• 25.02.2005 12:48

  • von Nimmervoll / Hust

Das alles steckt hinter der neuen "Göttin" aus Maranello

Der F2005 in der Analyse: Was sich technisch verändert hat, von wem das Auto entwickelt worden ist plus Stimmen der Verantwortlichen

(Motorsport-Total.com) - Viele haben eine spektakuläre Revolution erwartet, geworden ist es eine durchdachte Evolution - und dennoch scheint Ferrari wieder einmal gut gerüstet in die neue Formel-1-Saison zu gehen: Der neue F2005, der heute in Maranello vorgestellt wurde, soll Michael Schumacher zum sechsten Fahrertitel und Ferrari zum siebenten Markentitel en suite verhelfen.

Titel-Bild zur News: Ferrari F2005

Frontansicht des Ferrari F2005, der heute in Maranello präsentiert wurde

"Das ist der beste Ferrari aller Zeiten", sagte Chefdesigner Rory Byrne, als die vier Vertragspiloten Michael Schumacher, Rubens Barrichello, Luca Badoer und Marc Gené das rote Tuch wegzogen und den neuen Boliden der Scuderia offiziell präsentierten. Es folgte ein beeindruckendes Blitzlichtgewitter und jede Menge Getuschel auf den randvollen Sitzplätzen unter den Reihen der zahlreich erschienenen Medienvertreter aus aller Welt.#w1#

Jean Todt: "Es ist immer etwas ganz Besonderes"

Von einem "emotionellen Moment" sprach Teamchef Jean Todt: "Es ist immer etwas ganz Besonderes, wenn wir das Auto präsentieren, welches in unseren Farben den Titel aus dem vergangenen Jahr verteidigen soll", gab er zu Protokoll. "Wir sind in großartiger Form und wollen die Erfolge der vergangenen Jahre wiederholen. Mein Wunsch ist, dass wir unsere Position beibehalten, und unser Siegeswille ist eher sogar noch größer geworden."

Der F2005 ist der insgesamt 51. Einsitzer, den Ferrari speziell für die Formel-1-Weltmeisterschaft entwickelt und produziert hat. Das Design trägt die interne Codenummer 656 und wurde an das neue Reglement, welches sich vor allem im Bereich der Aerodynamik, des Motors und der Reifen von den vergangenen Jahren unterscheidet, angepasst. Außerdem ist es das erste Auto, welches unter der Hauptverantwortung von Aldo Costa entstanden ist.

"Auch wenn die grundsätzliche Designphilosophie beim F2005 die gleiche ist wie bei den Autos zuvor", erklärte Byrne, der als Chefdesigner nach wie vor Costa vorgesetzt ist, ihn aber als seinen Nachfolger aufbaut, "haben die Änderungen am Bodywork-Reglement dazu geführt, dass wir auch den Abtrieb maximieren mussten, um so viel wie möglich des zunächst erfolgten Verlusts von 25 Prozent an Abtrieb zurück zu gewinnen."

F2005 ist unter der Regie von Aldo Costa entstanden

"Aldo Costa war für das gesamte F2005-Projekt verantwortlich und ich möchte ihm und seinem Team gratulieren, das die Forschung, die strukturelle Berechnung und das Design des Autos durchgeführt und alle Ziele, die wir zu Beginn des Projekts definiert haben, erreicht hat. Abschließend möchte ich jedem in der Gestione Sportiva für seinen Beitrag bei der Produktion des besten Formel-1-Ferraris aller Zeiten danken", gab der 61-Jährige zu Protokoll.

Auch Ross Brawn, Technischer Direktor, äußerte sich zu diesem Thema: "Letztes Jahr haben wir einen Erneuerungsprozess in die Wege geleitet. Aldo Costa ist jetzt für das Design und die Weiterentwicklung des Autos verantwortlich, während Rory Byrne nun eine eher väterliche Rolle ausfüllt. Alle strukturellen Änderungen sind aber reibungslos und ohne unangenehme Überraschungen verlaufen, weil wir dabei unsere übliche Ferrari-Philosophie angewendet haben."

