• 04.09.2005 19:26

Das große Siegerinterview mit Juan-Pablo Montoya

Juan-Pablo Montoya über sein Übersteuern in Monza, den Fight gegen Alonso und das große Zittern um die Reifen in den letzten Runden

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Juan-Pablo, bis zur Schlussphase sah es nach einem einfachen Sieg aus, aber sprich doch bitte zuerst über die Anfangsphase mit Fernando Alonso im Nacken!"
Juan-Pablo Montoya: "Ich habe in den ersten paar Runden hart gepusht und konnte mir einen komfortablen Vorsprung aufbauen. Wir dachten, dass wir länger als Renault draußen bleiben würden, also ging es nur darum, den Vorsprung beizubehalten, aber dann begann das Auto zu übersteuern."

Titel-Bild zur News: Michelin-Reifen

So sah Juan-Pablo Montoyas ramponierter Hinterreifen nach dem Rennen aus

"Man kann bei so einem Auto heutzutage vieles anpassen. Ich habe damit ein bisschen rumgespielt, bekam die Balance aber nicht ganz hin. Eine Runde konnte ich attackieren, dann aber auf einmal wieder nicht. Eigentlich ist es trotzdem gut gelaufen, aber dann kamen wir zum Ende des Rennens. Ich konnte den Reifen hinten schon flattern sehen. Zum Schluss wurde es wirklich übel und ich hatte überhaupt keinen Grip mehr."#w1#

Montoya konnte am Ende den Motor wieder aufdrehen

Frage: "Dein Teamkollege war am Nürburgring in einer ähnlichen Situation, außerdem hatte er heute auch wieder Reifenprobleme. Wie bist du angesichts dessen diese letzten Runden angegangen?"
Montoya: "Das Problem war, dass ich nicht mehr angreifen und den Reifen nicht mehr belasten konnte. Ich fuhr einfach so langsam wie möglich. Den Motor hatte ich davor schon zurückgedreht, ich konnte also noch einmal mehr Leistung abrufen, was mir ein bisschen geholfen hat. Es war also schon kalkuliert, aber schneller hätte ich ehrlich gesagt nicht mehr fahren können. Da wäre das Risiko eines Abflugs zu groß gewesen. Als ich dann für die letzten zwei Runden vier Sekunden Vorsprung hatte, dachte ich, dass es schon klappen würde."

Frage: "Macht man sich nicht Gedanken über einen möglichen Unfall, wenn man mit 370 km/h fährt?"
Montoya: "Nein."

Frage: "Hast du nie darüber nachgedacht, was deinem Teamkollegen am Nürburgring passiert ist?"
Montoya: "Ich habe in der letzten Runde daran gedacht. Als ich die erste Kurve angebremst habe, musste ich schon zittern, aber zum Glück hat der Reifen ja gehalten. Wenn man sich den Reifen anschaut, dann ist von der Lauffläche nichts mehr übrig, aber die Flanke und der Rest haben gut gehalten, daher hat Michelin einen guten Job gemacht. Wir müssen verstehen, wie das passieren konnte, denn wir waren das einzige Team mit Reifenproblemen. Dabei war bei den Tests noch alles okay."

Zweiter Monza-Sieg nach 2001 für Montoya

Frage: "Du hast hier auch deinen ersten Sieg gefeiert. Das muss ein besonders schöner Erfolg sein..."
Montoya: "Beim ersten Mal konnte ich keinen Champagner versprühen (wegen der Terrorattacken gegen New York im September 2001; Anm. d. Red.), daher war es heute umso toller! Auch hinsichtlich der Weltmeisterschaft ist das gut. Wir haben Renault zwar nur einen Punkt weggenommen, aber ein Punkt ist besser als nichts."

