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  • 05.05.2015 15:06

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Vieles neu, alles gut?

Redakteur Stefan Ziegler bewertet den Auftakt zur DTM-Saison 2015 in Hockenheim und zieht ein erstes Fazit zum neuen Rennformat mit zwei Läufen

Titel-Bild zur News: Pascal Wehrlein

Das neue DTM-Format kommt gut an, aber mehr Zuschauer sind nicht da... Zoom

Liebe Leser,

das neue Rennformat für die DTM-Saison 2015 - ist es gut oder ist es schlecht? Das ist die Frage, die Fahrer und Fans nach dem Auftakt in Hockenheim gleichermaßen beschäftigt. Aber Obacht: Aufgrund der Wetterbedingungen lief am ersten Rennwochenende des Jahres einiges anders als gedacht. Der Regen hatte einen maßgeblichen Einfluss auf das Geschehen. Und damit auch auf die Bewertung des Formats.

Das neue Rennformat der DTM sei an dieser Stelle noch einmal kurz erklärt: Seit 2015 gibt es neben einem Rollout ohne Zeitnahme noch zwei Freie Trainings über je 45 Minuten, zwei 20-minütige Qualifyings, eine Viertelstunde Warm-up, ein Rennen über 40 Minuten plus eine Runde am Samstag sowie ein Rennen über 60 Minuten plus eine Runde und Boxenstopp am Sonntag. Macht zusammen etwa eine Stunde mehr Fahrzeit als noch 2014.

DTM erfüllt Fan-Wunsch und bietet mehr Fahrzeit

Und damit haben die Verantwortlichen einen großen Wunsch von Fahrern und Fans erfüllt. Beide Seiten hatten sich in der vergangenen Saison für mehr Streckenpräsenz ausgesprochen. Das neue Format trägt diesem Wunsch Rechnung. Zudem werden nun 18 statt - wie noch 2014 - zehn Rennen absolviert, es gibt keine Options-Reifenmischung mehr und die strategische Komponente wurde auf einen Boxenstopp reduziert.

All das kommt offenbar gut an. Die Fahrer schätzen vor allem, dass sie nun eine "zweite Chance" haben. Mercedes-Pilot Gary Paffett wurde beispielsweise im Samstagslauf abgeschossen, fuhr aber im zweiten Rennen am Sonntag auf das Podest. Auch Sonntagssieger Mattias Ekström profitierte, nachdem er am Samstag nicht gepunktet hatte. Insgesamt 15 von 24 Fahrern haben schon jetzt Zähler eingefahren.


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Das ist gut, aber nicht nur. Denn dass für beide Rennen trotz unterschiedlicher Länge das gleiche Punkteschema (25-18-15-12-10-8-6-4-2-1) gilt, schmeckt nicht jedem. Sind der 40-Minuten-Lauf am Samstag und der 60-Minuten-Lauf mit Boxenstopp am Sonntag wirklich gleichwertig? In manchen anderen Rennserien ist das nicht so. Dort gibt es zum Beispiel für Sprint- und Hauptrennen unterschiedlich viele Punkte.

Mehr Fahrzeit, aber auch mehr Stress für alle

Die Fahrer scheint das (noch) nicht zu stören. Sie freuen sich vielmehr darüber, dass bei mehr Fahrpraxis auch weniger Zeit übrig ist für PR-, Sponsoren- und Medientermine an der Rennstrecke. Ein Nebeneffekt dessen ist aber auch: Weil mehr gefahren wird, bleibt weniger Zeit für Beratungen mit den Ingenieuren. Und die Mechaniker der Teams müssen deutlich mehr Arbeit in noch kürzerer Zeit bewältigen.

Beim Saisonauftakt in Hockenheim wurde das zusätzlich durch den Gastauftritt der Rallye-Cross-WM erschwert, die natürlich einen Platz im Tagesprogramm brauchte - und das nicht zu knapp. Insofern ist abzuwarten, ob sich die Lage bei kommenden Rennwochenenden mit etwas weniger prominent besetztem Rahmenprogramm wieder entspannt. Stressig wird es für die Beteiligten aber trotzdem sein.


