Ecclestone: "Formel 1 stärker als ein einzelner Name"
Bernie Ecclestone spricht im Interview über die Zukunft der Deutschland-Rennen, fehlendes Engagement der Fahrer und frische Gesichter
(Motorsport-Total.com) - Interviews mit Bernie Ecclestone sind selten, doch unseren Kollegen vom 'emagazine' der 'Credit Suisse' haben es geschafft, den Formel-1-Boss vor das Diktiergerät zu bekommen. Unter anderem sprach der 75-Jährige über die Zukunft der Deutschland-Rennen, fehlendes Engagement der Fahrer und frische Gesichter im Grand-Prix-Sport.
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Bernie Ecclestone will die Formel 1 wieder näher zu den Fans bringen
Frage: "Herr Ecclestone, was bedeutet der Rücktritt von Michael Schumacher für Ihr Geschäft?"
Bernie Ecclestone: "Ich erinnere mich an 1994, als Ayrton Senna starb. Viele haben prophezeit, dass die Formel 1 damit am Ende wäre. Und gucken Sie, wo wir heute stehen. Ich glaube, dass die Marke Formel 1 stärker ist als ein einzelner Name, so groß der auch ist."#w1#
Ein Rennen in Deutschland ist gesichert
Frage: "Die Rennen in Deutschland sind für die Formel-1-Fans aus der Schweiz quasi ein Heimat-Grand-Prix. Wohin müssen wir uns 2007 orientieren?"
Ecclestone: "Ein Rennen in Deutschland wird es immer geben. Wenn die Veranstalter vom Hockenheimring und Nürburgring sich darauf einigen, künftig im Wechsel den deutschen Grand Prix auszurichten, dann würden wir im nächsten Jahr auf dem Nürburgring beginnen."
Frage: "Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass ein zentrales Formel-1-Land - mit immerhin vier Fahrern und drei dort ansässigen Teams - ein Rennen aufgeben muss?"
Ecclestone: "Es ist ganz einfach: Sie können eine Veranstaltung, für die anderswo genügend Geld da ist, nicht mehr bezahlen. Und wir haben so viele Anfragen von anderen Ländern, dass wir nicht zweimal in Deutschland fahren müssen."
Frage: "Die Veranstalter klagen, dass sie allein aus den Ticketeinnahmen die Startgelder für die Formel 1 nicht mehr bezahlen können. Ist das nicht Ihre Schuld?"
Ecclestone: "Was mich wirklich aufregt, sind diese ewigen Entschuldigungen. Ich habe keine Ahnung, wie hoch die Ausgaben der Veranstalter sind. Aber ich kann mir in etwa ausmalen, wie hoch die Umsätze und die Steuern sind, die die Rennbesucher mit in die jeweilige Region bringen. Das dürfte die Ausgaben mehr als kompensieren. Und es ist doch eine ganz einfache Rechnung: Wenn irgendwo kein Rennen mehr stattfindet, kommt gar kein Geld mehr rein. Gerade weil das so ist, wollen ja so viele Länder die Formel 1."
Frage: "Ihr Rat also an Nationen wie Deutschland, Italien, Großbritannien, deren Rennen wackeln?"
Ecclestone: "Die Politik muss eingreifen. Auch Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften sind ohne die öffentliche Hand doch nicht finanzierbar."
Ecclestone lobt den 'Pit Lane Park'
Frage: "Aber was muss noch passieren, damit der Grand-Prix-Sport auf seinem europäischen Kernmarkt wieder mehr Fans findet?"
Ecclestone: "Wir müssen die Formel 1 wieder zu den Menschen bringen. Die Idee mit dem 'Pit Lane Park' des BMW Sauber F1 Teams ist der beste Beweis dafür."
Frage: "Was hat die Formel 1 überhaupt so von den Fans entfernt?"
Ecclestone: "Dieses ganze Gerede über eine Gegenserie der Automobilhersteller und dass die Formel 1 bald verschwinden werde, hat uns sehr geschadet. Aber dieses Problem haben wir endlich gelöst. Dazu die endlosen Diskussionen über Motorenreglements, das interessiert doch keinen. Wir müssen aufhören, die Regeln alle fünf Minuten zu ändern und alles nur noch komplizierter zu machen."
Frage: "Lebt die Faszination der Formel 1 nicht auch von der Technik?"
Ecclestone: "Alle Technik, die in einem heutigen Rennwagen steckt, hat doch inzwischen auch jedes Serienmodell. Wenn die Automobilkonzerne die Formel 1 als Schaubühne der Technik nutzen wollen, dann sollen sie es tun. Aber für die Technik von morgen, nicht für die der Vergangenheit. Ich denke nur ans Benzinsparen..."
Kritik an zu wenig engagierten Fahrern
Frage: "Aber wirklich nahe dürfte das den meisten Besuchern kaum gehen..."
Ecclestone: "Die Fahrer müssen begreifen, dass sie mehr für ihr Geld tun müssen als nur schnell Auto zu fahren. Sie müssen der Öffentlichkeit etwas zurückgeben, dass sind sie ihr schuldig. Also mehr Autogrammstunden geben, sich wieder auf ihre Fans zubewegen und sich nicht dauernd abschotten. Die Teamchefs sollten ihnen drohen, die Gehälter zu kürzen, wenn sie es nicht tun. Ich jedenfalls habe noch nie ein Nein gehört, wenn ich die Piloten mal um etwas gebeten habe. Aber wenn sie keiner fragt..."
Frage: "Fernando Alonso hat auf Ihre Ideen erwidert, dass er sehr wohl seinen Job mache - alles, was das Team verlangt."
Ecclestone: "Ich möchte, dass die Fahrer generell offener werden, sie dürfen nicht mehr ständig eingebremst werden von den Teamchefs und ihren Managern, was sie sagen dürfen und was nicht. Es kann doch nicht wahr sein, dass ein Weltmeister Fernando Alonso nur ein Interview am Wochenende gibt."
Frage: "Kann man das den Fahrern der etablierten Generation noch vermitteln?"
Ecclestone: "Wir brauchen generell mehr frische Gesichter, so wie den GP2-Meister Lewis Hamilton, den McLaren-Mercedes an der Angel hat. Ron Dennis müsste ihn eigentlich zwingend verpflichten. Wir sehen doch, was mit Robert Kubica im BMW Sauber F1 Team passiert. Das Risiko, das Peter Sauber und Mario Theissen mit seiner Verpflichtung eingegangen sind, hat sich doch schon jetzt gelohnt."