• 25.12.2013 14:14

  • von Dominik Sharaf

Wenn der Ellenbogen mehr hilft als ein Klappflügel

Flotte Sprüche und eine Menge Blechschäden: In Sachen Zweikampfhärte hatte die DTM-Saison von "Tomaten auf den Augen" bis zu "Kindsköpfen" einiges zu bieten

(Motorsport-Total.com) - Ist es so heiß wie im August auf dem Norisring, kochen die DTM-Piloten in ihren Cockpits bei 80 Grad Celsius und mehr. Nicht jedes Gemüt bleibt da cool, wie Gary Paffett und Edoardo Mortara in Nürnberg bewiesen. Nachdem sich die Toppiloten einen Hahnenkampf mit unrühmlichem Ende für beide Seiten geliefert hatten, flossen beim nicht unschuldigen Italiener Tränen. Ein Beispiel für eine Saison, in der Zweikämpfe Tür an Tür, Spiegel an Spiegel und manchmal Hals über Kopf an der Tagesordnung waren.

Titel-Bild zur News: Gary Paffett, Edoardo Mortara

Gary Paffett war am Norisring einer derjenigen, die einstecken mussten Zoom

Was den Zuschauern eine Menge Spaß und den Mechanikern einen Haufen Arbeit beschert hat, gefiel den Fahrern - solange es mit Kampfspuren weiterging und das bessere Ende für die eigenen Farben zu Buche stand. Martin Tomczyk bilanziert: "Es gibt viel Kontakt da draußen und das ist okay, solange man auf der Rennlinie bleibt", so der DTM-Champion von 2011, für den gesunde Härte Grenzen haben muss. "Sobald man von der Linie und in den Kies ausweichen muss, massiven Zeitverlust hat, ist es nicht mehr in Ordnung."

Tomczyk war selbst in manches Gefecht involviert: In Hockenheim zog er den Unmut des gefühlt dauerschäumenden Paffett ("dumm und gefährlich") auf sich. In Brands Hatch teilte er im Funk gegen Roberto Merhi aus, nachdem dieser seinem Ruf als Hitzkopf mit Rambo-Aktionen gegen ihn und Markenkollege Timo Glock ("Der hat einfach Tomaten auf den Augen!") nachhaltig alle Ehre machte Beim Saisonfinale gab es ein Rendezvous mit Jamie Green - der sich nach dem Rennen entschuldigte.

Keine Helden ohne Bösewichte

Was das Bedürfnis des Rosenheimers nach Kollegenkontakt befriedigt hat, war für "Mister Extreme" nicht mal ein Appetithappen. Mattias Ekström wünscht sich keine neuen Regeln und weiß, wonach es den Fans auf der Tribüne und an den Fernsehgeräten durstet: "Sport muss unterhaltsam sein und im Motorsport wollen die Leute Überholmanöver sehen", gibt der Schwede gegenüber 'TouringCar Times' zu bedenken. "Sie wollen, dass Spiegel fliegen und Lack zerkratzt, einige Jungs Bekanntschaft mit der Mauer machen."

Mattias Ekström

Mattias Ekström ist und belibt seinem Motto treu: "Go hard or go home" Zoom

Dass es dabei einen bösen Buben gibt, nimmt der zweifache DTM-Meister aus den Reihen Audis in Kauf: "Sie wollen, dass ein paar aggressiv sind, ob man sie dann mag oder nicht. Sie wollen, dass jemand Charakter hat und sagt, was er denkt." Bruno Spengler ist einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt und auch nonverbal unverständlich kommuniziert, wie er nach der Zieldurchfahrt auf dem Lausitzring mit seinem Stinkefinger in Richtung Onboard-Kamera demonstrierte - der galt übrigens Ekström.

Welpenschutz für die Youngster? Fehlanzeige!

Als Miguel Molina den Kanadier bei der Russland-Premiere in Moskau Liebesgrüße schickte, zeigte Spengler Nehmerqualitäten und beschwerte sich nicht - im Gegensatz zu seinem Landsmann Robert Wickens. Denn als es für einen Spätsommertag bitterkalt und unangenehm nass war in Oschersleben, rasten die Gemüter in der Magdeburger Börde im Drehzahlbegrenzer. Robert Wickens testete die Lackqualität des BMW von Spengler und fuhr durch eine Lücke, die nicht halb so breit ist wie sein Scheinwerfer.

