• 11.06.2014 15:59

  • von Gary Anderson (Haymarket)

Anderson-Analyse: Die Sieger der Teamduelle

Es heißt oft, in der Formel 1 sei nur der eigene Teamkollege der einzig wahre Richtwert- Gary Anderson nimmt die Fahrerpaarung der Formel 1 unter die Lupe

(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-Teams geben hunderttausende oder sogar Million von Euro aus, um ein paar Zehntel, Hundertstel oder eine Sekunde zu finden. Wenn man so viel Geld ausgibt, ist es wichtig über zwei Fahrer zu verfügen, die in der Lage sind, die Leistung des Autos abzurufen. Einige werden einwenden, dass Glück oder Pech auch einen Einfluss auf die Ergebnisse hat, aber nach sieben Rennwochenenden ist die Stichprobe groß genug, um ein recht akkurates Bild der relativen Performance zu liefern.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg, Lewis Hamilton

Das Teamduelle der Silberpfeile elektrisiert die Formel 1 Zoom

Wenn man die schnellste Rundenzeit eines jeden Fahrers im Verlauf eines Grand-Prix-Wochenendes nimmt und diese in einen Prozentwert der insgesamt schnellsten Zeit umwandelt und daraus einen prozentualen Unterschied berechnet, ergibt sich folgende Reihenfolge der elf Fahrerpaarungen, wobei die ausgeglichenste zuerst genannt wird. Dabei zeigt sich, dass die beiden Mercedes-Fahrer zwar sehr dicht beieinander sind, dies aber nicht das engste Teamduell im Feld ist.

Relativer Leistungsvergleich der Teamkollegen (Stand: Kanada-GP):

Williams:
Felipe Massa
Valtteri Bottas +0,013%

Mercedes:
Nico Rosberg
Lewis Hamilton +0,054%

Sauber:
Adrian Sutil
Esteban Gutierrez +0,111%

McLaren:
Jenson Button
Kevin Magnussen +0.231%

Caterham:
Kamui Kobayashi
Marcus Ericsson +0,237%

Red Bull:
Daniel Riccardo
Sebastian Vettel +0,255%

Force India:
Nico Hülkenberg
Sergio Perez +0,274%

Toro Rosso:
Jean-Eric Vergne
Daniil Kwjat +0,342%

Ferrari:
Fernando Alonso
Kimi Räikkönen +0,368%

Marussia:
Jules Bianchi
Max Chilton +0,529%

Lotus:
Romain Grosjean
Pastor Maldonado +0,856%

Williams und Mercedes haben, was sich jedes Team wünscht: Zwei Fahrer, die sich gegenseitig in Schach halten. Dort weiß man: Wird das Auto verbessert, sind die Fahrer in der Lage, die zusätzliche Performance umzusetzen. Beträgt der Abstand jedoch 0,3 Prozent oder mehr, bedeutet das, dass die Investitionen in die Weiterentwicklung nicht mehr adäquat umgesetzt werden. Dies wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn der langsamere Fahrer eine Menge Geld mitbringen würde.

Ungleiche Fahrer=Handlungsbedarf

Sollte der Fahrer jedoch bezahlt werden, sollten einige faktenbasierte Diskussionen stattfinden. Und vielleicht sogar Entscheidungen von größerer Tragweite getroffen werden. Kwjat, Räikkönen, Chilton und Maldonado sind die Fahrer außerhalb der 0,3 Prozent-Marke. Das bedeutet: Drei Teams müssen etwas unternehmen.

Fernando Alonso, Kimi Räikkönen

Bei Ferrari klafft die Schere zwischen Alonso und Räikkönen auseinander Zoom

Dass Mercedes mit Rosberg und Hamilton über die zweitausgeglichenste Fahrerpaarung verfügt unterstreicht, wie wichtig es ist, über Fahrer zu verfügen, die das Meiste aus ihrer Maschine herausholen. Allerdings bedeutet das auch, dass der erbitterte Kampf zwischen Rosberg und Hamilton weitergehen wird, wie es in Kanada bis zum Ausfall des Letztgenannten der Fall war.

Derzeit sieht es so aus, als würde der Kampf der beiden um die Fahrermeisterschaft bis zum Finale in Abu Dhabi andauern. Hoffentlich wird das einer der klassischen Kämpfe, der nicht durch Ausfälle beeinflusst wird, die Hamilton schon eine Menge Punkte gekostet haben. In Montreal sahen wir aber auch wieder Reibungspunkte zwischen den beiden, vor allem in der ersten Kurve.

Entscheiden die Ausfälle das Silberpfeil-Duell?

