Berger: "Hülkenberg wird zu stark hochgejubelt"

Gerhard Berger erzählt, warum er Nico Hülkenberg trotz des übertrieben Hypes in einem Topcockpit sieht und warum Fernando Alonso nicht mehr der Beste ist

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel, Fernando Alonso, Lewis Hamilton - oder doch Kimi Räikkönen? Wenn es um die Frage nach dem aktuell besten Piloten in der Formel 1 geht, scheiden sich die Geister. Rein statistisch hat der Heppenheimer mit seinen vier Titeln die Nase vorn, doch eine objektive Einschätzung der Kräfteverhältnisse kann es nicht geben. Lange Zeit galt Alonso als das Maß seiner Dinge. Auch für Gerhard Berger war der Spanier bislang die Nummer eins.

"Es gibt keinen im Feld, der seine Überholmanöver so vorbereitet wie Alonso", sagt er gegenüber 'auto motor und sport'. "Es ist unglaublich, wie er in Kurve eins die Linie so wählt, damit er in Kurve zwei auf der Linie ist und in Kurve drei dann in einer Position ist, dass ihn der Gegner nicht mehr abwehren kann." Doch mittlerweile hat sich die Meinung des Ex-Piloten geändert. Für ihn ist nun Vettel, der zu Bergers Toro-Rosso-Zeiten den einzigen Sieg für das Team einfahren konnte, aktuell der beste Pilot. Die Erklärung ist simpel.

"Alonso hat in diesem Jahr gezeigt, dass er nicht so ganz perfekt ist, wie ich geglaubt habe. Er hat in schweren Zeiten sein Team nicht gut geführt", berichtet Berger. Besonders die teilweise öffentliche Kritik legt der Österreicher dem Ferrari-Piloten negativ aus. Auch Vettel habe in der ersten Saisonhälfte 2013 seine Probleme gehabt. "Da hätte er auch das ein oder andere sagen können, aber er hat einfach ganz cool seinen Job gemacht und nachgelegt", so Berger.

"Hamilton hat zu viele Baustellen"

Auf Rang drei liegt für den zehnfachen Grand-Prix-Sieger Kimi Räikkönen. "Toll, was er immer noch leistet", sagt er über den neuen Ferrari-Piloten. Allerdings prophezeit er dem Iceman gegen Alonso eine schwere Zeit: "Mit Alonso wird er jetzt allerdings an seine Grenzen stoßen", ist Berger überzeugt.

Erst hinter Räikkönen sieht der Ex-Pilot Lewis Hamilton, den viele für den schnellsten Piloten der Königsklasse halten. Doch das ist für Berger nicht alles. "Der ist für mich noch nicht so komplett wie die beiden. Vettel und Alonso spielen da schon in einer eigenen Liga", sieht er Vergleiche mit dem Deutschen und dem Spanier nicht für angebracht. "Der Speed von Hamilton ist enorm, aber er hat zu viele Baustellen neben dem Rennsport."


Fotostrecke: Motorsport-Total.com-Awards 2013

Zudem müsse der Mercedes-Pilot sich auch 2014 wieder vor Nico Rosberg in Acht nehmen, den Berger für absolut unterschätzt hält - obwohl er sich in den vergangenen Jahren stets gegen die Creme de la creme behaupten musste: "Er hat eine unglaubliche Leistung gegen Michael Schumacher gebracht. Und jetzt gegen Hamilton auch wieder", lobt der 54-Jährige. Obwohl sich bei den Silberpfeilen meist alles um seine Teamkollegen gedreht hat, konnte Rosberg den Spieß umdrehen, "und ist gerade dabei, es ein zweites Mal zu tun. Dem Nico traue ich eine Weltmeisterschaft zu."

Hülkenberg muss aufpassen

Einem anderen Nico ist Berger allerdings nicht ganz so zugetan: Nico Hülkenberg. Der Deutsche müsse erst beweisen, zu was er in der Lage ist. "Der ist gut, aber er wird mir in Deutschland zu stark hochgejubelt", urteilt der Tiroler. "Die versammelte deutsche Medienmacht hat versucht, Hülkenberg im zweiten Halbjahr irgendwo reinzudrücken. Da ist viel zu viel geredet worden, ob von ihm selbst oder seinem Umfeld." Gefühlt saß Hülkenberg schon bei Ferrari, bei McLaren oder bei Lotus - doch dann entschieden sich alle gegen ihn. "Das hätte ihm nicht passieren dürfen."

Nico Hülkenberg

Es blieb nur Force India: Mit dem Topcockpit hat es für Nico Hülkenberg nicht geklappt Zoom

Trotz allem würde Berger Hülkenberg gerne einmal in einem Spitzenteam sehen. Seiner Meinung nach habe der Emmericher einen Platz dort verdient, um zu zeigen, was er wirklich draufhat. "Force India ist nicht schlecht, aber er hätte ein besseres Team bekommen müssen. Dass es nicht passiert ist, ist gefährlich. Du hast in deiner Karriere nur begrenzt Phasen, wo du auf dich aufmerksam machen kannst." Und die Höhepunkte haben ihm besonders in der ersten Jahreshälfte 2013 gefehlt: "Seine Leistung stimmt schon. Aber sie kam erst richtig zur Geltung, als er Druck bekommen hat."