• 28.06.2009 17:32

  • von Stefanie Szlapka & Tobias Stöhr

Ullrich: Emotionale Achterbahnfahrt eines Sportchefs

Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich durfte 78 Runden lang auf einen Sieg am Norisring hoffen, dann platzte der Traum - Sonderlob für fieberkranken Scheider

(Motorsport-Total.com) - 2002 stand zuletzt ein Audi-Pilot auf dem Siegertreppchen am Norisring ganz oben. In diesem Jahr wollten die Ingolstädter die lange Durststrecke beim Heimrennen endlich beenden. Und 78 Runden lang durften Sportchef Wolfgang Ullrich und sein Team hoffen, dass der Bann gebrochen wird. So lange lag Audi in Führung, zunächst mit Polesitter Timo Scheider, dann kurz mit Mattias Ekström und dann wieder mit Scheider.

Titel-Bild zur News: Wolfgang Ullrich (Audi Sportchef)

Wolfgang Ullrich muss noch ein Jahr länger auf den Sieg am Norisring warten

Doch die Hatz rund um die Steintribüne wurde zum Rennkrimi. 20 Runden lang hatte Scheider die beiden Mercedes-Piloten Bruno Spengler und Jamie Green an seiner Stoßstange hängen. Und in der vorletzten Runde musste er sich geschlagen geben. Die beiden zogen vorbei, Teamkollege Mattias Ekström schließlich auch noch. Ullrich musste Mercedes zum Doppelsieg gratulieren, bester Audi-Mann war Ekström als Dritter, Scheider wurde Vierter.#w1#

Abgesehen vom Ergebnis waren die 80 Runden am Norisring für Ullrich "fraglos eines der besten Tourenwagenrennen der letzten Jahre. Die Zuschauer sind wirklich auf ihre Kosten gekommen", erklärte er gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Es gab drei Autos, die sehr lange ganz eng beisammen gelegen sind, mit ganz engen Performances. Sie haben über sehr lange Strecken sehr schönen Tourenwagensport gezeigt, keine Frage."

"Es war fraglos eines der besten Tourenwagenrennen der letzten Jahre." Wolfgang Ullrich

Weil Scheider, Spengler und Green so hart miteinander gekämpft haben, konnte Ekström am Schluss auch noch aufschließen. Aber: "Es kam dann leider zu diesem kleinen Kontakt zwischen Bruno Spengler und Timo Scheider, der bei Scheider hinten einen der Aerodynamikteile beschädigt hat. Wie sehr, kann ich noch nicht abschätzen. Auf jeden Fall ist das der Performance nicht zuträglich", berichtete Ullrich. Er wolle sich die Situation aber noch einmal in Ruhe anschauen, "denn im Motorsport kann ein kleiner Kontakt schon passieren."


Fotos: Rennwochenende am Norisring


Auffällig war bei diesem Dreikampf vor allem, dass Scheider in der Spitzkehre immer extrem weit außen fuhr. Immer, wenn die Zuschauer dachten, die Mercedes würden jetzt innen durchschlüpfen, gab er wieder Gas und verschaffte sich auf der Geraden wieder etwas Luft. "Timo ist in der Spitzkehre eine ganz besondere Linie gefahren, mit der er sehr schnell gerade steht und wieder gut hinausbeschleunigen kann. Und das hat auch fast das ganze Rennen lang gut funktioniert. Das ist seine Linie", so Ullrich.

"Timo hatte heute Mittag 38,5 Grad Fieber und ist wirklich nicht hundertprozentig fit gewesen." Wolfgang Ullrich

Der amtierende Champion bekam von seinem Chef auch noch ein Extralob: "Timo hatte heute Mittag 38,5 Grad Fieber und ist wirklich nicht hundertprozentig fit gewesen. Dafür ist er wirklich ein tolles Rennen gefahren." Gut möglich, dass ihn da - bei schwüler Hitze - nach rundenlangem harten Kampf auch irgendwann die Kräfte verlassen haben. Ein Lob bekam auch Audi-Lady Katherine Legge von Ullrich. Sie habe zwar ihren Start von Platz fünf aus vermasselt, aber die schnellste Rennrunde hingelegt. Auch das verdiene große Anerkennung.

Jetzt muss Audi also noch ein Jahr warten, bis der Sieg am Norisring vielleicht gelingt. "Aber so nah dran wie in diesem Jahr waren wir schon lange nicht", betonte Ullrich. "Nur durch konsequentes Arbeiten kann man von Jahr zu Jahr besser werden." Und die Gesamtbilanz von Audi fällt gar nicht so schlecht aus: Immerhin konnte Scheider seine Führung in der Gesamtwertung behaupten: "Und Timo lag heute auch über 90 Prozent des Rennens in Führung. Insgesamt passt es für uns, was die Meisterschaft angeht. Die Zuschauer haben ein tolles Rennen gesehen. Die Audianer, die hergekommen sind, sind zwar ein bisschen enttäuscht vom Rennen, aber sie haben auch Spaß gehabt und sich sehr lange an dem Rennen freuen können."

In Sachen Meisterschaft sieht es für Audi also gut aus, vor allem weil es jetzt nach Zandvoort geht: "Zandvoort ist an und für sich eine Rennstrecke, die uns in den vergangenen Jahren schon sehr gut gelegen hat. Und mit dem Aerokonzept des aktuellen A4 sind wir dort sicher auch recht gut aufgestellt. Aber wie es im Rennen läuft, das werden wir erst dort wissen. Ich bin aber recht zuversichtlich, dass wir dort von der Performance wieder besser sein werden als Mercedes. Hier und beim letzten Rennen war es zumindest ausgeglichen, mit einem kleinen Vorteil für Mercedes. Aber ich glaube, das liegt auch an den Fahrzeugkonzepten."