeit im Trockenen und bei einigermaßen hohen Temperaturen zu bekommen, wird auf die um 13 Uhr geplante, einstündige Mittagspause in Barcelona verzichtet. Der Test endet aber wie geplant um 18 Uhr - sofern nicht wieder früher zusammengepackt wird.

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