Härtetest Norisring: DTM setzt erstmals auf Spezialbremsscheibe

Warum die DTM dieses Jahr auf dem Norisring erstmals auf eine Spezialbremsscheibe setzt und wie man sich trotz Einheitsteilen einen Vorteil verschaffen kann

(Motorsport-Total.com) - Der Norisring, auf dem dieses Wochenende das DTM-Saisonhighlight stattfindet, ist der wohl ungewöhnlichste Kurs im Kalender. Auf 2,3 Kilometern gibt es nur drei ernsthafte Kurven - die Rundenzeit beträgt rund 47 Sekunden. Dennoch hat es die auf den ersten Blick einfache Strecke in sich, denn nirgends sind die Bremsen so entscheidend wie in Nürnberg.

Titel-Bild zur News: Bremsscheiben, DTM, Norisring

Norisring: Die DTM setzt 2019 auf eine Bremsscheibe mit besserer Kühlung (li.) Zoom

"Wir kommen mit 270 km/h bei den Haarnadeln an", erklärt Nico Müller, der seinen ersten von zwei DTM-Siegen 2016 auf dem Norisring gefeiert hatte. "Da muss also sehr viel Energie vernichtet werden. Die Bremsen werden viel von dieser Energie abbekommen und sehr heiß werden. Das müssen wir über die Renndistanz managen."

Bereits in den vergangenen Jahren wurde einer von drei Sätzen Bremsscheiben, die in der gesamten DTM-Saison pro Auto verwendet werden dürfen, ausschließlich für den Norisring aufbewahrt. Durch die neuen Turbo-Autos sind die Belastungen noch größer geworden.

Warum die Standard-Bremsscheibe weichen muss

"Wir erwarten Rundenrekorde, über 270 km/h Topspeed und dadurch natürlich eine noch extremere Belastung für die Bremsen", erklärt Audi-Sportchef Dieter Gass. "Durch die höheren Geschwindigkeiten werden die Bremswege länger, die Bremsen dadurch heißer."

Norisring

In der Grundig-Kehre werden die Autos von über 270 auf rund 50 km/h gebremst Zoom

Um diese höheren Anforderungen im Griff zu haben, wurde dieses Jahr sogar eine spezielle Bremsscheibe, bei der es sich um ein Einheitsbauteil handelt, nur für den Norisring angefertigt. Das Teil, das an der Vorderachse eingesetzt wird, besteht wie die gängige Bremsscheibe aus Kohlefaser und hat die gleichen Maße, dafür wurde die Kühlung verbessert.

Maximaltemperatur um 100 Grad gesenkt

"Das haben wir über zusätzliche Löcher im Außenkranz der Scheibe erreicht", erklärt der ITR-Technikverantwortliche Gordian von Schöning, der maßgeblich am Bau des aktuellen DTM-Boliden von BMW beteiligt wird, im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

Jeder einzelne Kanal, der von der Mitte der Standardscheibe nach außen führt, um die heiße Luft abzuleiten, wurde bei der Sonderanfertigung durch acht kleine sternförmig angeordnete Löcher ersetzt. Sie darf nur am Norisring eingesetzt werden.

Doch was bringt die Norisring-Spezialbremsscheibe? "Die Standardscheiben würden mit den Turbo-Autos eine maximale Temperatur von 750 Grad erreichen", erklärt von Schöning. "Mit der Spezialscheibe reduzieren wir diese Maximaltemperatur um 100 Grad. Wenn man also viel Fahrtwind hat, was wegen der hohen Geschwindigkeiten am Norisring der Fall ist, dann kann die Maximaltemperatur auf 650 Grad gesenkt werden."

Einheitsbremsen: Warum es doch Unterschiede gibt

Auch wenn Bremssattel, Bremsbelag und Bremscheibe wie rund 80 Prozent der aktuellen DTM-Autos einheitlich sind, kann man in diesem Bereich vor allem auf dem Norisring wertvolle Zeit auf die Konkurrenz herausholen. Denn die Luftführung zur Bremse können die Hersteller frei gestalten.

Front, Kühler

Vom Kühlergrill wird die Luft über die Bremsluftkanäle zur Bremse geleitet Zoom

Die Luft wird vorne über den Kühlergrill gesammelt und dann über Kanäle zur einer auf dem Bremssattel fixierten, einheitlichen Lufthutze geleitet. Sie verteilt die Kühlluft auf die Bremsscheiben. Über ein cleveres Design der Bremsluftkanäle ist es also möglich, mehr Luft zu den Bremsen zu leiten als die Konkurrenz - und somit einen technischen Vorteil herauszuholen.

Wieso das Set-up beim Bremsen so wichtig ist

Doch das ist nicht alles: Auch das Set-up spielt eine entscheidende Rolle, wenn das Auto auf dem Norisring gut auf der Bremse sein soll. Das hat auch mit den heftigen Bodenwellen auf dem Straßenkurs zu tun. "Je mehr du dein Fahrwerk so einstellst, dass ein konstanter Bremsvorgang möglich ist, desto größer ist der Vorteil", weiß von Schöning, der im Vorjahr bei Marco Wittmanns Heimsieg noch Teil der BMW-Truppe war.


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Aber auch der Fahrer kann einen Unterschied machen: In den rund 67 Runden wird 134 Mal heftig gebremst. Die Piloten müssen also wissen, wann sie die Bremsen schonen oder kühlen, indem sie zum Beispiel aus dem Windschatten ausscheren, und wann sie ans absolute Limit gehen.

Boxenstopp: Sprühsystem soll Bremsversagen verhindern

Und beim Boxenstopp haben sie über ein Bremssattel-Kühlsystem die Möglichkeit, die Bremse per Knopfdruck mit Sprühwasser zu kühlen. Warum das auf dem Norisring unverzichtbar ist?

Paul di Resta, Hankook, Reifen

Beim Stopp ist die Überhitzungsgefahr der Bremse besonders groß Zoom

"Wenn man beim Boxenstopp zu lange steht, dann entsteht zu viel Stauhitze", antwortet von Schöning. "Diese Stauhitze ist viel höher als die Hitze unter Hochbelastung, weil es beim Boxenstopp keinen Fahrtwind und dadurch keine Ventilation gibt. Da besteht die Gefahr, dass die Bremsflüssigkeit in den Bremssätteln Luftblasen schlägt und zu kochen beginnt."

Während die kochende Flüssigkeit kein Problem ist, fürchtet man in der DTM vor allem die Luftblasen. "Die entstehende Luft würde dafür sorgen, dass der Fahrer beim Bremsen ins Leere tritt, weil das Pedal weich ist. Um das zu verhindern, gibt es dieses System: Wenn das Sprühwasser auf den Sattel trifft, dann entzieht es dem Bauteil Temperatur."

Sprühsystem wird zweckentfremdet

Das System wurde übrigens zuletzt auch schon zweckentfremdet. Den Beweis lieferte Audi-Gaststarter Andrea Dovizioso, der das System laut eigenen Angaben auch bei voller Fahrt nutzte.

"Die Nutzung während des Rennens ist nicht verboten", stellt von Schöning klar. "Wir reden aber von homöopathischen Dosen, wenn man bei einer Temperatur von 650 Grad 50 Milliliter Wasser einsetzt. Das macht nicht einmal ansatzweise zehn Grad Differenz aus."

Angeblich versucht man mit dem Einsatz bei voller Fahrt, die Felgen zu kühlen. Da das einheitliche System aber nicht mitgeführt werden muss, nimmt man allerdings einen Gewichtsnachteil in Kauf. Am Norisring ist es allerdings unverzichtbar.

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