Der Schnitzer-Pilot untermauerte daraufhin, dass er neben charmant und cool auch Nahkampf kann - und verlor die Contenance. Das Ganze bezeichnete Wickens als "kindisch". Keinen Welpenschutz gab es für BMW-Neuling Marco Wittmann, der in Spielberg im fairen Rahmen selbst gegen Mortara austeilte: "Mir hat es viel Spaß gemacht", meint der Fürther über die Zweikampfhärte. "Vor der Saison war das einer meiner Punkte mit Fragezeichen, weil ich bisher nur im Formelsport unterwegs war", sagt Wittmann über seinen Wechsel in den Tourenwagen.

"Die Leute wollen jemanden, der sagt, was er denkt." Mattias Ekström

Was mit offenen Rädern einfach zu gefährlich ist, lässt sich mit dem DTM-Boliden machen, was der 23-Jährige goutiert. Er gibt aber zu bedenken: "Du weißt nicht, wie viel du risikieren kannst, du willst natürlich niemanden mit Absicht rausschieben oder einen Unfall provozieren. Du musst erst das Gefühl entwickeln, wie weit man gehen kann, wo die Grenze und was im Rahmen des Erlaubten ist." Mercedes-Nesthäkchen Pascal Wehrlein versprach jedenfalls, in Zukunft eine härtere Gangart an den Tag zu legen.


Fotostrecke: Abseits der DTM-Ideallinie

DRS und Option-Reifen keine Wunderwaffen

Was Ekström sicher genehm ist, muss für Wittmann genau wie für seinen Markenkollegen Joey Hand nicht unbedingt sein. Der US-Amerikaner hatte sich gegenüber 'Motorsport-Total.com' gegen stabilere Autos ausgesprochen, um ein taktisches Element zu erhalten und einen allzu wilden Autoscooter zu verhindern. "Es soll ja kein Rambo-Sport werden", ergänzt Wittmann. Dafür sorgt in der DTM die von einem Ex-Piloten unterstützte Rennleitung, die mit ihren Entscheidungen naturgemäß nicht immer den Geschmack der Fahrer traf und manchmal tatsächlich daneben lag.

Andy Priaulx, Marco Wittmann

Auf der Strecke ging es oft eng zur Sache - nicht nur wie hier in Oschersleben Zoom

Den Herren wurde trotz des neuen Drag-Reduction-System (DRS) nicht langweilig. Stand vor der Saison zu befürchten, dass Vorbeifahren auf langen Geraden im "Autobahn-Modus" auf die Tagesordnung gelangt, erwies sich der umklappbare Heckflügel eher als zu ineffektiv. "Ich habe die Zweikämpfe genauso wahrgenommen wie im vergangenen Jahr: Hart aber fair", meint Christian Vietoris im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Man muss nach wie vor die Ellenbogen ausfahren, um vorbeizukommen."

Der Klügere gibt nach

Dennoch glaubt der Mercedes-Pilot, dass das DRS hätte geholfen. "Um vielleicht nicht auf Teufel komm' raus in der Kurve eine Attacke zu reiten, wo die Chancen 50:50 stehen", so Vietoris, der die Anfang 2013 eingeführten Option-Reifen ähnlich bewertet - und den Klügeren in bestimmten Situationen nachgeben sieht: "Da lässt man den Schnelleren dann durch. Die Überholmanöver sind daher eher fairer geworden." Dass über das Thema so viel diskutiert wird, ist auch Folge der unverändert hohen Leistungsdichte in der DTM.

Christian Vietoris

Für Christian Vietoris war das DRS beim Überholen nicht immer eine Hilfe Zoom

"Im Rennen ist das Feld echt durchmischt", staunt Hand. "Man kann gegen die gleichen Leute in der einen Woche um Platz zehn kämpfen, und in der anderen um Platz drei. Die Serie ist vom ersten bis zum 22. Platz hart." Und ein Meistertitel wohlverdient, wie der mit wenig Kollateralschäden durch die Saison gebrauste Champion Mike Rockenfeller weiß: "Es ist nicht so wie in der Formel 1, wo es diese krassen Unterschiede gibt. Es entscheidet jede Kleinigkeit. Deshalb wird es in der DTM nie jemanden geben, der acht von zehn Rennen gewinnt."

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1. Rennen Sa. 13:30 Uhr
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2. Rennen LIVE So. 13:30 Uhr

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