Analyse: Was steckt hinter den aktuellen Schwierigkeiten von Lewis Hamilton?
Lewis Hamilton steckt im Formtief - Wie sich die Probleme des Mercedes-Piloten erklären und was er für die letzten drei Rennen des Jahres noch ändern möchte
(Motorsport-Total.com) - Was ist aktuell mit Lewis Hamilton los? In den letzten fünf Rennen sammelte der Brite nur 26 Punkte, während sein Mercedes-Teamkollege George Russell in gleicher Zeit satte 64 Zähler einfahren konnte und damit auch in der Gesamtwertung am Rekordweltmeister vorbeizog.
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Lewis Hamilton hat aktuell kein Vertrauen in seinen Mercedes Zoom
Am vergangenen Wochenende erlebte Hamilton den wohl größten Tiefschlag der laufenden Saison, denn während Russell den zweiten Startplatz eroberte und zu Beginn des Rennens sogar um den Sieg kämpfte, blieb dem 39-Jährigen nach Platz 14 im Qualifying nur ein mickriger WM-Punkt für den zehnten Rang.
Kein Wunder, dass der Mercedes-Pilot sein Wochenende in Sao Paulo als "Mist" bezeichnete: "Der Samstag war schrecklich. Der Sonntag war schrecklich. Das Qualifying war schlecht. Das Sprintrennen war schlecht. Das Auto war das ganze Wochenende schlecht."
Merkwürdiger Funkspruch von Hamilton
Hamilton machte das Ausmaß seiner Probleme mit einem kryptischen Funkspruch unmittelbar nach dem Fallen der Zielflagge noch deutlicher. "Das war ein katastrophales Wochenende, Leute", funkte der Brite in der Auslaufrunde. "Das Auto war noch nie so schlecht. Aber danke, dass ihr mir geholfen habt, es zu versuchen, und ein großes Kompliment an alle Jungs in der Box."
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"Wenn das mein letztes Rennen war, ist es schade, dass es nicht gut war. Aber ich bin euch dankbar." Nanu, das letzte Rennen für Mercedes? Auch wenn nicht klar wurde, worauf sich Hamilton genau bezog, liegt die Vermutung nahe, dass einige Mitarbeiter in Brasilien ihren letzten Einsatz in der Saison 2024 hatten, weil das Personal umgeschichtet wurde, um den straffen Zeitplan des Triple-Headers bewältigen zu können.
Doch weder Hamilton noch Mercedes hatten nach dem Brasilien-Rennen eine unmittelbare Antwort auf die Frage, was im Regen von Sao Paulo überhaupt schiefgelaufen war. Es ist eine Wiederholung dessen, womit Hamilton seit der Sommerpause zu kämpfen hat, als seine Form im Vergleich zum Juli, als er zwei Siege aus drei Rennen holte, stark nachließ.
Fehlendes Vertrauen in den Mercedes?
Das Problem scheint darin zu liegen, dass Hamilton kein Vertrauen in sein Auto hat, vor allem in das Heck. Wie das Diagramm, das die Telemetriedaten von Hamilton (blau) und Russell (rot) in Q1 am Sonntagmorgen vergleicht, deutlich zeigt, gibt es einen erheblichen Unterschied in der Art und Weise, wie die Fahrer das Gaspedal nutzen.
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Die Daten zeigen den Vergleich zwischen Hamilton (blau) und Rusell (rot) Zoom
Wie die untere Linie zeigt, konnte Russell das Gaspedal konsequent durchdrücken, während das fehlende Vertrauen bei Hamilton deutlich zu erkennen ist. Das instabile Heck zwingt den siebenmaligen Weltmeister immer wieder vom Gas zu gehen, wodurch er an Geschwindigkeit und Rundenzeit verliert.
Die aktuelle Generation der Ground-Effect-Autos sind ziemlich gnadenlose Rennwagen: Sie fahren superschnell und sehr nah am Boden - und sie verzeihen nicht viel, wenn man am Limit fährt. Einige Fahrer kommen mit der unberechenbaren Balance besser zurecht, aber Hamilton wird dadurch aktuell wohl etwas mehr in die Defensive gedrängt.