Rosberg hatte einen einen schlechten Start und hatte mit Hamilton alle Hände voll zu tun. Daraufhin musste dieser am Ausgang der ersten Kurve aufs Gras ausweichen und verlor seine Position an Sebastian Vettel. Dieser Vorfall hätte für beide tränenreich enden können. Es war auch nicht der erste haarige Moment zwischen den beiden in diesem Jahr, und es werden weitere folgen.

Bis jetzt hat Rosberg zwei Siege und fünf zweite Plätze erzielt, während Hamilton auf vier Siege und zwei zweite Plätze kommt. Der größte Unterschied besteht darin, dass Hamilton beim Saisonauftakt und Australien sowie in Kanada nicht ins Ziel kam. Könnten diese beiden Ausfälle diese Schlacht entscheiden?

In Montreal zeigte sich, wie schnell sich die Dinge ändern können. Nachdem Rosberg und Hamilton kurz hintereinander Problem mit dem Energierückgewinnungssystem (ERS) bekamen, lahmten beide Autos. Die 160 zusätzlichen PS des Systems machen auf einer Strecke wie dieser 1,5 bis 2 Sekunden pro Runde aus. Rosberg fuhr also nur mit dem normalen 1,6-Liter-V6-Turbomotor auf den zweiten Platz, worauf er sich sehr schnell einstellte.

Anderson lobt Rosbergs Leistung

Das ist eine Fähigkeit der Spitzenfahrer: Trotz großer Probleme können sie beeindruckende Rundenzeiten fahren. Diese Umstellung ist schwieriger, als es von außen den Anschein hat. Vor der Saison sagten alle, dass man im Falle eines ERS-Ausfalls das Auto abstellen muss. Aber Mercedes war auf diese unerwartete Situation gut vorbereitet. Man möchte immer wissen, was man tun muss, um das Auto ins Ziel zu bringen. Am Sonntag war genau diese Arbeit von Mercedes entscheidend. Es ist einfach zu gewinnen, wenn alles funktioniert. Sollte allerdings etwas schied laufen, benötigt man Notfallpläne, auf die man zurückgreifen kann. In diesem Fall wurden Rosberg und Mercedes dafür mit 18 zusätzlichen Punkten belohnt.

Das Hauptproblem war für beide Fahrer der Verlust der zusätzlichen Motorleistung, wodurch ihre Rundenzeiten langsamer wurden. Darüber hinaus fiel die Energierückgewinnung beim Bremsen an der Hinterachse aus, die in dieser Saison eine Schlüsselrolle im Bremssystem darstellt. Um Gewicht zu sparen, habe alle Team in diesem Jahr kleinere Hinterradbremsen entworfen. Montreal ist jedoch für die Bremsen eine der härtesten Strecken, dort braucht man jede zur Verfügung stehende Bremsleistung. Rosberg kam mit dem Ausfall der Bremswirkung durch das ERS zurecht, während der unglückliche Hamilton ausfiel.


Fotostrecke: GP Kanada, Highlights 2014

Während die beiden Mercedes zunächst dem Feld enteilten und ihr Privatduell ausfochten, konnten die Verfolger nach dem Auftauchen der Probleme rasch aufschließen. Es war ein großartiger Kampf, und letztlich feierte Daniel Ricciardo einen wohlverdienten Sieg. Er beeindruckt mich schon während der gesamten Saison. Daher war sein erster Sieg zwar unerwartet, aber verdient.

Mercedes-Defekt eine Chance für die Konkurrenz?

Viele Teams werden nun den Leistungsunterschied der Mercedes simulieren, um zu verstehen, wie das Team die 160 PS des ERS nutzt. Dazu kann man sich die Rundenzeit in einem bestimmten Abschnitt der Rennstrecke sowie die Höchstgeschwindigkeit ansehen. Aus diesen Zahlen kann man versuchen zu ermitteln, wie sich die Zusatzleistung entfaltet. In diesem Bereich ist Mercedes besonders stark.

Außerdem erleben wir derzeit, wie sich die Formel 1 immer mehr zu einer Arche Noah verwandelt, in der die Teamkollegen Seite an Seite fahren. Warum das so ist? Wahrscheinlich liegt es an der neuen Antriebseinheit, die einen wesentlich größeren Einfluss auf die Gesamtleistung hat als die alten 2,4-Liter-V8-Motoren.


Fotos: Großer Preis von Kanada, Sonntag


Um aus dem verschiedenen Antriebsquellen die maximale Leistung abzurufen, muss man eine Menge simulieren. Diejenigen mit den besten Simulations-Programmen machen den besten Job. Das erfolgt aber im hinteren Winkel der Box und bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Daher könnte die Analyse, wie Mercedes es macht, sehr nützlich sein. Aber natürlich benötigt man auch zwei Fahrer, die die Erkenntnisse dann umsetzen.