• 03.11.2008 03:01

  • von Dieter Rencken

Domenicali: "Hamilton war um einen Punkt besser"

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali zeigte sich nach dem Rennen in São Paulo als fairer Verlierer und würdigte die Leistung von Felipe Massa

(Motorsport-Total.com) - "Der Herrgott gibt's, der Herrgott nimmt's", lautet ein altes österreichisches Sprichwort. In Ferrari-Sprache bedeutet das: 2007 mit Kimi Räikkönen um einen Punkt Weltmeister, 2008 mit Felipe Massa um einen Punkt unterlegen. Der Gegner hieß in beiden Fällen Lewis Hamilton - und beide Male fiel die Entscheidung in Brasilien.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa, Kimi Räikkönen und Stefano Domenicali

Sein traurigster Sieg: Stefano Domenicali mit seinen Fahrern auf dem Podium

20 Sekunden lang war Massa gestern in São Paulo schon Weltmeister, bis Hamilton in der letzten Kurve noch am auf Trockenreifen herumeiernden Toyota von Timo Glock vorbeiging. Fassungslosigkeit bei Ferrari - aber Teamchef Stefano Domenicali bewies in der Niederlage Größe, ging zu McLaren-Mercedes, gratulierte sportlich fair. Anschließend stellte er sich wie immer der Analyse mit den Medien. 'Motorsport-Total.com' war dabei.#w1#

Freude über den Konstrukteurstitel

Frage: "Stefano, das war ein unglaubliches Ende dieser Saison! Welche Emotionen verspürst du nun?"
Stefano Domenicali: "Das kann ich schlecht abstreiten - es war wirklich ein unglaubliches Ende! Wir können heute stolz auf das sein, was wir erreicht haben. Es gibt keinen Grund, zurückzuschauen und zu fragen 'Was wäre wenn?', denn das ändert im Nachhinein auch nichts mehr."

"Ich kann nur sagen, dass wir sehr glücklich über den gewonnenen Konstrukteurstitel sind. In den letzten zehn Jahren haben wir das achtmal geschafft. Das ist glaube ich noch keinem anderen Team außer Ferrari gelungen. Ich bin sehr stolz auf das Team, auf alle Jungs hier und zu Hause. Das ist ein schöner Erfolg für uns."

"Am Saisonbeginn hätte niemand auch nur einen Cent auf Felipe gesetzt." Stefano Domenicali

"Ich freue mich auch sehr für Felipe, denn er hat eine unglaubliche Saison hingelegt. Am Saisonbeginn hätte niemand auch nur einen Cent auf ihn gesetzt. Felipe hat dieses Jahr zwei Rennen für die Geschichtsbücher gezeigt: Ungarn, wo er leider am Ende ein Problem hatte und ausfiel, und heute. Er ist sehr reif gefahren und ich bin sehr stolz, Felipe in unserem Team zu haben."

"Wir müssen nach vorne schauen. Wir sind sehr heiß auf das Rennfahren, auch jetzt noch, nach dem Ende der Weltmeisterschaft. Ihr könnt euch aber sicher sein, dass wir uns in ein paar Tagen schon wieder ausschließlich auf die nächste Saison konzentrieren werden. Ja, wir haben die Weltmeisterschaft um einen Punkt verloren. Vergangenes Jahr war es umgekehrt. Das tut weh, aber wir müssen uns nicht verstecken, denn wir haben unser Bestes gegeben. Heute war ein großartiger Tag."

Frage: "Felipe war heute im Sieg wie auch in der Niederlage ein Gentleman. Was ist er für ein Charakter?"
Domenicali: "Felipe ist sehr gereift. Er ist heute ein großer Fahrer. Er ist oft auf die Pole-Position gefahren. Auf eine Runde ist er der Beste. Und was die Konstanz Runde für Runde angeht, so hat er enorm hinzugewonnen. Heute hatten wir wechselhafte Verhältnisse und er stand unter massivem Druck, aber er hat gewonnen. Das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft. Dieser Sieg bedeutet auch eine Niederlage, aber Felipe wird dadurch innerlich noch stärker."

Frage: "Als Felipe über die Ziellinie fuhr, war er für 20 Sekunden, bis zum Überholmanöver von Lewis Hamilton gegen Timo Glock, Weltmeister. Hast du da geglaubt, dass ihr Weltmeister seid?"
Domenicali: "Ehrlich gesagt musste ich in dem Moment selbst nachschauen, denn im Eifer des Gefechts liegt man da schon mal falsch. Und dann sah ich: Sechster hätte gereicht, Fünfter nicht. Tja."

Fairer Verlierer

Frage: "Ihr habt heute einen WM-Titel gewonnen und einen verloren. Wäre dir der Fahrertitel lieber gewesen als der der Konstrukteure?"
Domenicali: "Ich bin ehrlich gesagt sehr stolz auf das, was wir erreicht haben. Diese Frage ist schwierig zu beantworten, aber auf das, was wir erreicht haben, bin ich wie gesagt stolz."

"Ich habe ihm gratuliert, denn das gehört auch zum Sport dazu." Stefano Domenicali

Frage: "Kannst du einen Satz über Lewis Hamilton sagen?"
Domenicali: "Ich bin zu ihm gegangen und habe ihm gratuliert, denn das gehört auch zum Sport dazu. Ich bin hingegangen, weil ich das für korrekt halte. Er hat um einen Punkt gewonnen, also war er um einen Punkt besser. Im Vorjahr hat er die Weltmeisterschaft noch um einen Punkt verloren. Mal sehen, wie es nächstes Jahr ausgeht."

Frage: "2008 war ein Jahr mit sehr wenigen Kontroversen, mit großer Harmonie zwischen Ferrari und McLaren-Mercedes. War es ein gutes Jahr für den Sport?"
Domenicali: "Ich glaube, dass es sehr wichtig für die Zukunft der Formel 1 ist, dass wir nur auf der Strecke gegeneinander kämpfen, wo wir das auch tun müssen. Das ist ein sehr wichtiger Schritt. Vor uns stehen sehr viele wichtige Gespräche, was die Regeln angeht."

Frage: "Hast du schon mit Präsident Luca di Montezemolo gesprochen? Was hat er gesagt?"
Domenicali: "Er ist sehr stolz auf das Team und er hat gesagt, dass Felipe für ihn ein echter Champion ist, zumindest für uns."

Frage: "Was habt ihr in dieser Saison für nächste Saison gelernt?"
Domenicali: "Wir müssen die negativen Punkte analysieren und das Team verbessern, aber wir müssen das sehr rational machen. Ich möchte einen Punkt unterstreichen: Ich bin sehr stolz darauf, dass alle Mitglieder dieses Teams die gleichen Werte teilen, die gleiche Leidenschaft, die gleiche Philosophie. Ich bin stolz darauf, für dieses großartige Team zu arbeiten. Es ist eine Ehre, Teamchef von Ferrari zu sein."

Frage: "Werdet ihr heute eine Party feiern und wo?"
Domenicali: "Sicher, hundertprozentig! Aber wo, das kann ich euch nicht verraten..."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Brasilien, Sonntag