• 18.07.2008 08:51

  • von Christian Nimmervoll & Stefan Ziegler

Bourdais: "Da gibt es keine Wunder"

Sébastien Bourdais kommt mit dem neuen Aeropaket des STR3 überhaupt nicht zurecht und sieht auch kein Licht am Ende des Tunnels

(Motorsport-Total.com) - Eineinhalb Tage lang testete Sébastien Bourdais vergangene Woche in Hockenheim, doch auch wenn der Toro-Rosso-Pilot zu den journalistenfreundlicheren Erscheinungen im Fahrerlager zählt, so wirkt er momentan doch meistens stinksauer. Der Grund dafür ist die Charakteristik des neuen Aerodynamikpakets des STR3, mit dem er überhaupt nicht zurechtkommt. 'Motorsport-Total.com' war dabei, als er die Hintergründe erklärte.

Titel-Bild zur News: Sébastien Bourdais

Wirkt momentan nicht so happy wie zu ChampCar-Zeiten: Sébastien Bourdais

Frage: "Sébastien, wie war der Hockenheim-Test für dich?"
Sébastien Bourdais: "Wir versuchen noch immer ein paar Lösungen für meine persönlichen Probleme zu finden. Die anderen drei Piloten haben die gleichen Schwierigkeiten, nur scheine ich etwas mehr davon betroffen zu sein. Die Bedingungen waren nicht unbedingt so toll, deshalb konnte man das nur schwer einordnen. Wir kümmerten uns um eine Aerofrage, welche aber eigentlich kein Problem darstellt. Es ist vielmehr so, dass diese Aerocharakteristik das Setup in gewisser Weise vorgibt."#w1#

Bourdais vor ähnlicher Herausforderung wie Heidfeld

"Leider haben wir aber keine Lösung gefunden. Ich glaube auch nicht, dass es dafür eine gute Lösung gibt - wir müssen wohl einfach einen besseren Kompromiss finden. Darum dreht es sich also bei uns: Wir probieren verschiedene Dinge aus. Wir versuchen, mehr Druck auf die Vorderachse zu bekommen, testen eine andere mechanische Balance und vergleichen das. Es ist ein bisschen kompliziert, aber da müssen wir jetzt einfach durch."

"Wir werden die Probleme nicht beheben können." Sébastien Bourdais

Frage: "Denkst du, ihr könnt diese Probleme in den Griff bekommen?"
Bourdaus: "Nein. Wie ich schon sagte, wir werden sie nicht beheben können. Da gibt es keine Wunder. So ist die aerodynamische Charakteristik dieses Wagens nun einmal. Wir haben aber etwas beim Bremssystem entdeckt, das uns schon einmal in die richtige Richtung führt. Wir haben auch beim Setup etwas ausprobiert, wobei ich mir allerdings nicht sicher bin, ob es wirklich besser ist als das, was wir in Silverstone hatten. Wir sollten also ein paar Schritte zurückgehen und nochmals mit dem beginnen, was wir in Silverstone gefunden haben, und dann die Entwicklungen beim Bremssystem hinzufügen. Das sollte helfen."

Frage: "Du bist also nicht allzu optimistisch für den Grand Prix?"
Bourdais: "Naja, ich würde sagen, ich fühle mich hier wohler als in Silverstone. Silverstone war für mich nicht besonders toll, ich stand total neben den Schuhen. Ich hatte viel zu viel Untersteuern bei hoher Geschwindigkeit, konnte nicht bremsen, ohne die Hinterräder zu blockieren und am Kurveneingang einen Dreher hinzulegen. Das war wirklich kein Spaß. Der Regen hätte das eigentlich etwas verbessern müssen."

"Der Wagen war okay, ich hatte allerdings einen schlechten Start. Dann hingen wir zehn Runden lang hinter Sutil fest und wir haben noch etwas mehr Zeit verloren, als er direkt vor mir abflog. Alleine in dieser Runde gingen weitere fünf Sekunden flöten und danach war der Zug abgefahren. Danach haben wir als Team einige risikoreiche Entscheidungen getroffen, um das Rennen mit nur einem Stopp zu beenden, was der ursprüngliche Plan war. Das hat aber nicht geklappt, wobei es nicht schlecht gewesen wäre. Der Wettervorhersage zufolge hätte es eigentlich ab Runde 20 keinen Regen mehr geben dürfen - und dann begann es zu regnen! Nicht sehr viel, weswegen das Team entschieden hat, bei einem Stopp zu bleiben um dann in Runde 32 an die Box zu kommen und Trockenreifen aufzuziehen."

