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  • 14.10.2014 09:39

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

146.000 Zuschauer: Sotschi bilanziert positiv

Kritik an Putins Show, aber Lob für die Organisation: Die Chefs des Russland-Grand-Prix, Sergei Worobiew und Richard Cregan, ziehen im Interview Bilanz

(Motorsport-Total.com) - Der erste Grand Prix von Russland war für die Veranstalter in Sotschi ein voller Erfolg. Mit 146.000 Zuschauern am gesamten Wochenende übertraf die Olympiastadt sogar den Grand Prix von Deutschland in Hockenheim, der dieses Jahr nur 52.000 Zuschauer am Renntag vermelden konnte. Ans Schwarze Meer kamen bereits zu Trackwalk und Autogrammstunde am Donnerstag 20.000, am Freitag 34.000, am Samstag 37.000 und am Sonntag 55.000 Zuschauer. Die Zahl 65.000, die offiziell für Sonntag kommuniziert wurde, beinhaltet auch rund 10.000 Mitarbeiter des Formel-1-Zirkus, freiwillige Helfer, Streckenposten und so weiter.

Titel-Bild zur News: Sergei Worobiew

Sergei Worobiew zieht nach dem ersten Grand Prix von Russland zufrieden Bilanz Zoom

"Die Veranstaltung war ein Erfolg, sie war ausverkauft", erklärt Sergei Worobiew, Stellvertretender Generaldirektor des Veranstalters Formula Sochi, im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Dass insbesondere auf der Haupttribüne bei Start und Ziel trotzdem viele Plätze frei blieben, liege daran, dass im Zuge von Partnerschaften Gratistickets an Firmen verteilt, aber nicht wahrgenommen wurden. Das zum Verkauf aufgelegte Kontingent habe man jedoch vollständig an den Mann gebracht.

Geschätzte zehn Prozent der Zuschauer kamen aus dem Ausland und ließen somit fremdes Geld in Russland, die überwiegende Mehrheit der Fans auf den Tribünen waren aber Russen. Das große Interesse der wachsenden Motorsport-Community im Land belegen auch über 100 russische Journalisten, die sich für das Rennwochenende akkreditieren ließen. Von den Behörden liegen außerdem Zahlen vor, wonach 466 Journalistenvisa aus dem Ausland beantragt wurden.

Keine nennenswerten Organisationsprobleme

"Ich finde, es war ein fantastischer Event, alles ist sehr gut gelaufen. Für einen ersten Grand Prix war es eine großartige Teamleistung", freut sich Sotschi-Berater Richard Cregan, der schon bei der Formel-1-Premiere in Abu Dhabi die Fäden gezogen hat. Und in der Tat gab es wenig zu beanstanden: Abgesehen von Wartezeiten bei den strengen Sicherheitskontrollen am Donnerstag, die am Wochenende reduziert werden konnten, und einigen nicht weiter nennenswerten Kleinigkeiten lief die Organisation reibungslos.

Positiv angenommen wurde der Paddock, der zwar für die Teams ausreichend Platz zum Arbeiten bietet, aber nicht so überdimensioniert ist wie etwa in Schanghai, wo Journalisten teilweise mehr als 15 Minuten brauchen, um von einem Ende zum anderen zu kommen. Die Internet-Infrastruktur funktionierte tadellos, die Streckenposten machten keine großen Fehler - auch, weil sie von Kollegen vom australischen Verband CAMS in den vergangenen eineinhalb Jahren intensiv geschult wurden.

Bernie Ecclestone, Wladimir Putin, Jean Todt

Wladimir Putin brachte den König von Bahrain als Gast mit nach Sotschi Zoom

Für Aufregung sorgte lediglich die Inszenierung des Besuchs von Präsident Wladimir Putin, die insbesondere von meinungsbildenden westlichen Medien teilweise scharf kritisiert wurde. Worobiew kann das nicht nachvollziehen: "Wir sind eine Sportveranstaltung, die die Menschen zusammenführen soll. Wir haben glückliche Zuschauer gesehen, glückliche Teams, glückliche Medien. Er ist das Staatsoberhaupt. Das wäre in jedem anderen Land auch ganz normal."

Kritik an Aussage von Franz Tost

Gesprächsthema war in diesem Zusammenhang auch eine Aussage von Franz Tost in der offiziellen Freitags-Pressekonferenz der FIA, in der er sich explizit bei "Putin und Bernie Ecclestone" bedankte, "denn der russische Markt ist sehr wichtig für die Zukunft. Wir wissen, dass es momentan einige politische Sanktionen gibt, aber früher oder später werden die aufhören. Russland ist ein Land der Zukunft. Daher halte ich es für sehr wichtig, hier zu sein", so der Toro-Rosso-Teamchef.

