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Das Interview zum Rennen mit Michael Schumacher
Ex-Weltmeister Michael Schumacher über das verkorkste Heimspiel von Ferrari in Monza und die gelaufenen WM-Chancen des "Icemans"
(Motorsport-Total.com) - Nach 1.792 Tagen als Formel-1-Weltmeister musste Michael Schumacher seinen Titel heute ausgerechnet beim Ferrari-Heimspiel in Monza endgültig abgeben. Bei vier noch ausstehenden Rennen fehlen ihm uneinholbare 48 Punkte auf Spitzenreiter Fernando Alonso. Dennoch wirkte der Deutsche im ersten Interview nach dem Grand Prix von Italien relativ gefasst, obwohl ihm die Enttäuschung über den verpatzten Nachmittag, von dem er sich deutlich mehr erwartet hatte als Platz zehn, doch ins Gesicht geschrieben stand.

© xpb.cc
So sieht ein ehemaliger Weltmeister aus: Michael Schumacher nach dem Rennen
Frage: "Michael, jetzt ist es amtlich: Du bist nicht mehr Weltmeister..."
Michael Schumacher: "Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass wir über das Thema nicht unbedingt reden müssen, weil das vorher schon ad acta gelegt war."#w1#
Nach Istanbul brachte Monza die nächste Enttäuschung
Frage: "Wie geht es dir nach diesem Rennen?"
Schumacher: "Mir geht es eigentlich okay. Mir tut nichts weh, es ist alles in Ordnung (grinst; Anm. d. Red.)! Das Rennen ist nicht gut gelaufen, wie jeder gesehen hat. Das müssen wir jetzt so hinnehmen."
Frage: "Es gab einige spektakuläre Zweikämpfe, aber war der Schritt seit dem verkorksten Türkei-Rennen groß genug?"
Schumacher: "Wir waren sicherlich schon etwas stärker unterwegs, aber bei weitem nicht stark genug, keine Frage."
Frage: "Du hast mit Punkten gerechnet, sogar vom Podium geträumt..."
Schumacher: "Wir sind leider nicht in die Punkte gekommen, wobei wir nicht weit davon entfernt waren. Rubens (Barrichello; Anm. d. Red.) war in den Punkten. Realistisch gesehen hätten wir da schon reinkommen können. Am Anfang hätten wir schneller fahren können, aber da wurden wir durch die vor uns liegenden Konkurrenten eingebremst und konnten unsere Stärke nicht ausspielen. Dafür haben wir später dann die Rechnung bezahlt, aber Punkte wären schon drin gewesen. Das Podium war sicherlich etwas optimistisch, aber das habe ich ja vorher schon gesagt, dass viel passieren müsste, damit das realistisch wird."
Frage: "Woran lag es, dass das Rennen nicht so gut gelaufen ist?"
Schumacher: "Es macht wenig Sinn, jetzt schon Ursachenforschung zu betreiben. Dafür ist die Zeit zu knapp gewesen, um ein genaues Bild davon zu haben, was heute genau passiert ist, obwohl man unsere vielleicht vorhandenen Stärken und sicher vorhandenen Schwächen gesehen hat. Es ist ganz klar, dass wir viel zu langsam waren."
Schumacher gibt Bridgestone die Schuld an der Krise
Frage: "Warum?"
Schumacher: "Ich denke, das ist offensichtlich, aber ob es nur daran lag, das wird sich zeigen."
Frage: "Was ist das offensichtliche Problem?"
Schumacher: "Es handelt sich um das schwarze Gold..."
Frage: "Du wirkst ein bisschen bedrückt. Wie ist die Stimmung nach so einem Rennen für Ferrari, ausgerechnet beim Heimspiel?"
Schumacher: "Es kann sich jeder denken, dass wir nicht gerade happy sind, aber ändern kann man es jetzt auch nicht mehr. Wir müssen jetzt schauen, woran genau es gelegen hat, was wir tun müssen, was man in der Kürze der Zeit bis Spa machen kann und was wir hoffentlich noch bis zum Ende des Jahres hinbekommen."
Frage: "Dein Vorsprung auf Juan-Pablo Montoya beträgt nur noch fünf Punkte. Glaubst du, dass du das bis zum Schluss verteidigen kannst?"
