• 18.04.2014 11:32

  • von Stefan Ziegler

Beweisen, dass es geht: Haas und der Amerikanische Traum

Wo US F1 gescheitert ist, will Gene Haas auf ganzer Linie überzeugen: Wie der Amerikanische Traum endlich auch in der Formel 1 Wirklichkeit werden soll

(Motorsport-Total.com) - Ein US-amerikanisches Formel-1-Team mit Sitz in Charlotte. Ein ehrgeiziger Plan. Und der Traum, die Formel 1 im Sturm zu erobern. All das kommt Ihnen bekannt vor? Gut möglich! Denn es ist nicht das erste Mal, dass in den Vereinigten Staaten an einem Formel-1-Projekt gearbeitet wird (alle US-Formel-1-Teams in der Datenbank!). Und da werden Erinnerungen wach: US F1. Das US-amerikanische Team, bei dem sich niemals ein Rad drehte.

Titel-Bild zur News: USA-Flagge

Stars and Stripes: Gene Haas will mit seinem US-Team in die Formel 1 einsteigen

Doch jetzt folgt ein neuer Anlauf: Gene Haas, ein 61-Jähriger aus Kalifornien, will nun endlich den Amerikanischen Traum in der Formel 1 Wirklichkeit werden lassen. Und den ersten Schritt auf dem Weg dorthin hat er bereits gemacht: Der Automobil-Weltverband (FIA) hat ihm einen Startplatz zugeteilt, zur Saison 2015 oder spätestens 2016 kann sein Rennstall in der Formel 1 antreten.

Wieder eine Parallele zu US F1. Denn so weit war das Unternehmen von Ken Anderson und Peter Windsor ebenfalls. Die Formel-1-Lizenz hatte US F1 in der Tasche, aber nicht genug Geld, um das ehrgeizige Projekt auch in die Tat umzusetzen. Und genau bei diesem Punkt unterscheiden sich die US-amerikanischen Formel-1-Ambitionen der beiden Rennprojekte: Bei Haas ist nämlich alles anders.

Wer oder was ist Haas Automation?

Haas. Oder besser: Haas Automation. Das ist einer der größten Werkzeug-Maschinen-Hersteller in den USA, mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 900 Millionen US-Dollar (etwa 650 Millionen Euro). An der Spitze des Unternehmens, das seinen Namen trägt: Gene Haas. Und mit Rennsport kennt er sich aus: Sein Stewart-Haas-Team zählt in der US-amerikanischen NASCAR zu den Topadressen.

Doch Haas will mehr - mehr erreichen für seine Firma und mehr erreichen im Motorsport. Wie er diese beiden Ziele miteinander zu kombinieren gedenkt? Mit der Formel 1! Er erklärt: "Unsere Marktpräsenz in den USA ist schon sehr gut. Indem wir die Marke Haas nun mit der Formel 1 verbinden, machen wir den Schritt hin zu einer Premiummarke." Der internationale Rennkalender spiele ihm dabei in die Karten.

"In den kommenden vier oder fünf Jahren werden die meisten Verkäufe in Übersee getätigt werden", meint der Kalifornier und fügt hinzu: "Von China über Südamerika und bis Osteuropa hat die Formel 1 viele Fans. Diesen Fans soll Haas Automation bald ein Begriff sein. Unser Unternehmen soll auf der ganzen Welt für hohe Qualität stehen. Und unterm Strich wollen wir so unsere Umsätze verdoppeln."

Ohne Sponsoren? Wie soll denn das funktionieren?

Klingt nach einem interessanten Plan. Und für diesen Plan will Haas auch einiges springen lassen: "Anfangs wird unser Formel-1-Team (nicht verwechseln mit Team Haas!) nur von Haas Automation gesponsert werden. Das Ziel ist, die Markenbekanntheit des Unternehmens überall in der Welt zu verbessern. Und von diesem Ziel will ich erst einmal nicht abweichen. Nur die Zeit kann zeigen, wie gut das funktioniert", so der Geschäftsmann.

Formel 1 ohne Sponsoren? Gewagt! Aber nicht mehr als ein anfängliches unternehmerisches Risiko, das Haas bereitwillig auf sich nimmt, wie er sagt: "Wir haben einen Businessplan, um mit diesem Projekt binnen fünf Jahren Profit zu schlagen. Dafür braucht es Sponsoring. Zunächst wird jedoch Haas Automation das Projekt stemmen. Aber dieses finanzielle Investment wird sich bezahlt machen."