Auf dem falschen Fuß erwischt

"In Runde 21 fuhr ich meine schnellste Runde, in Runde 22 regnete es ein bisschen und in den kommenden Runden ebenfalls. Im 27. Umlauf sind wir dann schließlich an die Box gekommen. Meine Intermediates waren komplett abgefahren und ich habe ungefähr zehn Sekunden pro Runde verloren - fünf Runden lang. Ich weiß nicht, ob irgendjemand etwas anderes gemacht hat, ich musste allerdings da draußen um das nackte Überleben kämpfen. Mir waren die Hände gebunden."

"Die Wettervorhersage war schlichtweg falsch." Sébastien Bourdais

Frage: "Hat dich das Team hereingeholt?"
Bourdais: "Ja, aber das war zu diesem Zeitpunkt eine richtige Entscheidung. Der Punkt ist doch, dass mit jeder Runde unsere Strategie mehr den Bach hinunterging. Wir dachten, dass es weiter abtrocknen würde, wir in Runde 32 hereinkommen und wir mit Intermediates weitermachen könnten. Aber die Wettervorhersage war schlichtweg falsch. Das hat uns eiskalt erwischt, denn wenn wir auf eine Zweistoppstrategie gewechselt wären, dann hätten wir spätestens in Runde 23 an die Box kommen müssen, um nicht so viel Zeit einzubüßen. Und während des Rennens haben wir dann gemerkt, dass unsere Strategie einfach nicht aufgehen würde.

"Aber da ist es freilich schon zu spät gewesen. Die 30 oder 40 Sekunden, die wir verloren hatten, konnten wir einfach nicht mehr aufholen. Beim Boxenstopp in Runde 27 hatten wir noch immer geplant, mit einem Stopp durchzufahren. Wir zogen Intermediates auf und tankten den Wagen voll. Wir waren also randvoll und nur zehn Umläufe später kamen wir erneut in die Box, um die richtigen Regenreifen aufzuschnallen. Game over - das war's dann. Du bekommst zwar neue Reifen, tankst aber nicht nach. Deshalb war der ganze Sprit über die vergangenen zehn Runden lediglich ein unnötiges Zusatzgewicht. Wir waren also quasi raus aus dem Wettbewerb. Hätten wir nur einen frühen ersten Stopp eingelegt, dann hätten wir möglicherweise Punkte holen können."

Falsche Wetterinformationen in Silverstone

"Letztendlich aber war es ein Lotteriespiel mit dem Wetter, aber das war ja für alle gleich. Du musst dich halt entscheiden und wir haben der Wettervorhersage geglaubt und lagen falsch damit. Das Team hat aber keinen Fehler gemacht. Wir haben uns eigentlich lediglich auf die Informationen verlassen, die uns zur Verfügung gestellt wurden. Das war der Haken an dieser Sache. Wie kann man jemandem einen Vorwurf machen, wenn er sich an die vorgegebenen Informationen hält?"

Sébastien Bourdais

Mit der neuen Aerodynamik des STR3 kommt Sébastien Bourdais nicht zurecht Zoom

Frage: "Habt ihr euren eigenen Wetterdienst an der Strecke oder verlasst ihr euch auf die FIA-Vorhersage?"
Bourdais: "Nein, das kam vom FIA-Dienst."

Frage: "Du hast vorhin von aerodynamischen Problemen gesprochen. Kannst du da noch etwas mehr ins Detail gehen? Was passt deiner Meinung nach nicht ganz für dich?"
Bourdais: "Ich kann nicht mit Zahlen um mich werfen, denn das ist schlicht nicht möglich. Mein großes Problem sind aber Vibrationen bei der Aerobalance, denn wir verlieren in meinem Fall zu viel aerodynamische Balance bei hoher Geschwindigkeit. Ich bekomme einfach viel Untersteuern bei hohen Geschwindigkeiten und dann fährst du letztendlich im unteren Geschwindigkeitsbereich mit zu viel Frontflügel herum, um das Auto für Hochgeschwindigkeitspassagen anzupassen."

"Du hast also die Wahl zwischen drei Möglichkeiten: Entweder du stellst den Frontflügel für hohe Geschwindigkeiten ein und hast dafür ein unfahrbares Auto in langsamen Abschnitten, oder du nimmst einen flachen Frontflügel, um das Fahrzeug bei niedrigem Tempo unter Kontrolle zu haben, wobei du dann Untersteuern bei hoher Geschwindigkeit hast. Keine dieser zwei Möglichkeiten sind sinnvoll, denn du machst deine Hinterreifen kaputt, wenn du zu viel Frontflügel fährst, und zerstörst deine Vorderreifen, wenn du zu wenig Flügel hast."

Kompromiss als suboptimale Lösung

"Du suchst also einen Kompromiss, bist bei hohen und bei niedrigen Geschwindigkeiten nicht zufrieden - aber das ist nun einmal deine einzige Möglichkeit. Damit schlage ich mich derzeit herum und das beschäftigt auch die anderen. Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, dass ich aus irgendwelchen Gründen die Vorderreifen kaputt mache, was den anderen bei hohem Tempo nicht passiert, und zudem macht mich das Untersteuern fertig."