DTM-Auftakt in Hockenheim

Was das bedeuten kann, hat das neue DTM-Team ART-Mercedes in Hockenheim festgestellt. Nach technischen Problemen am Freitag wurde Lucas Auer im Samstagsrennen unschuldig in einen Crash verwickelt. Um das Auto über Nacht zu reparieren, zogen die Mechaniker einen von drei Jokern und durften so die Sperrstunde umgehen. Am Sonntag aber crashte Auer erneut - doppelte Arbeit für das Team.

Die Hersteller fürchten steigende Kosten

Die Hersteller sehen das neue Rennformat aus diesem Grund auch kritisch. Denn je mehr gefahren wird, umso größer sind der Verschleiß und der Bedarf an Ersatzteilen. Man fürchtet sich vor stark steigenden Kosten, wenn nach Zwischenfällen viel instandgesetzt werden muss. Und die Chancen auf Rennunfälle haben sich aufgrund der Ausdehnung des DTM-Kalenders auf nun 18 Rennen fast verdoppelt.

Zwei dieser Rennen haben wir bereits gesehen. Und ich muss sagen: Mir hat besonders der kürzere Samstagslauf gefallen. Kein Boxenstopp, keine weichere Reifenmischung, kein Schnickschnack - einfach nur freie Fahrt vom Start bis ins Ziel. Das war gut! Aber: Zwei Safety-Car-Phasen haben das Feld wieder zusammengeführt. So blieb es eng und umkämpft und war damit vielleicht kein "typisches" Samstagsrennen.


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Der Sonntagslauf stand ganz im klar im Zeichen des Wetterwechsels, der nach zehn Runden einsetzte. Und wir alle wissen: Regen ist ein großer Spannungsmacher. Und so lässt sich kaum beurteilen, welche Qualitäten das zweite, längere Rennen des Wochenendes hat. Das müssen die kommenden Veranstaltungen zeigen. Mindestens den Lausitzring gilt es also noch abzuwarten.

Wie wird das neue Rennformat angenommen?

Der Zuschauerzuspruch beim Auftaktwochenende jedenfalls war verhalten. 75.000 Fans wurden in Hockenheim gezählt, so viele wie schon vor einem Jahr. Das neue Format hat also (sicher auch wetterbedingt) nicht mehr Zuschauer an die Strecke gelockt - aber auch nicht vor den Fernseher. Im Gegenteil: Bei TV-Partner 'ARD' sind die Zahlen sogar leicht zurückgegangen. Ein Fortschritt war das nicht.

Luft nach oben ist auch an anderer Stelle: Noch verständlicher wäre das Geschehen, wenn klar wäre, ob ein Fahrer in Qualifying oder Rennen mit frischen oder gebrauchten Reifen unterwegs ist. Denn auch dadurch entstehen Leistungsunterschiede, die nicht immer nachvollziehbar sind. Allerdings kann es natürlich auch interessant sein, über die Strategie der Piloten und ihre Tagesform zu spekulieren.

Nur mit dem verstellbaren Heckflügel (DRS) werde ich nicht warm. Sind wir doch mal ehrlich: In einer Rennserie, die sich mit der Bezeichnung "Tourenwagen" schmückt, ist das total fehl am Platz. Denn mit DRS hält eine Künstlichkeit Einzug, die kein Mensch braucht. Rennfahrer sollen überholen und nicht vorbeifahren! Und wenn überholen nicht drin ist, auch gut. Solange das Duell begeistert, ist das völlig okay!


DTM-Auftakt in Hockenheim

Aber da kommen wir zum Schluss dieser Kolumne an einen Punkt, der mit dem Rennformat an sich nicht viel zu tun hat, sondern vielmehr mit der DTM-Technik. Denn die Autos sind aerodynamisch zu sehr ausgefeilt, was das Hinterherfahren erschwert. Bei jeder Berührung fliegt Kohlefaserschrott und das das Auto ist danach "unfahrbar". Doch das ist eine ganz andere Baustelle...

Beste Grüße & auf mehr gute Rennaction!

Euer


Stefan Ziegler