Frage: "Es war das erste Rennen seit dem niederländischen Grand Prix 1961 ohne einen einzigen Ausfall. Der Überrundungsverkehr muss auf einer so schnellen Strecke extrem gewesen sein, oder?"
Montoya: "Ja, das war wirklich übel. Die meisten Jungs sind schnell aus dem Weg gegangen. Beim letzten Boxenstopp war ich ein bisschen besorgt, denn ich hatte vier langsame Autos vor mir. Dann sagte mir das Team, dass Fernando auch gerade an die Box kam. Man weiß aber nie, wie viel Zeit man verliert. In dem Fall war es ungefähr eine Sekunde, also nicht allzu viel. Gut, dass ich davor einen Vorsprung auf Fernando herausgeholt habe."

Frage: "Wie war dein Start? Von außen sah das recht souverän aus."
Montoya: "Ja, wir sind wirklich gut weggekommen. Der Start war gut. Es war komisch, dass wir im letzten Rennen so schlecht gestartet sind. Hier kam ich gut weg und ich konnte die erste Kurve früh anbremsen, weil niemand direkt hinter mir war. In den ersten zwei Runden baute ich gleich einen Vorsprung auf, aber dann übersteuerte das Auto ziemlich stark. Beim Testen hatte ich nie Übersteuern. Wie das jetzt auf einmal auftreten konnte, ist mir schleierhaft. Es ist jedes Jahr dasselbe in Monza: Beim Testen läuft alles fantastisch, im Qualifying gut, aber im Rennen stimmt dann auf einmal etwas nicht mehr! Obwohl ich das Differenzial und so weiter verstellt habe, rutschte das Auto stark herum, aber als mir das Team gesagt hat, ich soll einen Vorsprung herausfahren, konnte ich das machen, also war es schon okay."

Probleme mit der Balance zogen sich bis zum Schluss durch

"Trotzdem habe ich gewonnen, also wen kümmert das schon?" Juan-Pablo Montoya

Frage: "Konntest du das Übersteuern also in den Griff bekommen oder nicht?"
Montoya: "Ein bisschen schon, aber ich gewann einfach kein Vertrauen in das Auto und konnte mich nie auf etwas verlassen, denn wenn ich das Differenzial ganz zumachte, hatte ich am Kurveneingang ein gutes Auto, aber dann plötzlich Untersteuern am Scheitelpunkt. Trotzdem habe ich gewonnen, also wen kümmert das schon?"

Frage: "Könnte das die Ursache für deine Reifenprobleme gewesen sein?"
Montoya: "Nein. Es war merkwürdig, denn das Übersteuern war von Anfang an da, aber als ich am Ende den Hinterreifen im Rückspiegel sehen konnte, sah alles halbwegs okay aus. Da war nur ein kleiner Fleck zu erkennen, aber in den letzten Runden löste sich der Reifen fast ganz auf."

Frage: "Wusstest du von den Reifenproblemen deines Teamkollegen?"
Montoya: "Nein. Ich habe gefragt, wo Kimi im Rennen lag, denn wenn er hinter mir gewesen wäre, hätte ich ihm geholfen, aber es ist nie dazu gekommen. Sie haben mir gesagt, dass er gerade wieder an die Box gekommen ist. Das hat mich gewundert, denn ich hatte ihn davor gerade auf einer der Videowalls an der Box gesehen. Das Team hat dann etwas von Reifenproblemen erwähnt, was als ziemlicher Schock für mich kam. Ich musste anschließend auf den linken Hinterreifen achten, aber ich hatte wie gesagt dauernd Übersteuern."

Frage: "Du hast eigentlich nur ab Runde 47, also in den letzten sechs Runden, Zeit verloren..."
Montoya: "Ich hatte eine Schrecksekunde in der Parabolica, war sehr nahe an einem Dreher dran und wunderte mich, was zur Hölle da vor sich ging! Von da an war das Auto nur noch unfahrbar. Ich hätte die Führung vielleicht noch eine Runde lang verteidigen können, aber länger nicht mehr."