Dupasquiers schwerste Stunde
Drei Tage lang bemühte man sich im Vorjahr vergeblich um eine Rettung des Indy-Rennens - der damalige Michelin-Motorsportdirektor erinnert sich zurück
(Motorsport-Total.com) - "Als alle in die Aufwärmrunde starteten, ging ich weg. Ich wusste, dass es kein Rennen geben würde, nicht mit allen Autos. Ich konnte meine Beine nicht mehr fühlen. Ich ging langsam hinter die Garagen und weinte einige Minuten." - Pierre Dupasquier, 2005 Motorsport-Direktor bei Michelin, erlebte im Vorjahr 2005 den Tiefpunkt seiner Karriere.

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Pierre Dupasquier glaubte 2005 bis zuletzt an eine Lösung in Indianapolis
Das Farce-Rennen mit nur sechs Autos war der negative Höhepunkt eines Rennwochenendes, an dem Reifenschäden, Politik und Querelen die Schlagzeilen bestimmten. Es begann mit Reifenschäden bei Toyota, Ralf Schumacher flog gar heftig in der Steilkurve in die Mauer. Das ganze Ausmaß der Probleme kannte zu diesem Zeitpunkt aber noch niemand.#w1#
Nur ein technisches Problem...
"Wir begannen die normalen Untersuchungen", erinnerte sich Dupasquier gegenüber 'autosport.com'. So wurde nach Ursachen an der Strecke gesucht, ein scharfkantiger Kerb beispielsweise, aber auch die Autos wurde unter die Lupe genommen, schließlich auch die Reifen. "Wir fanden heraus, dass die Belastungen für den linken Hinterreifen viel höher war, als die erlaubte Maximalbelastung für diesen Reifen."
Schnell stellte sich heraus, dass zahlreiche Reifen schon Defekte aufwiesen, noch aber war die Tragweite nicht absehbar. Die Grundstruktur der Michelin-Pneus war jener der Barcelona-Reifen ähnlich, worauf man sofort versuchte, diese Reifen nach Indianapolis zu bekommen. Ein Einsatz wäre aber auch nur mit einer Ausnahmeregelung der FIA möglich gewesen.
Man erklärte den eigenen Teams das Dilemma, vertraute aber noch auf einen Trumpf, den man im Ärmel wähnte: "Wir dachten zu diesem Zeitpunkt nie daran, nicht zu fahren. Wir hatten ein technisches Problem und glaubten an eine Lösung", so Dupasquier. Doch Vergleiche mit den Barcelona-Reifen, durchgeführt in einer Michelin-Anlage in den USA, brachten die erste Hiobsbotschaft: Ein Herstellungsfehler konnte ausgeschlossen werden.
... aber keine Lösung
"Da wussten wir, dass es keine Lösung gab", so der Franzose. "Wir wollten überprüfen, ob die Erhöhung des Luftdrucks die Lage sicherer macht. Das machten wir am Samstag in den Trainings und im Qualifying. Wir erhöhten den Luftdruck stark. Wir baten unsere Teams, ein paar wenige Runden mit diesem höheren Druck zu fahren. Wir wollten alles versuchen."
"Nach dem Qualifying öffneten wir die Reifen und wir fanden schon die Anzeichen für die Schäden", fuhr er fort. Von da an war klar, dass an ein Rennen unter den gegebenen Umständen nicht zu denken war. Nun begannen die Querelen, die Diskussionen darüber, wie zu verfahren sei. Michelin schrieb einen Brief an die FIA-Delegation vor Ort und schilderte Lage. Ohne die Geschwindigkeit in der überhöhten Kurve zu reduzieren, könne Michelin nicht fahren.
Doch der Brief blieb unbeantwortet. Es kam zum Krisentreffen, eine Lösung musste her. Die Idee einer Schikane kam auf, um die Geschwindigkeiten zu senken. Streckenbesitzer Tony George hatte entsprechende Maßnahmen sogar schon vorbereitet. Man zog den Technischen Delegierten der FIA, Charlie Whiting, hinzu. Doch er erklärte sich nicht zuständig, einen solchen Kompromiss einzugehen.
Keine Zustimmung aus Paris
Also griff Formel-1-Chef Bernie Ecclestone zum Telefon und rief FIA-Präsident Max Mosley an. "Wir bekamen mit, dass Max völlig dagegen war", so Dupasquier. Auch ein Versuch von Renault-Teamchef Flavio Briatore blieb erfolglos. "Wie hörten immer nur 'nein, nein, nein' von der anderen Seite." Zu diesem Zeitpunkt verließ George den Raum. "Wir dachten, vielleicht aus Naivität, dass er geht und seinen Leuten sagt, sie sollen eine Schikane bauen."
Auf dem Weg zum Rennstart rannte ein Journalist Dupasquier in die Arme, der eine frohe - wenn auch falsche - Information hatte. "'Ok, sie bauen die Schikane', sagte er. Ich war optimistisch und ging zur Strecke. Als ich aber ankam, bemerkte ich, dass keine Schikane da war."

