"Dachte, es bleibt fair": Tracklimits-Ärger auch ohne Strafen bei DTM in Spielberg

Dem DTM-Renndirektor ist es gelungen, dass das Tracklimits-Thema die Rennen in Spielberg nicht überschattete: Auf Kosten einer fairen Beurteilung?

(Motorsport-Total.com) - Das in Spielberg typische Strafenchaos wegen der Tracklimits, das man auch aus der Formel 1 kennt, blieb dieses Jahr bei der DTM aus: Während im Vorjahr am Samstag bei trockener Strecke acht Strafen ausgesprochen wurden, gab es dieses Jahr in beiden Rennen bloß Verwarnungen - und keine einzige Strafe.

Titel-Bild zur News: Dennis OIsen

So mustergültig wurden die Tracklimits in der ersten Kurve nicht immer beachtet Zoom

Ganz ohne Kontroverse lief das Thema dann aber doch nicht ab, denn Abt-Audi-Pilot Ricardo Feller beschwerte sich nach dem Rennen, dass viele Piloten in der ersten Kurve ständig die Tracklimits verletzten, es aber keinerlei Konsequenzen gegeben habe.

"Ich habe das nicht ganz verstanden mit den Tracklimits", so Feller nach dem Rennen. "Ich dachte, es gilt die Abmachung aus dem Fahrerbriefing, dass uns der Rennleiter Spielraum gibt, damit wir weit gehen können. Und es dann fair bleibt, wenn der Funkspruch kommt, dass wir uns daran halten sollen."

Feller frustriert: "Habe absichtlich Rundenzeit verschenkt"

Er selbst habe "in der dritten oder vierten Runde" den Funkspruch "Final Warning for Tracklimits" erhalten. Bis dahin sei er wie alle anderen vor ihm über die Tracklimits hinausgefahren, "denn ich wollte nichts verlieren, also habe ich den Schwung genauso mitgekommen".

Renndirektor Sven Stoppe hatte in der Fahrerbesprechung angekündigt, dass er nach der letzten mündlichen Warnung, die direkt ans Team geht, genauer hinschauen werde und bei weiteren Verstößen die schwarz-weiße Flagge zeigen werde - also eine Verwarnung, die beim dritten Mal zu einer Rückversetzung in der Startaufstellung um fünf Plätze führt.

Nach der letzten Warnung sei er "nicht ein Mal in Kurve 1 weit gefahren", so Feller, der zu diesem Zeitpunkt hinter Winward-Mercedes-Pilot Lucas Auer lag. "Aber die anderen sind - vor mir, hinter mir - jede Runde in Kurve 1 komplett weit gefahren, über die Tracklimits." So habe er "absichtlich Rundenzeit verschenkt, weil ich gehofft habe, dass die irgendwann Strafen oder Verwarnungen kriegen müssen." Doch das sei nicht passiert.

Sechs Tracklimits-Verwarnungen im Sonntagsrennen

Das TV-Bild zeigt tatsächlich, dass die Piloten in den ersten sechs Runden des Rennens in der ersten Kurve ständig mit allen vier Rädern über den gelben Baguette-Randstein hinausgefahren sind, obwohl sie diesen laut der in der Fahrerbesprechung festgelegten Regel zumindest mit zwei Rädern hätten berühren müssen.

Dann wurde das Abt-Team laut Informationen von Motorsport-Total.com mündlich vorgewarnt, woraufhin sich Feller in Runde sieben im Gegensatz zu den vor ihm fahrenden Piloten Maini, Dienst und Auer an die Regel hielt. Wann die anderen mündlich gewarnt wurden, ist nicht bekannt.


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Zehn Minuten später wurde Grasser-Lamborghini-Pilot Andrea Caldarelli als erstem von insgesamt sechs Piloten die schwarz-weiße Flagge wegen der Tracklimits gezeigt - Auer war nicht darunter. Eine Penalty-Lap-Strafe wurde bis zum Ende nicht ausgesprochen. "Ich glaube, es war bei allen okay - und die Richtigen sind verwarnt worden", so der Österreicher über die Beurteilung von Renndirektor Stoppe.

Abt-Sportdirektor Martin Tomczyk fordert, dass auf dem für die Teams einsehbaren Rennleitungsmonitor nicht nur die schwarz-weiße Flagge angezeigt wird, sondern wie in der Vergangenheit jeder einzelne Tracklimits-Verstoß. "Dann könnte ich meinem Fahrer sagen: 'Du bist jetzt ein oder zweimal drübergefahren und musst aufpassen, weil sonst haben wir eine Final Warning'."

Tracklimits: Auf diese Methode setzt Renndirektor Stoppe

Doch genau von dieser Methode, jeden Verstoß über ein Kamerasystem zu orten und am Ende im Rennen zahlreiche Strafen auszusprechen, die dann das Rennen überschatten, will Renndirektor Stoppe eigentlich weg - abgesehen vom Qualifying, in dem die Runde bei einem Verstoß gestrichen wird. Diesen Eindruck hatte auch Tim Heinemann nach der Fahrerbesprechung vor dem Rennwochenende.

"Er ist kein Fan davon, dass es nach drei Verstößen eine Strafe gibt", sagt der Toksport-WRT-Porsche-Pilot auf die Frage, wie er die neue Regelung im Rennen versteht. "Es geht ihm darum, ob sich ein Fahrer einen Vorteil verschafft oder nicht. Erst wenn du die ganze Zeit rausfährst, kriegst du eine Strafe."

Luca Stolz

Praxisorientiert: Bis zum Poller war die Strecke in Kurve 9 komplett freigegeben Zoom

Im Gegensatz zum Vorjahr, als noch ein KI-unterstütztes Kamerasystem automatisch jeden Verstoß meldete, setzt Stoppe auf Sportwarte an der Strecke. Deren Meldungen werden dann von einem Sachrichter in der Rennleitung überprüft, der auf dem Red-Bull-Ring die Streckenkameras in Kurve 1, 9 und 10 stets im Blick hat, in denen man sich einen Vorteil verschaffen kann.

Spielberg-Lösung sorgt für unterschiedliche Meinungen

Eine Anzahl an erlaubten Verstößen wurde laut Heinemann auch im direkten Briefing mit Stoppe nicht festgelegt. "Dazu gibt es verschiedene Meinungen", sagt der langjährige Simracer. Er selbst findet, dass man nicht darüber streiten soll, ob "der eine vier- und der andere fünfmal" gegen die Tracklimits verstoßen habe. "Es geht darum, dass wir cooles Racing haben".

Ähnlich wie Heinemann steht auch Auer weiter hinter der Lösung. "Ich glaube, sie haben das super gemacht. Da muss ich ihnen ein Kompliment machen, denn auf dieser Strecke ist es echt schwierig", so der Winward-Mercedes-Pilot.

Abt-Sportdirektor Tomczyk wünscht sich hingegen eine faire Beurteilung. "Wenn man etwas reguliert, dann muss ich bei unserem Standard davon ausgehen können, dass es einheitlich und gewissenhaft über das gesamte Feld reguliert wird."