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  • 01.11.2009 19:04

  • von Dieter Rencken

Domenicali: "Müssen aus dieser Saison lernen"

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali über die schwierige Saison 2009, die Lehren für 2010 und die Zukunft von Brawn und Red Bull

(Motorsport-Total.com) - Was für eine Saison: Nach dem schlechtesten Auftakt aller Zeiten erfing sich Ferrari im Laufe des Jahres doch noch, feierte mit Kimi Räikkönen in Spa-Francorchamps sogar einen Grand-Prix-Sieg. Auf der Schattenseite steht der Unfall von Felipe Massa auf dem Hungaroring, der dem Team möglicherweise den dritten Platz in der Konstrukteurs-WM gekostet hat. Teamchef Stefano Domenicali lässt die Saison noch einmal Revue passieren.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali

Stefano Domenicali ist froh, dass die Saison 2009 endlich vorbei ist

Frage: "Stefano, kam es dir wie eine lange Saison vor?"
Stefano Domenicali: "Wie viele Grands Prix hatten wir? 17? Da hatten wir schon längere Saisons..."#w1#

Frage: "Du weißt, was ich meine..."
Domenicali: "Ja, aber wir hatten schon längere Saisons. 2005 hatten wir 19 Grands Prix. Damals litten wir wie die Hülle, gewannen nur ein einziges Rennen, das in Indianapolis. Es war eine sehr schwierige Saison. Damit will ich sagen, dass das Erinnerungsvermögen der Menschen nur sehr klein ist."

Kampfgeist in Maranello

"Wir sind aber fest entschlossen, uns mit dem Ferrari-Geist und den Ferrari-Ressourcen aus dieser Situation zu befreien. Das müssen wir aus dieser schwierigen Saison lernen. Wenn man sich vor Augen führt, was dieses Jahr alles passiert ist, dann ist das sehr interessant. Auf der technischen Seite wurde die Weltmeisterschaft von der Doppeldiffusorsituation am Anfang geprägt. Für uns, die wir so eine Struktur nicht hatten, war es sehr schwierig, den Rückstand aufzuholen. Das wussten wir."

"Daher haben wir nach unserem ersten Entwicklungsschritt im Juli die sehr schwierige Entscheidung getroffen und gesagt: 'Okay, lassen wir es gut sein, arbeiten wir nur noch für nächste Saison.' Das hat wehgetan, denn wir wussten, dass wir darunter leiden würden, aber wir mussten uns einreden, dass es die richtige Entscheidung war. Es hat dieses Jahr wehgetan, aber hoffen wir, dass es für nächstes Jahr richtig war."

"Unterm Strich landeten wir einen Punkt hinter McLaren - einem Team, dem man großen Respekt dafür entgegenbringen muss, dass sie ihr Autos bis zum Schluss weiterentwickelt haben. Seit Felipes Unfall hatten wir nur noch ein Auto, das Punkte gesammelt hat. Das Glas ist daher eher halbvoll als halbleer. Das alles muss man in Betracht ziehen. Ich gebe aber zu, dass es viele Dinge gibt, die wir für nächstes Jahr aus den Erfahrungen dieses Jahres lernen müssen."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Abu Dhabi, Sonntag


Frage: "Glaubst du, dass ihr ohne Felipe Massas Unfall in Ungarn komfortabel Dritter der Konstrukteurs-WM geworden wärt?"
Domenicali: "Komfortabel ist vielleicht zu optimistisch, aber wenn man sich ansieht, wie viele Punkte Felipe bis dahin gesammelt hat, dann kann man wohl behaupten, dass eine große Möglichkeit bestanden hätte, das zu schaffen."

Frage: "Welche Faktoren stimmen dich zuversichtlich, dass dieses Jahr nur ein Ausrutscher war und ihr nächstes Jahr wieder dabei sein werdet?"
Domenicali: "Das Selbstvertrauen beziehen wir aus der Tatsache, dass wir keine Schlupflöcher im Reglement mehr erkennen können. Das ist das Wichtigste. Außerdem haben wir die gleiche Entscheidung getroffen wie Ross bei Honda vor zwei Jahren, nämliche alle Bemühungen auf das nächste Jahr zu konzentrieren."

Andere Voraussetzungen als bei McLaren

"Warum wir uns anders entschieden haben als McLaren, liegt daran, dass unser Auto von der Struktur her nicht für einen Doppeldiffusor geeignet war. Also haben wir gesagt: 'Okay, diese Arbeit bringt uns nichts, konzentrieren wir uns lieber auf nächstes Jahr.' Jetzt sehe ich unsere Zahlen im Windkanal und bin guter Dinge. Ich bleibe auf dem Boden, aber es sieht gut aus."

Frage: "Habt ihr zum Abschied von KERS etwas Besonderes geplant, wie du gestern angedeutet hast?"
Domenicali: "Da habe ich einen Witz gemacht. Wir sollten uns für das ganze Auto etwas einfallen lassen (lacht; Anm. d. Red.)! KERS ist für 2011 sicher wieder ein Thema, wenn wir eine Lösung finden, aber im Nachhinein betrachtet würde ich sagen, dass wir zwar anfangs unter KERS gelitten haben, aber in der zweiten Saisonhälfte hat KERS viele Probleme überdeckt, die wir mit dem Anpressdruck unseres Autos hatten. Insofern sollten wir das rational sehen."

"In der zweiten Saisonhälfte hat KERS viele Probleme überdeckt." Stefano Domenicali

Frage: "Rechnest du damit, dass Brawn und Red Bull auch 2010 den Ton angeben werden, oder gehst du davon aus, dass die etablierten Teams wie Ferrari und McLaren zurückschlagen können?"
Domenicali: "Ich respektiere diese Teams. Brawn hatte am Saisonbeginn einen riesigen Vorsprung, daher gehe ich davon aus, dass sie die Entwicklung schon vor langer Zeit auf das neue Auto umgeleitet haben. Ich kenne Ross sehr gut, er macht das sicher so. Red Bull hat ein großartiges Paket. Die werden auch wieder mitmischen."

Frage: "Was sagst du zum Yas-Marina-Circuit?"
Domenicali: "Es ist unglaublich, was sie hier gebaut haben - die Möglichkeiten sind nicht zu fassen. Die Strecke besteht aus zwei gegensätzlichen Teilen. Für nächstes Jahr kommt der Faktor dazu, dass die Tankstopps verboten sein werden. Wir bekommen neue Reifen und Bremsen. Ich denke aber, das Überholen ist das wichtigste Thema, das wir lösen müssen, generell für die Formel 1. Denn ich habe das Gefühl, dass der heutige Grand Prix für die TV-Zuschauer nicht allzu aufregend war."