Die große Rennanalyse mit Norbert Haug

Mercedes-Sportchef Norbert Haug akzeptiert die Überlegenheit von Ferrari in Magny-Cours, kündigt aber schon für Silverstone Verbesserungen an

(Motorsport-Total.com) - Nach drei Siegen hintereinander musste sich McLaren-Mercedes heute mit den Plätzen drei (Lewis Hamilton) und sieben (Fernando Alonso) zufrieden geben. Damit konnte zwar die Führung in der Weltmeisterschaft relativ deutlich vor den Ferrari-Piloten behauptet werden, doch das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Topteams scheint sich seit den USA gedreht zu haben.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Weltmeister Fernando Alonso war für viele der Mann des Rennens

"Ferrari ist stark", gab Mercedes-Sportchef Norbert Haug gegenüber 'RTL' neidlos zu Protokoll. "Sie waren in Monaco wahrscheinlich nur deshalb nicht stark, weil sie beim Einlenken mit dem Anwärmen der Vorderreifen ein Problem hatten. Dann startet man von weiter hinten und dann ist es gelaufen. Wenn man in der Luft der anderen fährt, dann hat man ein großes Handicap." Das habe man heute an Alonso gesehen, der nicht an Nick Heidfeld vorbeikam, obwohl er "um anderthalb Sekunden" schneller war.#w1#

Ferrari war eindeutig schneller

"Es war ein sehr kurzer erster Stint, das muss man zugeben." Norbert Haug

Besorgniserregend aber aus Silbersicht, dass Hamilton den Speed der Ferraris trotz seiner Dreistoppstrategie nicht mitgehen konnte: "Es war ein sehr kurzer erster Stint, das muss man zugeben", so Haug. "Wir hatten hier nicht den dominanten Speed der letzten Rennen, Ferrari war sehr stark. Die haben einen besseren Job gemacht. Das gibt es. Ferrari war vor der Saison schon Favorit, aber ich bin zufrieden mit dem, was wir bisher erreicht haben. Wir werden uns sputen und wir werden auch zurückschlagen, das ist garantiert. Wir müssen aber nachlegen, das ist klar."

"Für Silverstone", kündigte er an, "ist etwas im Köcher. Wir hatten dort sicherlich gute Tests. Wir waren in Magny-Cours noch nie besonders stark, aber man konnte zumindest am Anfang sehen, dass der Speed über Phasen vergleichbar war. Aber insgesamt war Ferrari eindeutig besser. Wir waren auch auf einer anderen Strategie, was glaube ich clever war, um mit Lewis die Zeiten ohne Verkehr fahren zu können."

In Sachen Weltmeisterschaft macht sich Haug freilich noch keine Sorgen, denn der Vorsprung bei den Konstrukteuren beträgt 25 Punkte, der bei den Fahrern 17: "Vor allem die Tatsache, dass Felipe Massa Zweiter geworden ist, hat uns geholfen - dadurch hat er nur zwei Punkte aufgeholt. Wir liegen nun zur Halbzeit der Saison in beiden WM-Wertungen vorne. Ich muss sagen, dass dies zu Anfang der Saison, als Ferrari hoch favorisiert war, nicht so ausgesehen hat. Aber ich habe schon immer gesagt, dass wir mit Ferrari einen starken Gegner behalten werden."

Beide Fahrer in der gleichen Runde an der Box

"Das ging wie ein D-Zug. Es war die bestmögliche Variante, die wir wählen konnten." Norbert Haug

Ein strategisches Meisterstück lieferten die Silberpfeile übrigens ab, als sie Hamilton und Alonso zweimal in der gleichen Runde an die Box holten: "Normal", erklärte der Deutsche in der Analyse bei unserem Partnersender 'Premiere', "muss einer früher kommen und einer später, aber dadurch, dass da schon 20 Sekunden Abstand waren, hat es gepasst. Das ging wie ein D-Zug. Es war die bestmögliche Variante, die wir wählen konnten."

Die 'Premiere'-Kollegen wählten übrigens Alonso zum "Racer des Rennens", vor allem wegen seines Duells mit Heidfeld, gekrönt von einem spektakulären und mutigen Überholmanöver in der Imola-Schikane. Zwar kam der Doppelweltmeister nur als Siebenter und damit hinter "Quick Nick" ins Ziel, aber so kämpferisch wie er war heute sonst niemand unterwegs.

Haug vom Duell Heidfeld/Alonso begeistert

"Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn sich Nick einmal verbremst hätte." Norbert Haug

"Das ging glaube ich 60 von den 70 Runden", analysierte Haug das Duell Heidfeld/Alonso. "Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn sich Nick einmal verbremst hätte - hat er aber nicht. Es war ein großer Kampf, das war toll. Fernando war vielleicht schneller, aber er kam nicht vorbei. Es hat sich bis zum Schluss so gehalten, aber so ist es nun einmal - es war okay, hart, aber fair, sehr gekonnt und nicht so, wie man es manchmal in der GP2 oder in der Formel 3 gesehen hat. Das war hohe Fahrkultur von zwei Spitzenklassefahrern."

Noch "viel besser" habe ihm das Duell zwischen Hamilton und Robert Kubica gefallen, als der WM-Leader nach seinem zweiten Boxenstopp hinter dem BMW Sauber F1 Team Piloten auf die Strecke kam, in der Estoril-Kurve zurückstecken musste, sich dann aber in der Adelaide-Haarnadel vorbeibremste: "Auch da waren zwei große Könner am Werk, da ging es hart zu und eng. Da noch mal nachzusetzen, das war eine sehr gute Leistung von Lewis", lobte der Mercedes-Sportchef.

Die Niederlage gegen Ferrari war übrigens schon am Start besiegelt, wenn man an Hamiltons Dreistoppstrategie denkt. Alonso, vom zehnten Platz kommend, kam als Achter aus der ersten Runde zurück. Deine Beurteilung des Starts, Norbert? "Fernando hat zwei Plätze gutgemacht, das war okay, Lewis leider einen verloren. Das ist die schlechte Seite der Strecke, der zweite Startplatz", entgegnete er achselzuckend.