Erster Ferrari-Sieg auf dem Norisring seit 54 Jahren: Was damals geschah

Zeitreise ins Jahr 1968: Wie ein grüner Ferrari vor Dieter Quester für den letzten Ferrari-Sieg am Norisring bis 2022 sorgte und wieso der Kurs 3,9 Kilometer lang war

(Motorsport-Total.com) - Der Sieg von AF-Corse-Ferrari-Pilot Felipe Fraga am Sonntag am Norisring war nach dem DTM-Pannenauftakt nicht nur für ihn und sein italienisches Team ein echter Befreiungsschlag. Es handelte sich auch um den ersten Ferrari-Sieg auf der Kultstrecke in Nürnberg seit unglaublichen 54 Jahren!

Titel-Bild zur News: David Piper

In diesem grünen Ferrari P40 siegte der Brite David Piper 1968 auf dem Norisring Zoom

Denn am 30. Juni 1968 holte der Brite David Piper im Ferrari 330 P4 beim 200-Meilen-Rennen auf dem Norisring den Sieg - vor einem gewissen Dieter Quester, der als BMW-Werksfahrer in der DTM vor allem wegen seines Zieleinlaufs am Dach beim Avus-Rennen im Jahr 1990 berühmt wurde.

All das geschah lang vor der Geburtsstunde der alten DTM im Jahr 1984 in Zolder - und auch vor den legendären Zeiten der Vorgängerserie DRM, die im Jahr 1972 entstand.

Warum der Norisring damals 3,94 Kilometer lang war

Nach den Motorradrennen ab 1947 standen 1960 auf dem Norisring bei einer Testveranstaltung erstmals nationale Touren- und Sportwagen im Vordergrund - und 40.000 Zuschauer kamen. 1967 schrieb der schon damals veranstaltende Motorsport-Club Nürnberg ein hochkarätiges 200-Meilen-Rennen für Sportwagen, Sport-Prototypen und zweisitzige Rennwagen aus.

Der Kurs war damals noch 3,94 Kilometer lang, hatte aber auch nicht mehr als vier Kurven: Statt der Grundigkehre ging es im sogenannten "Schlauch" noch rund einen Kilometer länger geradeaus, ehe man den Weg nach der alten Spitzkehre wieder zurückfuhr. Das Rennformat sah zwei Läufe über eine Distanz von je 100 Meilen vor - das sind insgesamt 323 Kilometer oder 82 Runden. Die Veranstaltung wurde 1967 zum Erfolg, weshalb es ein Jahr später eine Wiederholung gab und gleich 60.000 Zuschauer kamen.

Formel-1-Stars wie Siffert und Bonnier am Start

1968 meldeten sich gleich 35 Piloten - darunter auch Formel-1-Fahrer wie Jo Siffert, Joakim Bonnier oder Frank Gardner - an, zum Start wurden aber nur 22 zugelassen. Und wie 2022 war auch das damalige Rennen eine absolute Hitzeschlacht: Ferrari-Privatfahrer Piper, der in seiner traditionellen grünen Lackierung antrat, war mit 44 Jahren der "Oldie" im Feld und stellte seinen Boliden auf Startplatz zwei.

Nach dem Start sah es nach einem Porsche-Sieg aus, als der Deutsche Gerhard Mitter im Porsche 908 das Feld anführte, doch nach fünf Runden war der Traum vom Heimsieg ausgeträumt. Beim Boliden der damaligen deutschen Nummer 1 hatte sich ein Stück der Schwungscheibe gelöst - und das Getriebe zerstört.

Dieter Quester Talentprobe im BMW 2000 Bergspyder

Damit führte mit Piper der einzige Mann, der das Tempo des Porsche mitgegangen war - und gab die Führung in den ersten 41 Runden nicht mehr ab. Dahinter sorgte der damals 29-jährige Österreicher Quester für eine Talentprobe: Mit dem 480 Kilo schweren BMW 2000 Bergspyder, der über einen 265-PS-Motor mit zwei Litern Hubraum verfügte, mischte er das Dreiliter-Feld auf und ließ Motorsport-Größen wie Grand-Prix-Sieger Siffert in deutlich leistungsstärkeren Autos hinter sich.

Quester war bereits Vierter hinter Piper, Gardner und Bonnier, ehe dieser mit Defekt ausfiel. Dadurch landete der damals frischgebackene BMW-Werksfahrer im ersten Lauf auf dem Podest.

Piper holt im grünen Ferrari Gesamtsieg, Jubel bei BMW

Eine halbe Stunde später wurde der zweite Lauf mittels Indy-Restart in Zweierreihen - also ähnlich wie in der aktuellen DTM - gestartet. Und diesmal zeigte Formel-1-Pilot Bonnier, der im ersten Lauf acht Runden vor Schluss ausgefallen war, was er kann: Er setzte Leader Piper unter Druck, der bis zur 37. Runde die Führung verteidigte, ehe er den Schweden ziehen ließ. Da die Ergebnisse addiert wurden, hatte Bonnier ohnehin keine Chance auf den Gesamtsieg.

Dafür kam es in der S-Kurve hinter der Steintribüne zu einem aufsehenerregenden Crash: Beim Versuch, Gardners Lola zu überholen, fuhr Porsche-Pilot Vic Elford mit dem linken Vorderrad auf einen Strohballen auf, wurde in die Luft geschleudert und prallte mit dem Lola zusammen.

Dieter Quester, David Piper, Jo Siffert

Prominentes Podest (v.l.n.r.): Dieter Quester, Sieger David Piper und Jo Siffert Zoom

Am Ende war Piper der einzige, der die 82 Runden absolvierte - und Ferrari den Sieg schenkte. Quester hatte als Zweiter nur eine Runde Rückstand, was bei BMW für großen Jubel sorgte, denn das für kurze Distanzen und Bergrennen gebaute Auto hatte sein erstes Langstreckenrennen ohne Defekt überstanden. Dritter wurde der Schweizer Jo Siffert im privat eingesetzten Porsche 910 des Hart-Ski-Teams. Einen Monat später durfte er sich nach dem Brands-Hatch-Triumph Formel-1-Sieger nennen.

Pipers folgenschwerer Crash bei den Le-Mans-Dreharbeiten

Piper, der auf dem langen Kurs in 1:20.9 mit einem Schnitt von 175,3 km/h auch eine absolute Rekordrunde fuhr, sollte noch im gleichen Jahr bei den 24 Stunden von Le Mans Platz sieben erreichen, ehe zwei Jahre später ein folgenschwerer Unfall seine Karriere beendete.

Bei den Dreharbeiten zum legendären Le-Mans-Film mit Steve McQueen im Jahr 1970, als Piper einer der Piloten für die Rennfahrzeuge war, führte eine Unachtsamkeit zu einem heftigen Crash. Der 46-Jährige wurde mit einem gebrochenen Bein ins Krankenhaus von Le Mans gebracht, wo er sich eine Infektion zuzog. Die Ärzte sahen sich gezwungen, das rechte Bein über dem Knie zu amputieren.

Ein Jahr später ging auch die Ära des 3,9 Kilometer langen Norisring zu Ende: Denn 1971 ließ mit dem Mexikaner Pedro Rodriguez einer der besten Rennfahrer seiner Zeit bei einem Crash vor dem Schöller-S sein Leben, weshalb man die Vollgas-Passage davor durch eine neue Spitzkehre beim Grundig-Hochhaus entschärfte. 1972 wurde also erstmals die deutlich kürzere Streckenführung mit 2,3 Kilometern - oder nach neuen Messungen 2,162 Kilometern - Länge gefahren.

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