Aerodynamik wirkt noch ausgefeilter als beim F2004

Doch wie unterscheidet sich der F2005 von seinem Vorgängermodell, dem F2004M, mit dem Ferrari die Saison 2005 in Angriff nehmen wird? Optisch fällt auf, dass die Basisform des Fahrzeugs beibehalten worden ist, wenngleich man sich im Windkanal viel Zeit gelassen hat, um die Details zu optimieren. So besticht die Aerodynamik durch ein ausgewogenes Erscheinungsbild mit zahlreichen zusätzlichen Flügelprofilen - am auffälligsten direkt unter dem Frontflügel.

Trotz der verschärften Crashtests hat es Ferrari geschafft, das Gesamtgewicht des Fahrzeugs leicht zu verringern, was bedeutet, dass man an den Rennwochenenden mit Ballastgewichten spielen und die Balance verbessern kann. Kleiner und leichter geworden ist auch das längs eingebaute Getriebe mit sieben Gängen aus Titan und Kohlefaser, das einen wesentlichen Beitrag zum stark optimierten und aerodynamisch effizienteren Heckbereich darstellt.

"Die von den neuen Regeln direkt betroffenen Gebiete", so Byrne, "zum Beispiel die Flügel und der Diffusor, sind natürlich alle neu, aber sogar der Kühler sowie der Auspuff und das Layout des Getriebes sind fundamental überarbeitet worden, um die Aerodynamik zu optimieren. Zusätzlich gibt es einige Entwicklungsteile, die wir in den kommenden Monaten einführen möchten. Das Auto wird also in seinem ersten Rennen in bestimmten Bereichen anders aussehen, als man es hier sieht."

Byrne: Chassis "komplett neu", optimierte Kraftübertragung

"Das Chassis ist komplett neu, sowohl was die Form betrifft, die ein Ergebnis des Aerodynamik-Entwicklungsprogramms ist, als auch was die Verwendung der Materialien und das Design der Struktur betrifft, um trotz der verschärften Eindringungstests an Gewicht einzusparen", fuhr der Brite fort. Und: "Während die internen Teile der Kraftübertragung weiter optimiert wurden, ist die Ummantelung komplett neu, sowohl in Bezug auf die Form, um die Aerodynamik zu optimieren, als auch in Bezug auf die Methode der Konstruktion und die Verwendung von Materialien. Ein Prototyp ist erfolgreich im F2004 ausprobiert worden."

Auffällig auch die Neugestaltung des Auspuffsystems, welches nun voll ins Bodywork integriert ist und die Abgase nach oben auslässt. So genannte Winglets hinter dem Cockpit sollen den Luftstrom beruhigen und für eine saubere Anströmung des Heckflügels sorgen, während die Radaufhängungen aerodynamisch verfeinert wurden. Darüber hinaus wurden speziell die Hinterradaufhängungen für das veränderte Reifenreglement neu ausgelegt.

Radaufhängungen nehmen auf neue Reifenregeln Rücksicht

Byrne: "Sowohl die Vorder- als auch die Hinterradaufhängungen wurden weiter optimiert, um die Leistung zu maximieren und die Abnutzung der Bridgestone-Reifen zu minimieren. Eine umfassend überarbeitete Servolenkung wird in Kürze getestet. Mehr Anstrengungen als jemals zuvor sind in die Optimierung des Bremssystems geflossen, um die Verwendung durch den Fahrer und die Regulierung während des Qualifyings und den verschiedenen Stadien des Rennens zu verbessern", sagte er.

Bei den Wintertests wurde viel Zeit dafür aufgewendet, Brems- und Elektroniksysteme zu verfeinern, was durchaus gelungen ist. Speziell im Elektroniksektor hat sich Ferrari eine Innovation einfallen lassen: "Zum ersten Mal hat Ferrari ein Datenaufzeichnungsprogramm im F2005 installiert, um die Datenaufzeichnung und -verarbeitung deutlich zu verbessern. Ein Prototyp dieses Systems ist im F2004 erfolgreich getestet worden", teilte Byrne stolz mit.

Was den Motor angeht, hat es Ferrari trotz der Verdoppelung der Laufleistung geschafft, die PS- und Drehzahldaten aus der vergangenen Saison beizubehalten. Das V10-Triebwerk trägt die Typenbezeichnung 055 und ist vom Konzept her auf den 053 aufgesetzt. Allerdings kann der 055 erst eingesetzt werden, sobald auch das neue Chassis verwendet wird, weil er mit dem F2004M-Chassis nicht kompatibel ist.