Fehlender Grip am Heck als Hauptproblem
Wenn ein Fahrer das Vertrauen in das Heck verliert, rutscht es in der Regel mehr, was wiederum die Probleme mit der Reifentemperatur verstärkt. Was also als kleines Problem beginnt, kann sich schnell zu etwas Größerem entwickeln und dazu führen, dass sich zwei nahezu identische Autos innerhalb eines Stints sehr unterschiedlich verhalten.
"Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Lewis vor allem mit fehlendem Grip am Heck zu kämpfen hatte", stellt Mercedes-Technikchef Andrew Shovlin dazu klar. "Wenn wir uns anschauen, wie er sein Auto abgestimmt hatte, ist es nicht offensichtlich, woher das kam. Aber in einem Sprintrennen, wenn man weniger Grip hat und am Kurvenausgang übersteuert, erzeugt man mehr Temperatur. Das macht das Problem nur noch schlimmer."
"Wie bei jedem Rennen verbringen wir viel Zeit damit, die Daten zu analysieren und zu versuchen, sie zu verstehen, und Lewis' Ingenieure werden mit ihm an diesem Problem arbeiten, um sicherzustellen, dass wir es vor Las Vegas in den Griff bekommen."
Brasilien keine ideale Mercedes-Strecke
Hamiltons Schwierigkeiten, ein Set-up zu finden, mit dem er sich wohlfühlt, wurden durch das jüngste Mercedes-Upgrade, das seit dem Großen Preis der USA zum Einsatz kommt, nicht gerade erleichtert. Es scheint zwar alle Kriterien zu erfüllen, um zusätzliche Leistung auf die Strecke zu bringen, könnte aber zu einer gewissen Instabilität führen, wie Hamiltons Abflug in Austin und der Qualifying-Crash von Russell gezeigt haben.
Zudem hat sich eine besondere Schwäche des Autos, nämlich der Umgang mit aufeinander folgenden langsamen Kurven, durch die jüngsten Änderungen nicht verbessert. "Im Trockenen waren wir nicht so gut, aber die Probleme, mit denen wir mit diesem Update zu kämpfen haben, sind dieselben wie vorher", verrät Shovlin.
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Im Regen von Sao Paulo erlebte Lewis Hamilton einen Tiefschlag Zoom
"Unsere Schwachstelle sind die langsamen Kurven, vor allem jene, in denen eine Kurve auf die andere folgt. Dort muss sich das Auto viel drehen, und das ist eine Schwäche, an der wir arbeiten müssen". Weil der zweite Sektor von Interlagos aus vielen langsamen Kurven besteht, war klar, dass das Rennen in Brasilien für Mercedes noch schwieriger sein würde.
Das einzig Positive für Hamilton ist derzeit, dass zumindest Russells Leistung gezeigt hat, was mit dem aktuellen Mercedes möglich ist. Und einige der kommenden Strecken, vor allem Katar, könnten dazu beitragen, dass die Stärken des W15 stärker zum Vorschein kommen als die Schwächen.
Hamilton-Leistung ist "nicht akzeptabel"
Hamilton räumt ein, dass die Situation im Moment nicht einfach sei, aber er habe keine andere Wahl, als mit seinem Team zu versuchen, bis zum Finale in Abu Dhabi einen Ausweg zu finden. "Natürlich ist es verheerend, in der zweiten Saisonhälfte so schlechte Rennen zu haben", meint der Brite.
"Ich kann nur sagen: Wir versuchen es. Aber es ist definitiv nicht akzeptabel. Das ist definitiv nicht gut genug. Und dafür müssen wir die Verantwortung übernehmen. Ich muss die Verantwortung übernehmen, weil ich am Steuer sitze."
"Ich mache das Beste aus dem, was ich habe", bilanziert Hamilton nach dem Brasilien-Wochenende. "Das Auto war an diesem Wochenende das schlechteste, [das ich in diesem Jahr hatte], und ich weiß nicht, woran das liegt. Das müssen wird herausfinden."
Dieses Vorhaben begann für Hamilton in dieser Woche mit intensiver Arbeit in der Fabrik, wo er sich mit den Ingenieuren zusammensetzte und Zeit im Simulator verbrachte, um zu versuchen, Antworten zu bekommen. In Las Vegas wird sich dann zeigen, inwieweit sich diese Anstrengungen gelohnt haben.
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