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  • 09.12.2017 11:12

  • von Willy Zink

Abiteboul im Interview: "Renault-Comeback härter als 2000"

Renault-Geschäftsführer Cyril Abiteboul im Interview: Warum das Renault-Comeback schwieriger ist als vor 17 Jahren, wieso er zufrieden ist und es 2018 enger wird

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich wollte Renault dieses Jahr mit dem neuen Starpiloten Nico Hülkenberg auf Platz fünf in der Konstrukteurs-WM kommen. Durch ein starkes Saisonfinish gelang es immerhin, ein kapitales Scheitern an den eigenen Vorgaben zu verhindern und von Rang acht auf Rang sechs nach vorne zu kommen. Nun zieht Geschäftsführer Cyril Abiteboul im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' Bilanz über die zweite Saison als Werksteam: Warum er das Jahr trotz allem klar positiv sieht, wieso er 2018 mit einem Zusammenrücken des Feldes rechnet und weshalb die Rückkehr nach Le Castellet für Renault ein Vorteil ist.

Titel-Bild zur News: Cyril Abiteboul

Cyril Abiteboul: Die Rückkehr an die Spitze verläuft für Renault alles andere als einfach Zoom

Frage: "Herr Abiteboul, welche Fortschritte hat Renault dieses Jahr im Vergleich zu 2017 gemacht?"
Cyril Abiteboul: "Erstens haben wir uns in den Wertungen verbessert, weil wir von Platz neun auf Platz sechs nach vorne gekommen sind. Zu Saisonbeginn hatten wir das Potenzial für Platz acht, am Ende aber bereits für Platz vier. Bei ein, zwei Grands Prix hatten wir Zuverlässigkeitsprobleme, die uns dazu gezwungen haben, konservativer aufzutreten."

"Insgesamt zeigt die Saison aber, dass wir auf einem guten Weg sind: Wir haben die Lücke zur Spitze verkleinert. 2016 lagen wir zwei Sekunden zurück, Ende 2017 nur noch eine Sekunde. Wir beginnen gerade damit, den Abstand zu verringern, aber die Tatsache, dass sie so weit vor uns liegen, zeigt, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. In den Fabriken setzen wir unseren Investitions- und Rekrutierungsplan fort, aber insgesamt war es für uns eine gute Saison."

Frage: "In welchen Bereichen hat sich der R.S. 17 verbessert?"
Abiteboul: "Wir müssen an allen Bereichen arbeiten. Beim Motor haben wir uns um rund eine Sekunde verbessert. Das war keine klare Verbesserung, da wir wegen unserer Zuverlässigkeitsprobleme vorsichtig sein mussten. Bei der Aerodynamik haben wir auch große Fortschritte gemacht, auch wenn es schwer zu vergleichen ist, da das Aerodynamik-Reglement geändert wurde. Die Basis war also eine andere."

"Im Laufe der Saison, es war rund um Silverstone, hat aber jeder gesehen, dass sich die Aerodynamik des Autos deutlich geändert hatte. Das ist ein guter Punkt, denn er zeigt, dass die Firma in Enstone immer besser in Schuss kommt. Und wir haben einen neuen Aerodynamikchef (der von Red Bull gekommene Pete Machin; Anm. d. Red.), der diesen Sommer zu uns gestoßen ist und das Auto weiterententwickelt hat, weil er nicht das Interesse an kurzfristigen Lösungen verloren hat. Natürlich hat er auch langfristig gearbeitet, und das macht uns wirklich zuversichtlich."

Warum die Formel 1 härter ist als vor 17 Jahren

Frage: "Welche Ziele habt ihr für 2018?"
Abiteboul: "Wir haben keine sportlichen Ziele, aber das wird sich vielleicht im Februar ändern. Wir müssen uns weiterententwickeln. Wir haben die Saison auf Platz sechs beendet, wir sehen also, in welchem Bereich unser Ziel liegen könnte. Wir müssen die Lücke zu den Führenden schließen, und dafür benötigen wird schon zum Saisonstart eine gute Zuverlässigkeit."

