• 20.06.2009 21:17

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Brawns "Reifenflüsterer" als Handicap

Die Fähigkeit des BGP 001, die Reifen zu schonen, wirkt sich laut Ross Brawn in Silverstone negativ auf die Performance aus

(Motorsport-Total.com) - Ausgerechnet beim Heimrennen von Jenson Button in Silverstone kann das Brawn-Team dem "roten Bullen" von Sebastian Vettel nicht das Wasser reichen: Button sicherte sich im Qualifying mit fast acht Zehntelsekunden Rückstand nur den sechsten Startplatz und hat damit realistisch gesehen keine Siegchance, denn Vettel sitzt obendrein auch noch im schwereren Auto.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Button fuhr in Silverstone seinen schlechtesten Startplatz der Saison ein

"Wir bekamen die Reifen nicht auf Temperatur", analysierte Teamchef Ross Brawn. "Das ist uns schon einmal passiert, nämlich in China im Regen." Dort hat Button just die bisher einzige Saisonniederlage einstecken müssen - wobei es fast schon vermessen ist, von einer Niederlage zu sprechen, schließlich fuhr er hinter den beiden Red Bulls immer noch als starker Dritter über die Ziellinie. So ein Ergebnis wäre morgen schon ein Erfolg.#w1#

Sichere Punkte als oberste Maxime

"Wir werden die Chancen nehmen, wie sie kommen", betonte Brawn im Hinblick auf das Rennen. "Weltmeisterschaften werden nicht gewonnen, indem man jedes Rennen gewinnt. Meistens ist es eine Kombination aus Siegen und guten Punkteankünften. Ich denke, Jenson wird besser abschneiden als Platz sechs, aber es wird ein schwieriges Rennen für ihn. Er darf jedenfalls den Anschluss zur Führungsgruppe nicht verlieren."

Unabhängig von der Performance verlangt Brawn von seinem Team eine gut ausgeklügelte Strategie, perfekte Boxenstopps, generell keine Fehler. Dann könnte man am Ende vielleicht sogar profitieren, schließlich hat Vettel diese Saison schon einige Schnitzer eingebaut - siehe Monte Carlo, siehe Istanbul. "Sebastian scheint am Start zu ehrgeizig zu sein", sagte Brawn, fügte aber respektvoll an: "Wenn man sich die Benzinmengen ansieht, dann ist er sehr beeindruckend unterwegs."


Fotos: Jenson Button, Großer Preis von Großbritannien, Samstag


"Ihr Auto funktioniert hier eindeutig sehr gut. Rein von der Performance her wird es morgen schwierig für uns - es sei denn, die Streckentemperaturen gehen nach oben", gab der 54-Jährige zu Protokoll. "Aber es kann viel passieren. Sie hätten uns dieses Jahr eigentlich schon zweimal schlagen müssen, wenn es nur nach der Performance gehen würde. Ich hoffe, dass wir es ihnen morgen wieder schwer machen können."

Dafür braucht es aber keinen britischen Regen, sondern für Silverstone untypischen Sonnenschein, denn dadurch, dass der BGP 001 als "Reifenflüsterer" gilt, bekam Button heute seine Bridgestone-Gummis nicht ausreichend auf Temperatur. Der WM-Leader hatte damit aufgrund seines geschmeidigen Fahrstils noch mehr zu kämpfen als Teamkollege Rubens Barrichello, der meistens ziemlich wild am Lenkrad kurbelt.

Nachteil in Silverstone, Vorteil in Monte Carlo

"Unser Auto ist sehr reifenschonend", erläuterte Brawn. "Das wirkt sich hier negativ aus, aber unter anderen Bedingungen kann es auch positiv sein. In Monaco konnten wir zum Beispiel problemlos den weichen Reifen fahren, während Sebastian nach vier Runden keinen Grip mehr hatte." Die Streckentemperaturen lagen heute bei bis zu 27 Grad. Schon zehn Grad mehr würden dem Brawn-Team im Rennen enorm helfen.

Ross Brawn

Ross Brawn macht sich hinsichtlich der Weiterentwicklung keine großen Sorgen Zoom

Von einem generellen Abwärtstrend will Brawn übrigens noch nichts wissen, auch wenn seine beiden Fahrer den Red Bulls in Silverstone erstmals klar unterlegen zu sein scheinen. Aber das Team verfügt über die notwendigen Ressourcen, um die Entwicklungsrate der Konkurrenz einigermaßen mithalten zu können. Schon für den Nürburgring sind beispielsweise neue Teile geplant, durch die die Reifen schneller zum Arbeiten gebracht werden sollen.

"Es geht dieses Jahr vor allem um die Aerodynamik, denn Dinge wie die Radaufhängungsgeometrie sind wegen des Testverbots sehr schwierig weiterzuentwickeln. Die Aerodynamik hingegen kann man im Windkanal testen - und da haben wir eine sehr gute Anlage, die wir maximal nutzen. Wir haben die Ressourcen, da mache ich mir keine Sorgen", wischte Brawn Bedenken vom Tisch, sein Team könne im Saisonverlauf noch weiter zurückfallen.