Coulthard: Schwere Geschütze gegen Rennkommissare

Während Johnny Herbert seinen Schuldspruch gegen Felipe Massa nach der Kollision mit Lewis Hamilton verteidigt, erhebt David Coulthard heftige Vorwürfe

(Motorsport-Total.com) - Der Kampf zwischen Lewis Hamilton und Felipe Massa ging in Indien in die nächste Runde - von einem Sieger kann man nicht sprechen, auch wenn der Brite diesmal das bessere Ende für sich hatte. Massa wurde für die Kollision in der 23. Runde, als Hamilton nach der Haarnadel-Kurve links neben dem Ferrari auftauchte und der Brasilianer beim Einlenken in die folgende Linkskurve mit dem McLaren kollidierte, mit einer Durchfahrts-Strafe belastet.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Rivalen der Rennbahn: Felipe Massa vor Crashkollege Lewis Hamilton

Der Crash schlägt aber weiterhin hohe Wellen: Keiner der Piloten war sich einer Schuld bewusst - viele Experten taten den Zwischenfall als Rennunfall ab, manche sahen die Schuld bei Hamilton. Doch Ex-Pilot Johnny Herbert, der diesmal als Rennkommissar agierte und die Strafe gegen Massa mitverantwortete, verteidigt die Entscheidung.

Herbert: Warum Massa schuld war

"Die Entscheidung, Massa für die Berührung mit Hamilton zu bestrafen, ist auf eine einfache Tatsache zurückzuführen", erklärt der dreifache Grand-Prix-Sieger in seiner Kolumne in 'The National'. "Sie hätte vermieden werden können." Herbert ist bewusst, dass Massa nach dem Urteil "sauer" war, er ist aber weiterhin davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.


Fotos: McLaren, Großer Preis von Indien, Sonntag


Der Brite lässt die Ereignisse Revue passieren: "Als Massas Ferrari mit Hamiltons McLaren-Mercedes in der 23. Runde des Rennens aneinander geriet, sahen wir uns die Wiederholungen an, um herauszufinden, ob wir für den Zwischenfall eine Strafe aussprechen sollten. Nachdem wir ihn aus unterschiedlichen Kameraperspektiven gesehen hatten und alle uns zur Verfügung stehenden Daten untersuchten, war uns klar, dass Massa wusste, wo Hamilton war, bevor er herüber lenkte."

"Die Kollision hätte vermieden werden können." Johnny Herbert

Hat Massa Hamilton gesehen?

Dem widersprach der Brasilianer nach dem Rennen. "Ich habe später gebremst als er und war vor ihm, noch dazu auf der griffigen Seite", schilderte er die Ereignisse. "Dann habe ich eingelenkt und ihn links nicht gesehen. Er war hinten und hat mein Hinterrad berührt". Doch Herbert will dies anders gesehen haben: "Man konnte sehen, wie Massa in seinen Rückspiegel schaute, er wusste also, dass Hamilton links von ihm war, als sie auf die Linkskurve zufuhren." Eine Beobachtung, die übrigens auch 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer machte.

Doch Herbert gibt noch einen weiteren Grund Preis, warum für ihn Massa an der Kollision schuld war: "Es sah aus, als hätte er die Kurve aufgegeben, als er weit nach rechts fuhr und damit Hamilton die Türe öffnete, um es innen auf der linken Seite zu versuchen. Bloß zog er dann vor ihm herüber und sorgte für die Berührung. Hamilton hätte nichts tun können, um das zu vermeiden. Er versuchte, zurückzustecken, doch es war zu spät und die Berührung war schon passiert."

"Man konnte sehen, wie Massa in seinen Rückspiegel schaute." Johnny Herbert

Der 47-Jährige meint, dass für ihn Hamilton der Schuldige gewesen wäre, "wenn Massa nicht nach außen gefahren wäre", denn so war das Manöver eine Einladung an den McLaren-Piloten, es zu versuchen. Ein Ex-Rennfahrer ist diesbezüglich ganz anderer Meinung und stellt sich auf die Seite Massas. Und das, obwohl er britischer Herkunft ist: David Coulthard.

Coulthard versteht Entscheidung nicht

"Ich weiß, dass dies aus Sicht der britischen Fans sicher keine populäre Sichtweise ist", meint der Schotte in seiner Kolumne beim 'Telegraph', "aber für mich war die Kollision bestenfalls ein Rennunfall. Im schlimmsten Fall habe ich aber das Gefühl, dass Lewis mehr Schuld hatte." Er versteht nicht, "wie Felipe der Schuldige sein soll, schließlich wird uns Fahrern immer gepredigt, dass der Hinterherfahrende verantwortlich ist. Die Stewards haben das also falsch interpretiert."¿pbvin|512|4216||0|1pb¿

Für Coulthard hat dies auch mit dem Streckenteil zu tun, auf dem es Hamilton probierte. "Wenn Lewis sich eingangs einer Haarnadel neben Felipe gesetzt hätte, wo die Bremszone 100 Meter lang ist und einige Sekunde andauert, dann wäre Massa gut beraten gewesen, Platz zu machen - aber eingangs einer Linkskurve im vierten Gang bei rund 150 bis 160 km/h? Wo die Bremszone nur eine Sekunde lang ist? Ich denke nicht, dass man Massa die Verantwortung geben kann."

"Uns Fahrern wird immer geprädigt, dass der Hinterherfahrende verantwortlich ist." David Coukthard

Wollten Stewards für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen?

Der ehemalige McLaren-Pilot betonte mehrmals, dass sich seine Meinung nicht gegen Hamilton richtet, den er nach seiner Kollision mit Kamui Kobayashi in Spa-Francorchamps verteidigt hatte und der sich "eine Pause verdient" habe. Vielmehr kritisiert er die Rennkommissare um Herbert. "Es geht hier nicht wirklich um Lewis und Felipe. Es hätten irgendwelche Fahrer sein können. Was mir Sorgen macht, sind die unbeständigen Entscheidungen der Rennkommissare."

Coulthard versteht zwar, dass sich die Stewards durch die Komplexität der Formel 1 auf einem schwierigen Terrain bewegen, ortet aber einen Versuch, nach den regelmäßigen Strafen gegen Hamilton für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen und nicht das Manöver an sich zu beurteilen: "Es sah beinahe so aus, als hätten sie versucht, die Balance wieder herzustellen, nachdem diese Saison so viele Entscheidungen zu Ungunsten von Lewis gefallen waren."

"Es sah beinahe so aus, als hätten sie versucht, die Balance wieder herzustellen." David Coulthard

Er vergleicht dies mit der Situation bei einem Fußball-Spiel, "wenn ein Schiedsrichter jemanden unter kontroversen Umständen vom Platz schickt, das Publikum sich gegen ihn wendet und er dadurch dazu geneigt ist, einen Spieler der anderen Mannschaft vom Platz zu schicken."

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