"Bei den Wintertests werden wir den Schwerpunkt darauf legen, Kilometer zu sammeln und ab dem ersten Grand Prix Punkte zu holen. Wir werden zwei Kundenteams haben, und das wird uns einige Probleme bereiten, aber das wissen wir. Es muss uns gelingen, ihnen zu folgen und stetig die Lücke zu schließen."

Frage: "Kann man das Comeback vor zwei Jahren mit dem Comeback im Jahr 2000 vergleichen?"
Abiteboul: "Der Sport war damals ganz anders. Die Formel 1 ist schwieriger geworden, und die Fortschritte passieren langsamer. Dafür gibt es Beispiele wie Red Bull, die drei Mal in Folge auf Platz sieben landeten, oder Mercedes, die über mehrere Jahre Fünfter wurden, obwohl sie mit Rosberg und Schumacher außergewöhnliche Fahrer hatten. Das soll keine Ausrede sein. Wir haben das in unsere Planungen miteinbezogen."

Flavio Briatore, Giancarlo Fisichella, Alexander Wurz

Im Jahr 2000 übernahm Renault unter der Leitung von Flavio Briatore Benetton Zoom

"Es ist das Ziel, 2020 gegen die großen Teams zu kämpfen, in den Top 3 zu liegen und um den Titel zu fahren. Podestplätze sollten also schon davor eintreffen, aber ich möchte nicht schon über Podestplätze im kommenden Jahr sprechen, das wäre Unsinn. Wir wissen, dass zumindest drei konkurrenzfähige Teams vor uns liegen."

Abiteboul: Haben "interessanteste Fahrerpaarung"

Frage: "Ihre Meinung über das Fahrerduo Nico Hülkenberg und Carlos Sainz für 2018?"
Abiteboul: "Wir haben bei dieser Paarung ein gutes Gefühl, was die Performance, das Potenzial und die Energie angeht. Das gilt aber auch für das Image, denn sie stellen etwas dar, sind charismatisch. Die Energie der Jugend, die Erfahrung des Älteren, ein Latino und ein Deutscher - das sind Gegensätze. Ich bin mit dieser Paarung wirklich zufrieden, und ich halte sie für die interessanteste im Feld."

Frage: "Wie schätzen Sie den McLaren-Deal ein?"
Abiteboul: "Er ist spät zustande gekommen, aber bei McLaren handelt es sich um einen großen Betrieb, der in der Lage ist, sich rasch auf unseren Motor einzustellen. Wir arbeiten hart, und es wird kein Problem sein, dass das Auto bis zu den Barcelona-Tests fertig ist. Wir entwickeln den Motor, der so stark und zuverlässig wie möglich sein soll, auch für McLaren und Red Bull, aber klarerweise wird er vorrangig für das Renault-Chassis entwickelt. Dennoch wird unser Motor ihnen ermöglichen, stärker zu sein."

Cyril Abiteboul, Fernando Alonso, Eric Boullier

McLaren muss damit leben, dass der Motor für das Renault-Chassis gebaut wird Zoom

Frage: "Wird das Feld 2018 enger zusammenrücken?"
Abiteboul: "Ich glaube, wir werden einen interessanten Kampf zwischen Renault, McLaren und einigen anderen Topteams sehen. Ich rechne mit einer interessanten Saison, denn Sauber erneuert sich gerade, mit Force India ist sowieso immer zu rechnen, denn sie wissen, wie man ein gutes Auto baut, und Williams hat ebenfalls das Potenzial mitzukämpfen. Das Feld wird also enger zusammenrücken, was auch daran liegt, dass das Aerodynamik-Reglement stabil bleibt."

Frage: "Sorgt die Rückkehr des Grand Prix von Frankreich in Le Castellet auch für Freude?"
Abiteboul: "Das sind auf jeden Fall großartige Nachrichten. Bei Renault handelt es sich um einen weltweit agierenden Autohersteller, der aber französische Wurzeln hat. Unser Hauptquartier befindet sich in Viry-Chatillon, also sind wir froh über diesen Grand Prix. Und auch die Formel 1 wird in Frankreich dadurch präsenter sein, was eine zusätzliche Motivation darstellt."