Fotostrecke: Der Feind in der eigenen Box

Fünfjahres-Pläne, eine gesicherte Finanzierung, ein solider Return on Investment - all das haben sich in der Vergangenheit schon andere potenzielle Formel-1-Neueinsteiger auf die Fahnen geschrieben. Oft folgten auf große Worte aber keine großen Taten. Deshalb ist die Skepsis in der Fachwelt groß. Unter den Kritikern des Haas-Projekts befindet sich zum Beispiel auch Ex-Formel-1-Pilot Juan-Pablo Montoya.

"Wahnsinnig", "sinnlos": Kritik am US-Plan

Der Rennfahrer aus Kolumbien, nach einigen Jahren in der NASCAR inzwischen erneut bei den IndyCars am Start, glaubt nicht an den Amerikanischen Traum von Haas und Co. Ein Formel-1-Team aus den USA, das seine Basis in den USA hat, komplett aus den USA operiert - das kann einfach nicht funktionieren, meint Montoya. "Es ist völlig wahnsinnig, das Team hier aufbauen zu wollen."

Montoya weiter: "Eigentlich kann man es noch nicht einmal als wahnsinnig bezeichnen. Denn es ist einfach nur sinnlos." Haas werde es niemals gelingen, genügend Formel-1-Fachkräfte nach Charlotte in North Carolina zu locken. Und ohne entsprechendes Personal sei Haas' Formel-1-Unternehmen dem Untergang geweiht, meint Montoya. "Leute aus England wird er nicht nach Charlotte kriegen."

Doch Haas nimmt diese Skepsis völlig entspannt zur Kenntnis. Was er seinen Kritikern entgegnet? Das hier: "Ich würde es nicht tun, wenn ich davon überzeugt wäre, dass es schiefgeht. Und ich werde es versuchen, auch wenn es nicht klappt. Das ist ja die große Herausforderung - es den Leuten zu beweisen. Das wäre die größte Befriedigung. Das zu schaffen, was andere US-Amerikaner nicht geschafft haben."

Haas will es den Skeptikern zeigen

Im Grunde sei dies doch die "Definition von Erfolg", wie der Geschäftsmann ausführt. "Skeptiker gibt es immer und überall, wenn jemand etwas versucht, was noch nie vollbracht wurde." So wie bei US F1, dem Team, das für 2010 bereits mit einer Formel-1-Lizenz ausgestattet war. Doch das Jahr 2010 kam und es tat sich nichts. Im Gegenteil: Im März 2010 war er ausgeträumt, der Amerikanische Traum.

Warum Haas glaubt, dass ihm nicht das gleiche Schicksal blüht? Ganz einfach: Er weiß mit Haas Automation einen großen Geldgeber hinter sich. Ein entscheidender Vorteil und ein bedeutender Unterschied im Vergleich zu US F1, so der 61-Jährige. "US F1 war ein Startup ohne irgendwelche Ressourcen. Es gab zum Beispiel gar kein Rennteam. Wir sind da ganz anders aufgestellt."

"Ich besitze eine Firma zur Herstellung von Werkzeug-Maschinen, das die fortschrittlichsten Geräte der Welt bauen kann. Wir haben einen modernen Windkanal. Die Infrastruktur steht, die Ressourcen sind vorhanden. All das hat US F1 nicht gehabt", meint Haas. "Ich würde sagen, uns steht schon jetzt 50 Prozent von allem, was wir brauchen, zur Verfügung. Damit sind wir schon weiter als es US F1 jemals war."

Basis in den USA, aber auch Niederlassung in Europa

Weiter als US F1 vielleicht, aber trotzdem noch nicht in der Formel 1 angekommen. Doch nicht alle dort sehen schwarz, was die US-amerikanischen Pläne anbelangt. "Wenn es passiert, wäre es eine tolle Geschichte", sagt beispielsweise McLaren-Pilot Jenson Button. Er meint aber auch: "Es ist ein mutiger Schritt. Doch wenn es jemand schaffen kann, dann Gene. Einfach wird es trotzdem nicht."

"Vor allem nicht, wenn die Teambasis in den USA liegen soll. Und ich nehme einmal an, er wird Personal aus Europa und Großbritannien anstellen. Dieser Aufgabe liegt dann aber auch ein ganz anderer Lebenswandel zugrunde. In den ersten Jahren dürfte es schwierig werden. Gene scheint allerdings ein cleverer Kerl zu sein. Er wird die richtigen Leute holen, damit sein Projekt auch erfolgreich ist."

Zumindest geht hinter den Kulissen offenbar schon einiges vor sich: "Wir denken über ein kleineres Büro in Deutschland oder Italien nach. Dort könnten die Autos gewartet werden. Es kommt aber ganz darauf an, wer unser technologischer Partner ist", sagt Haas. Was er damit andeutet: Mercedes oder Ferrari könnten als Lieferanten für den Antriebsstrang in Frage kommen. Fixiert ist da aber noch nichts.

