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  • 12.07.2010 16:34

  • von Roman Wittemeier

Chandhok: Mit Leidenschaft zum großen Ziel

Karun Chandhok gilt als "Motorsport-Verrückter", der sogar an freien Wochenenden an die Rennstrecken fährt: "Ich bin immer noch Fan"

(Motorsport-Total.com) - Als die neue HRT-Mannschaft zum Start in die Debütsaison erklärte, dass man mit Bruno Senna und Karun Chandhok an den Start gehen wird, schüttelten einige Beobachter mit dem Kopf. Senna konnte man angesichts des berühmten Nachnamens und der möglichen Chancen auf dem südamerikanischen Sponsorenmarkt noch erklären, aber Chandhok? Die Zweifel sind größtenteils verflogen, denn der Inder macht oft einen besseren Eindruck als der Brasilianer.

Titel-Bild zur News: Karun Chandhok

Karun Chandhok hat sich in der Formel 1 schnell etablieren können

Der 26-Jährige aus Chennai ist ungewöhnlich spät in die Königsklasse aufgestiegen. Sein Traum war es schon immer, einmal Formel-1-Pilot zu werden, doch der Weg durch die Nachwuchsklassen war beschwerlich. Chandhok absolvierte die Formel Asia, dominierte oft und gewann fast nach Belieben. Es folgte 2002 der Schritt nach Großbritannien. Der Inder versuchte sich sofort in der renommierten Britischen Formel 3.#w1#

"Ich habe Fehler in meiner Karriere gemacht", sagt Chandhok rückblickend gegenüber 'Autosport'. Er habe den deutlich härteren Wettbewerb in Europa anfangs erheblich unterschätzt. "Ich hatte acht von 14 Rennen in der Formel Asia gewonnen. Ich kam nach Europa und dachte, dass es ganz leicht werden würde. Im Nachhinein hätte ich wohl ein oder zwei Saisons in der Formel Renault fahren sollen, um mich daran zu gewöhnen."

Bauchlandung in der Formel 3

Nicht nur die Konkurrenz war deutlich stärker, sondern auch andere Umstände warfen Chandhok zunächst etwas aus der Bahn. Plötzlich wohnte der wohlbehütete Inder allein weit weg von der Heimat. Das Wetter in Großbritannien sorgte für zusätzlichen Frust. "Ich war noch nie im Regen gefahren und wusste nichts über zu kalte Reifen. Als ich in Oulton Park meine ersten Runden drehte, war es eisig kalt, der Asphalt wie schwarzes Eis - es war furchtbar."

"Ich bin sofort in der Einrollrunde rausgeflogen. Ich kannte das Gefühl mit kalten Reifen nicht", beschreibt der HRT-Pilot mit einem Schmunzeln. "In der Heimat fuhren wir im Sommer bei hohen Temperaturen. Dort waren deine Reifen immer schon nach einer fliegenden Runde hinüber." Vier Jahre blieb Chandhok in der Britischen Formel 3. Er zeigte konstante Fortschritte und wechselte in die Renault-Word-Series, ein Jahr später dann in die GP2.


Fotos: Karun Chandhok, Großer Preis von Großbritannien


Doch auch im Unterbau der Formel 1 gab es nicht den erhofften Durchbruch. Bei 61 GP2-Einsätzen für Durango, Ocean und iSport gab es lediglich zwei Sprintsiege. In der Formel 1 nahm man aufgrund der sportlichen Leistungen wohl kaum Notiz vom Inder. Aber Chandhok blieb am Ball, wartete auf seine Chance. Der Motorsport-Exot aus Asien genoss nicht den Ruf eines Überfliegers, aber eines Arbeitstieres.

Arbeitstier mit Benzin im Blut

"Ich war jede Woche bei iSport in der Firma. Vorher bei T-Sport in der Formel 3 habe ich immer bis spät nachts über den Daten gesessen, habe meine Werte mit jenen von Anthony Davidson und Takuma Sato verglichen", erklärt Chandhok, der seine intensiven Kontakte zu den jeweiligen Teams auch bei Ocean und HRT weiter ausbaute. "Mein Ingenieur wohnt bei mir in der Nähe. Ich bin jede Woche bei ihm."

Chandhok ist mittlerweile auf der britischen Insel heimisch geworden, die europäische Mentalität und Kultur ist ihm überhaupt nicht mehr fremd. "Silverstone war auch für mich ein Heimrennen", erklärt der Inder. "Ich bin erstaunt, wie viele Leute in meinem Wohnort Brackley mich kennen. Neulich in der Bank sagte die Dame dort zu mir: 'Ich habe nicht gewusst, dass du Formel-1-Pilot bist. Du gehst doch hier seit Jahren ein und aus'. Erst jetzt nehmen die Leute richtig wahr, was ich eigentlich mache."

Karun Chandhok

Für jeden Spaß zu haben: Karun Chandhok als Busfahrer in Silverstone Zoom

Motorsport betreibt Chandhok nicht nur aus Überzeugung und Spaß, sondern aus tiefer Leidenschaft. "Ich bin Fan. Ich bin genauso ein Fan wie die Leute, die heutzutage zu mir kommen und ein Autogramm wollen." Die Leidenschaft für Rennsport zeigt sich deutlich. An freien Wochenenden besucht Chandhok Rennen der Britischen Formel 3, der GT-Meisterschaft oder der MotoGP. "Ich liebe das einfach. Manche Leute sind erstaunt, wie leidenschaftlich ich dabei bin. Ich wundere mich oft darüber, wie viele Fahrer so nüchtern mit dem Motorsport umgehen können."

Die Chancen für 2011

"Ich wollte immer schon Rennfahrer werden. Ich war von Anfang an von diesem Sport besessen. Ich könnte jetzt aus dem Stehgreif sagen, was zum Beispiel in Jerez 1987 passiert ist. Ich bin einfach mit dem Herzen dabei", sagt der Inder stolz. "Manchmal werde ich ausgelacht, weil ich sogar an freien Wochenenden nach Snetterton düse, wo ich doch eigentlich in Monaco abhängen sollte. Aber ich will meine Zeit mit Freunden verbringen. Und diese Freunde sind nun mal im Motorsport."

Chandhok hat sich in den ersten zehn Rennen seiner Formel-1-Karriere behauptet und den Resekt der Konkurrenz erarbeitet. "Ich werde mittlerweile als ernsthafter Pilot gesehen, der seine Chancen bekommen soll. So etwas müssten andere Teamchefs nicht zu mir sagen, aber sie tun es. Ich hoffe einfach darauf, dass ich mehr als dieses eine Jahr in der Formel 1 bekomme. Ich möchte möglichst lange dabei bleiben." Aber ob dies mit HRT möglich sein wird?

"Ich hoffe einfach darauf, dass ich mehr als dieses eine Jahr in der Formel 1 bekomme." Karun Chandhok

"Mal abwarten", sagt der Rookie. "Mal sehen, was HRT-Eigner Jose Carabante plant. Es gab schon Gespräche über mögliche Verbesserungen im Team, die sehr interessant waren. Wir schauen uns trotzdem alle Optionen an. Ich möchte irgendwann zumindest im Mittelfeld um ein paar Punkte kämpfen können. Nicht jeder bekommt die Chance wie Lewis Hamilton und darf sofort in einem Topteam fahren. Natürlich ist jetzt schon sicher, dass ich 2011 nicht in einem der absoluten Toptautos sitze."