Schumacher: "Es ist ziemlich unrealistisch, mir Hoffnungen zu machen, dass ich in dieser Position bleiben kann. Es ist auch nicht wirklich wichtig. Wichtig ist für uns, dass wir unsere Leistungsstärke vielleicht noch in diesem Jahr zurückfinden."
Von Resignation hält der nunmehrige Ex-Weltmeister nichts
Frage: "Wie gehst du als Siegertyp, der immer Erfolg hatte, mit so einer Schwächephase um?"
Schumacher: "Resignation bringt uns auch nicht weiter. Ich gehe damit ziemlich realistisch um. In der Vergangenheit waren wir erfolgreich. Da haben andere in den sauren Apfel beißen müssen, in den wir gerade reinbeißen. Wenn das zu Resignation führen sollte bei uns, dann wären wir schlechte Verlierer - und dann hätten wir unsere Gegner in der Vergangenheit unterschätzt. Genauso wenig darf man unterschätzen, dass wir das Bestreben haben, zu alter Stärke zurückzukehren. Ich kann nur immer wieder sagen: Es gibt eigentlich keinen Grund, weshalb wir das nicht schaffen sollten, aber es dauert leider länger als wir das gerne hätten. Hätten unsere Gegner aber früher resigniert, wäre ja jetzt keiner mehr da, also würde es wenig Sinn machen, alles einfach aufzugeben."
Frage: "Bei Kimi Räikkönen läuft es auch nicht gerade rund. Sein Nachname könnte ebenso gut 'Pech' sein, nicht wahr?"
Schumacher: "Dem klebt irgendwas an den Fersen, das ist wohl wahr."
Frage: "Hast du noch Hoffnung, dass die Weltmeisterschaft spannend bleibt?"
Schumacher: "Die Hoffnung ist vorbei, das ist in meinen Augen ganz klar. Für Kimi ist es nur noch theoretisch möglich, Fernando (Alonso; Anm. d. Red.) die Meisterschaft aus der Hand zu nehmen. Es sind 27 Punkte Unterschied bei vier Rennen. Da muss man kein Prophet sein, um Fernando zu gratulieren."
Schumacher sieht keine WM-Chance mehr für Räikkönen
Frage: "Fernando Alonso kann in Spa schon Weltmeister werden, auf deiner Lieblingsstrecke. Wie siehst du das?"
Schumacher: "Nach dem heutigen Rennen muss man wie gesagt nicht mehr allzu prophetisch sein, um zu sagen, dass die Meisterschaft vorbei ist. Das ist für Kimi wirklich nur noch theoretisch möglich. Da muss schon ganz, ganz viel passieren, damit sich das noch einmal ändert. Ich sehe jedenfalls keine Möglichkeit mehr - genauso, wie das für mich schon vor diesem Grand Prix kein Thema mehr war."
Frage: "Wie geht es dir damit, Weltmeister gewesen zu sein? Es war ja doch eine ganz schön lange Zeit..."
Schumacher: "Das ist richtig, aber die viel größere Überraschung ist, dass ich überhaupt so lange Weltmeister gewesen bin. Dass das irgendwann einmal endet, ist selbstverständlich."
Frage: "Das nächste Rennen findet in Spa statt, quasi in deinem Wohnzimmer. Wie sehr freust du dich darauf? Ist das ein Lichtblick?"
Schumacher: "Ich würde mich liebend gerne darauf freuen, aber bei unserer Leistungsstärke ist das natürlich nicht ganz so toll im Moment. Insofern macht es wenig Sinn, nach einem Lichtblick zu fragen..."
Frage: "Das heißt, man kann also selbst in Spa nicht mehr an ein Wunder glauben?"
Schumacher: "An Wunder darf man eh nicht glauben, sondern die muss man sich hart erarbeiten. Zurzeit gehe ich nicht davon aus, dass wir da Möglichkeiten haben, irgendetwas um 360 Grad zu drehen."
Frage: "Die Gedanken gehen natürlich schon in Richtung nächstes Jahr. Wie schwierig ist es, sich dennoch für die letzten Rennen zu motivieren und zu konzentrieren?"
Schumacher: "Das ist überhaupt nicht schwierig, denn weil wir so eine verkorkste Saison hatten, wünschen wir uns schon noch zumindest ein richtig tolles Rennen, in dem wir die Konkurrenz besiegen können - auch um für nächstes Jahr das Gefühl zu haben, dass wir auf dem richtigen Dampfer sind."