Auch auf die Frage nach der Konstruktion des Chassis' kann Haas noch nicht allzu viel antworten: "Wir haben bereits erste Gespräche mit Dallara geführt. Sie sind bereit und haben Erfahrung. Sie wissen, was sie tun. Und anfangs werden unsere Partner viel Technologie besteuern, sodass es kein reiner Haas-Formel-1-Rennwagen sein wird. Doch wir werden dazulernen und ein Verständnis aufbauen."

"Ich denke, wir können die Europäer auf ihrem eigenen Spielplatz schlagen." Gene Haas

Man will sich also helfen lassen. Doch das soll nur Starthilfe sein, wie Haas betont. "Irgendwann wird es komplett unser Auto sein. Und ganz offen gesagt: Ich denke, wir können die Europäer auf ihrem eigenen Spielplatz schlagen. Es ist ja nicht unsere Aufgabe, das Rad neu zu erfinden. Unsere Aufgabe ist, Rennautos einzusetzen und Rennen zu gewinnen." Einzig darum gehe es ihm in der Formel 1.

"Zu viele Teams sind eingestiegen und haben mit Geld um sich geworfen. Das werden wir nicht tun", erklärt Haas. "Wir werden nicht leichtfertig vorgehen, sondern unser Geld clever einsetzen - mit US-amerikanischem Flair beim Design und bei der Effizienz. Und auf diese Weise werden wir unsere Kosten kontrollieren." Sein eigenes Automotion-Unternehmen könne als perfektes Vorbild herhalten.

Formel 1 nach dem Vorbild NASCAR

"Wir bauen unsere Werkzeug-Maschinen-Elemente in Kalifornien, dem mit Blick auf die Steuern teuersten Bundesstaat in den USA. Jeder denkt, dort kann man das nicht kosteneffizient machen, doch wir tun es. Wir sind keine Europäer, die einfach Geld in die Hand nehmen und Rennen fahren. Wir machen es auf die US-amerikanische Tour, mit einer effizienten Organisation", sagt Haas.

Und einer erprobten und auch erfolgreichen: "Es ist die gleiche Organisation, die wir auch bei Stewart-Haas in der NASCAR installiert haben", meint der 61-Jährige. Und bei ihm klingt alles so einfach. Haas weiter: "Warum es andere US-Amerikaner nicht schon gemacht haben, weiß ich nicht. Vielleicht denkt man sich, dass der europäische Markt nicht mehr wichtig ist. Doch jeder Markt ist wichtig."


Fotostrecke: Die Geschichte des Red-Bull-Teams

"Es ist ähnlich wie bei Red Bull und Getränken. Red Bull ist bekannt für das erfolgreiche Formel-1-Team und dadurch verkauft das Unternehmen etliche Getränke. Ich will mit meinem Unternehmen genau so eine einmalige Verbindung mit der Formel 1 schaffen. Und ich bin davon überzeugt: Die meisten Leute wetten, dass wir dabei versagen. Deshalb wird unser Projekt erfolgreich sein."

Dabei sein ist alles - zumindest im ersten Jahr

"Denn wenn wir nicht versagen, dann ist uns etwas gelungen, was andere vor uns nicht geschafft haben. Das wird dabei helfen, die Formel 1 in den USA populär zu machen", meint Haas. Button pflichtet ihm bei: "Das Rennen in Austin hat ja schon geholfen, eine Fanbasis in den Vereinigten Staaten aufzubauen. Die muss aber natürlich noch wachsen. Ein US-amerikanisches Team würde helfen."

Ein wahrhaft einmaliges Team wäre es: Formel 1 und NASCAR - unter einem Dach. Zumindest fast: Die Gebäude für das Formel-1-Projekt entstehen derzeit direkt neben dem bereits bestehenden Haas-NASCAR-Workshop in Charlotte. Eine Ausgangslage, die Haas für eine "Win-Win-Situation" hält: "Ich verstehe das Ganze als Rennsport-Campus. Und ich hoffe, es gibt auch einen wechselseitigen Wissenstransfer."

Alles, um 2015 oder spätestens 2016 in der Formel-1-Startaufstellung zu stehen. Ganz nach dem olympischen Motto, wie Haas abschließend erklärt: "Im ersten Jahr geht es mir nicht zu sehr um die Technologie im Auto. Unser Hauptziel ist, dabei zu sein und ein Rennauto fahren zu lassen. Das Wie hat erst einmal keine Priorität." Und sollte das gelingen wäre Haas immerhin schon mal weiter als US F1...