"Es liegt am neuen Aerodynamikpaket." Sébastien Bourdais

Frage: "Kam das mit dem neuen Auto? Das verhielt sich beim alten Auto nicht so, oder?"
Bourdais: "Das hat nicht nur mit dem neuen Wagen zu tun, es liegt vielmehr am neuen Aerodynamikpaket."

Frage: "Du hast das Problem also seit Silverstone?"
Bourdais: "Seit Magny-Cours. Wir haben dem neuen Auto bislang noch nicht wirklich eine faire Chance gegeben, denn beim ersten Rennen in Monaco wussten wir gar nichts über den Wagen. Das alte Aerodynamikpaket war außerdem sehr schlecht auf den Kerbs. Es war also für Monaco und Kanada die schlechteste Lösung. Dann haben wir für Magny-Cours das neue Aeropaket genommen. In Barcelona ist das Problem erstmals aufgetreten, aber wir arbeiten noch immer an der Lösung."

Frage: "Ich weiß nicht, wie sehr du darunter leidest, aber gibt es Überlegungen, wieder zurück zum alten Paket zu wechseln?"
Bourdais: "Beim Testen ist das schwierig, denn wir haben einfach nicht die Zeit dazu. Für das Team wäre es auch sehr schwierig, ein Auto auf einem Paket zu haben und das zweite auf einer anderen Basis. Wir hoffen natürlich, dass wir bald auf eine Lösung kommen, die vielleicht etwas weniger effizient ist, für mich aber besser ausbalanciert."

Der "Anti-Bourdais"

Frage: "Die anderen drei Fahrer haben damit nicht so zu kämpfen..."
Bourdais: "Naja, jeder hat so seine Schwierigkeiten damit. Der eine mehr, der andere weniger. Das kommt letztendlich auf das Fahrgefühl an und wie feinfühlig ein Pilot ist. Die Leute haben da etwas falsch verstanden, als ich den neuen Wagen 'Anti-Bourdais' nannte. Was ich eigentlich damit sagen wollte: Es gibt da zwei Dinge, die ich bei Rennwagen am meisten hasse. Untersteuern bei hoher Geschwindigkeit ist ein Graus für mich und kaputte Hinterreifen bei niedrigen Geschwindigkeiten helfen mir auch nicht sonderlich. Das Großartige bei den ChampCars war für mich, dass der Wagen nur schnell war, wenn er ein gewisses Maß an Untersteuern und gute Traktion besaß. Bei hohem Tempo war Untersteuern nur ein geringer Faktor."

"Ich weiß wirklich nicht, warum die Leute immer auf Magny-Cours herumhacken!" Sébastien Bourdais

Frage: "Lass uns noch über Magny-Cours reden. Als du noch in den Staaten warst, da hieß es immer, dass noch ein Jahr gefahren wird, dann ist aber Schluss. Und die Formel 1 kam doch immer wieder zurück..."
Bourdais: "Alle haben gesagt, das wir dort zum letzten Mal gefahren sind - ich habe mich dieser Meinung nie angeschlossen."

Frage: "Was hältst du von der Kritik, die auf Magny-Cours niederprasselt? Es verhält sich mit Silverstone ja durchaus ähnlich..."
Bourdais: "Ich weiß wirklich nicht, warum die Leute immer auf Magny-Cours herumhacken! So schlimm ist es dort nun auch wieder nicht. Okay, hier in Hockenheim sind wir nicht so weit von einem hervorragenden Flughafen entfernt und man findet auch leicht ein Hotel. Aber auch Silverstone ist mitten im Nirgendwo. Aber nirgendwo sonst wird so viel Kritik geübt wie an Magny-Cours. Klar ist dort nicht viel los, Nevers ist keine Großstadt. Die Leute zeigen aber immer nur auf Magny-Cours, dabei habe ich gehört, dass zum Beispiel auch das China-Rennen ziemlich weit vom Stadtzentrum entfernt ist und auch das Rennen in Japan liegt mitten in den Bergen, wo es keine Hotels in der Nähe gibt. Ich weiß einfach nicht, warum es immer nur gegen Magny-Cours geht!"

Frage: "Was hältst du von alle den Ideen und Spekulationen über einen Grand Prix in Disneyland oder Versailles?"
Bourdais: "Das ernsthafteste Projekt, von dem ich gehört habe, ist, dass man wohl so etwas wie in Orlando machen und eine Strecke in Disneyland aufbauen könnte. Das wäre schon toll. Es stimmt ja, dass es keine Toprennstrecken gibt wie beispielsweise Le Mans und Magny-Cours. Paul Ricard ist jetzt eine Teststrecke und wir werden dort sicherlich keine Rennen fahren. Eine dritte Strecke wäre also gewiss eine tolle Sache."