• 22.06.2008 22:53

  • von Dieter Rencken

Domenicali: "Uns sind graue Haare gewachsen"

Stefano Domenicali analysiert das Auspuffproblem von Kimi Räikkönen, das den F2008 nicht umbringen konnte, und den neuen Felipe Massa

(Motorsport-Total.com) - Das Ferrari-Team hat einen ereignisreichen Arbeitstag in Magny-Cours hinter sich: Zwar war der Doppelsieg auf den ersten Blick nicht wirklich in Gefahr, denn Felipe Massa und Kimi Räikkönen zogen über weite Strecken Kreise um die Konkurrenz, doch beim zweiten Hingucken gab es doch ein gravierendes Problem.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali

Stefano Domenicali zitterte 36 Runden lang um den Motor von Kimi Räikkönen

Massa hätte nämlich seinen Teamkollegen nie und nimmer geschlagen, wenn bei Räikkönen nicht in der 34. Runde das Auspuffrohr gebrochen wäre. Der "Iceman" musste in Umlauf 39 die Führung abgehen, aber wie durch ein Wunder hielt sein F2008 den Rest der Distanz, ohne dass das Heck von den glühend heißen Auspuffgasen weichgekocht wurde. Selbst Teamchef Stefano Domenicali zeigte sich darüber in seiner traditionellen Analyse mit den Medien angenehm überrascht.#w1#

Erster Motorwechsel der Saison wird nicht bestraft

Frage: "Stefano, wie wahrscheinlich ist es, dass ihr Kimis Motor für Silverstone wechseln müsst?"
Stefano Domenicali: "Ich würde meinen, das ist wahrscheinlich. Nach so einem schwierigen Rennen ab Halbzeit bis zum Ende ist es sehr wahrscheinlich, dass wir den Motor wechseln müssen, also müssen wir den Joker verwenden, der es uns erlaubt, den ersten Wechsel in der Saison ohne Strafe durchzuführen. Wir werden das aber erst morgen analysieren, denn wir haben ja keine Eile bis Silverstone."

Frage: "Weißt du schon, was das Problem verursacht hat?"
Domenicali: "Leider nein. Außerdem sind das halbe Rennen lang Teile weggeflogen, daher wird es schwierig, diese Teile in die Hände zu bekommen, denn sie liegen irgendwo rund um die Strecke. Wir werden versuchen, die Analyse nach diesem Wochenende durchzuführen, aber im Moment habe ich keine weiteren Informationen."

Frage: "Was war das Problem an Kimis Auto - die Temperatur, ein Leistungsverlust?"
Domenicali: "Es kann alles sein, denn ohne Auspuff verlierst du Performance und dann ändern sich verschiedene Motorenparameter, sei es die Temperatur, die ansteigt, oder der Wasserdruck, der abfällt. Da ist natürlich alles durcheinander. Aber irgendwie war es sehr positiv, das Rennen in diesem Zustand mit acht Punkten zu beenden."

Frage: "Warum war es nicht möglich, das lose Auspuffrohr beim Boxenstopp zu entfernen?"
Domenicali: "Es war ja schon weg. Da war das Kabel der Lambdasonde (Sensor, um im Abgas einer Verbrennung das Verhältnis von Luft zu Kraftstoff bestimmen zu können; Anm. d. Red.), aber wir entschlossen uns, es nicht durchzuschneiden, weil das weitere Sekunden gekostet hätte. Trulli hinter uns hat ja gepusht, das mussten wir berücksichtigen. Ich muss sagen, dass wir in Sachen Strategie und Teamwork alles richtig gemacht haben."

Frage: "Wie überrascht bist du, dass ihr die halbe Renndistanz mit diesem Problem bewältigen konntet? Viele andere Autos wären vielleicht ausgeschieden..."
Domenicali: "Das verbuchen wir auf der Habenseite. Natürlich waren wir besorgt, keine Frage, denn es war ein langes Rennen. Da sind uns einige graue Haare gewachsen und wir sind um einige Jahre gealtert, aber wir sind jetzt extrem glücklich. Man weiß nie. Er hätte jede Runde stehen bleiben können. Es war kritisch."

Noch keine Entscheidung für Silverstone

Kimi Räikkönen

So zerfleddert war Kimi Räikkönens Auspuff nach dem heutigen Rennen Zoom

Frage: "Kimi hat gesagt, dass es am Ende ziemlich schlimm war. Wie viele Runden hätte er noch fahren können?"
Domenicali: "Ein Motor ist für maximal zwei Rennen ausgelegt (grinst; Anm. d. Red.)! Nein, es ist wahrscheinlich etwas zu ambitioniert, in diesem Zustand ein zweites Rennen fahren zu wollen, aber das ist schwierig einzuschätzen. Ich will hier keine Lügen verbreiten: Ich weiß es nicht."

Frage: "Kimis Zeiten wurden langsamer, aber nach ein paar Runden war er zwar nicht ganz so schnell wie Felipe, aber er konnte doch etwas zulegen. Habt ihr da am Mapping was gemacht, um das Problem zu relativieren?"
Domenicali: "Ja. Wir haben alles versucht, was wir konnten, um den Motor unter diesen Umständen zu schonen. Dann haben wir nur noch auf die Zielflagge gewartet. Das waren viele Maßnahmen. Man konnte ja sehen, wie viele Knöpfe wir gedrückt haben!"

Frage: "Jean Todt hat Felipe Massa oft als von den Medien unterschätzten Fahrer dargestellt. Findest du, dass sich das diese Saison geändert hat? Ist er wirklich ein anderer Fahrer als früher?"
Domenicali: "Wir haben immer gesagt, dass wir mit unseren beiden Fahrern extrem glücklich sind. Wir müssen immer daran denken, dass es wichtig ist, vor Saisonende keine solchen Überlegungen anzustellen, denn nach den ersten zwei Rennen hatte Felipe keine Punkte. Ich erinnere mich noch an die damaligen Diskussionen über ihn, aber wir müssen nach vorne schauen."

"Starke Fahrer in einem starken Team müssen nach vorne schauen, ohne dass sie sich um irgendwas Gedanken machen müssen. Felipe ist momentan stark. Es ist das erste Mal in seiner Karriere, dass er die Weltmeisterschaft anführt, was eine tolle Sache ist, aber es ändert für uns nichts. Das Teamwork ist unser Hauptziel und wir haben von Anfang an gesagt, dass wir unsere Entscheidungen oder Strategien nicht ändern werden."