Auch Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko relativiert die mediale Kritik: "Da muss man trennen zwischen Sport und Politik", findet er. "Seit ich angekommen bin, hat es nur positive Zeichen gegeben. Allein diese Show vor dem Start zeigt, dass der Sport hier die Oberhand genommen hat. So müssen wir das betrachten." Wie wichtig Russland gerade für den Energydrink-Hersteller zu sein scheint, deutet der Besuch von Konzernchef Dietrich Mateschitz an, der sonst nur selten zu Formel-1-Rennen kommt.


Fotostrecke: F1 Backstage: Sotschi

Red Bull bringt das Air-Race nach Sotschi

Ab Mai 2015 gastiert Red Bull mit dem Air-Race in Sotschi - die nächste internationale Großveranstaltung am Schwarzen Meer, nach den Olympischen Winterspielen und der Formel 1. Im Olympiastadion werden zudem 2018 Spiele zur Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen. In weiterer Zukunft könnten internationale Rennserien wie etwa die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) nach Sotschi geholt werden. "Erste Priorität ist, die russische Basis für den Sportwagen-Rennsport zu werden", sagt Worobiew.

Während die Formel-1-Teams am Montag schon längst über alle Berge waren und nur noch Teile ihrer Fracht auf den Abtransport warteten, saß Worobiews Organisationsteam schon wieder arbeitend an der Strecke. Nach dem Grand Prix ist vor dem Grand Prix, und so wird nun mit Teams, FOM und FIA ein sogenannter "Lessons-learned"-Bericht erstellt, um 2015 noch besser zu werden. "Meiner Meinung nach wird dies in Zukunft einer der herausragenden Grands Prix sein, keine Frage", ist sich Cregan sicher.

"Meiner Meinung nach wird dies in Zukunft einer der herausragenden Grands Prix sein." Richard Cregan

Der nächste große Schritt ist, die weltweite Werbung für Sotschi durch die Formel 1 in Tourismuseinnahmen umzusetzen, weshalb es in Zukunft mehr internationale Direktflüge geben soll. Bisher kamen die meisten Europäer über den Umweg Moskau oder Istanbul nach Sotschi. "Sehr wichtig", so Cregan, seien "Direktflüge aus Frankfurt, London, Abu Dhabi." Ab Juli 2015 greifen neue Bestimmungen für den Luftraum über der Region, die dies auch ermöglichen sollten.

Schlafmangel mit Emotionen bekämpft

Für Worobiew und sein Team stehen bis Samstag noch fünf harte Arbeitstage bevor. Für Sonntag hat er der Mannschaft frei gegeben: "Einen Tag braucht das Team jetzt." Sobald alle Berichte vorliegen und die Zahlen finalisiert sind, werden viele Mitarbeiter in Urlaub gehen, ehe die Vorbereitungen für 2015 beginnen. Worobiew selbst brachte es in der Grand-Prix-Woche durchschnittlich nur auf eineinhalb Stunden Schlaf pro Nacht, aber: "Es war ein großer Tag, mit sehr positiven Emotionen. Das ist das kein Problem."

Als wir am Montagnachmittag in entspannter Atmosphäre im Interview das Rennwochenende Revue passieren lassen, liegen seine drei Mobiltelefone auf dem Tisch des Medienzentrums: "Eins für private Anrufer, aber da kam auch immer mehr Geschäftliches durch. Dann eins für geschäftliche Anrufe - eine Nummer, die jeder hat." Und eine für VIPs wie Bernie Ecclestone, Regierungsmitarbeiter oder die wichtigsten Abteilungsleiter des Veranstaltungskomitees.

"Aber", freut sich Worobiew, "die meisten Anrufe waren positiv. Zum Beispiel zusätzliche Kartenbestellungen." Und was hat eigentlich Präsident Putin gesagt, als er am Sonntag an der Strecke war? "Der Präsident hat kurz mit dem Organisationsteam gesprochen", bestätigt er. "Wenn er etwas zu sagen hat, dann wird er es öffentlich tun." Aber der junge Mann mit dem weißen Hemd lächelt zufrieden und sagt: "Wenn ich hier sitze und lächle, dann ist alles in Ordnung..."