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Coulthard: Schumacher, Stinkefinger & öffentliche Meinung
In Teil zwei des Exklusivinterviews spricht David Coulthard über sich als Werbeträger, Gemeinsamkeiten mit den Fans, öffentliche Wahrnehmung und persönliche Prioritäten
(Motorsport-Total.com) - Die Debütsaison von David Coulthard in der DTM neigt sich ihrem Ende entgegen, es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Und dies tut der schottische Mercedes-Pilot im Exklusivinterview mit 'Motorsport-Total.com'. Im ersten Teil haben wir die sportlichen Aspekte von Coulthards Premierenjahr im Tourenwagen beleuchtet.

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David Coulthard setzt mit fast 40 andere Prioritäten als mit Mitte 20
Im heutigen zweiten Teil spricht der Schotte unter anderem über seine Rolle als Sympathie- und Werbeträger und das, was er mit den Fans gemeinsam hat. Außerdem erklärt er, wie sich Ereignisse aus der Vergangenheit noch heute auf die öffentliche Meinung über ihn auswirken können und warum diese für ihn keine Rolle spielt. Und schließlich spricht er über seine persönlichen Prioritäten als gereifter Familienvater sowie seine Pläne für das kommende Jahr.
Frage: "David, du bist in der DTM nicht nur ein Rennfahrer, sondern du bist auch ein Liebling von Fans und Medien und ein wichtiger Werbeträger. Siehst du dich selbst auch in dieser Rolle?"
David Coulthard: "Mir ist klar, dass ich bekannter bin als einige andere Fahrer, die in der DTM erfolgreicher sind als ich. Das liegt daran, dass ich 15 Jahre lang in der Formel 1 gefahren bin. Ich fahre aber keine Rennen, weil ich ein bekannter Star sein möchte. Ich fühle mich in der Anonymität durchaus sehr wohl. Aber mir ist auch bewusst, dass ich viele Dinge, die ich heute abseits der Rennstrecke mache, deshalb mache, weil ich in der Öffentlichkeit bekannt bin. Das macht einen für gewisse Unternehmen interessant."

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Publikumsliebling: David Coulthard schreibt geduldig Autogramme Zoom
"Ich verstehe also, welche Rolle der Marketingaspekt spielt, und ich widme mich auch der Medienarbeit. Ein bisschen arbeite ich durch meine Rolle als TV-Experte in der Formel 1 ja selbst auf der Seite der Medien. Allerdings ist das nicht der Bereich, der mir als Rennfahrer am besten gefällt. Denn ich bin ein ganz normaler 'Junge vom Dorf'. Ich habe es gern ruhig und bin einfach sehr glücklich, wenn ich mit Rennautos fahren kann. Wenn die Leute einfach genauso begeisterte Rennfans wie ich sind, ist es in Ordnung. Aber wenn Leute ankommen und wollen, dass ich 50 gleiche Bilder unterschreibe, dann denke ich schon: 'Oh je, das ist nicht gerade aufregend...'. Es ist etwas langweilig, wenn man immer wieder das Gleiche machen muss."
Frage: "Musstest du dich erst daran gewöhnen, dass die Fans in der DTM hautnah an die Fahrer herankommen? In der Formel 1 ist das Fahrerlager ja äußerst abgeschottet..."
Coulthard: "Es macht mir nichts aus, dass die Fans ins Fahrerlager können. Und ich bin ja selbst auch nicht anders als sie. Ich bin ein Rennfan wie sie - aber ich darf das Auto fahren. Ich wünsche mir, dass mich die Fans einfach wie einen ihrer Freunde behandeln. Weniger angenehm finde ich, wenn sie hektisch werden - so nach dem Motto: 'Da ist er, schnapp ihn dir, hol dir ein Autogramm!'. Ich denke dann immer: 'Entspannt euch, ich bin das ganze Wochenende da. Ich werde am Donnerstag, am Freitag, am Samstag und am Sonntag hier sein. Es wird noch andere Gelegenheiten geben...'."
¿pbvin|1|2895|coulthard|0|1pb¿Frage: "Was ist für dich wichtiger - wenn auf dem Papier ein gutes Ergebnis steht oder wenn du selbst für dich das Gefühl hast, eine gute Performance gezeigt zu haben, unabhängig vom Resultat?"
Coulthard: "Ich denke, hier geht es mehr um die persönliche als um die öffentliche Meinung. Ich könnte mir nur wieder eine Reputation wie in der Formel 1 erarbeiten, wenn ich Siege und Pole-Positions hole. Und das wird nicht passieren. Persönlich spielt es für mich also keine Rolle, wie andere Leute mich wahrnehmen. Es wird Leute geben, die mich mögen, obwohl sie mich noch nie persönlich getroffen haben. Das basiert auf dem Bild, das sie sich von meiner Persönlichkeit gemacht haben. Und es wird Leute geben, die mich hassen, obwohl sie mich noch nie getroffen haben - nur weil ich in Michael Schumacher gefahren bin oder mal den ominösen Finger gezeigt habe. Wenn du in der Öffentlichkeit stehst, hast du keinen Einfluss darauf, was die Leute für eine Meinung von dir haben."
"Ich sehe das hier eher als persönliche Reise. Und ich werde im März 40, da hat man in seinem Leben auch andere Prioritäten. Der Rennsport spielt in meinem Leben eine große Rolle und ist mir sehr wichtig. Aber er ist nicht wichtiger als mein Sohn und andere Dinge. Das war anders, als ich 25 oder 30 war. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das damals so gesagt hätte. Natürlich hat die Familie immer oberste Priorität, aber wenn man so darauf fokussiert ist, in der Formel 1 Rennen und Titel zu gewinnen, dann rückt einfach alles in den Hintergrund. So war es zumindest bei mir. Heute bin ich wesentlich ausgeglichener als damals."
Frage: "Du hast gesagt, dass du im nächsten Jahr gern weiter in der DTM fahren würdest, aber du nicht weißt, ob es für jemanden einen Grund gibt, dir einen Vertrag anzubieten. Welche Gründe würden denn dafür sprechen, dich weiter zu verpflichten?"
Coulthard: "Ich weiß, dass Norbert Haug sich freuen würde, wenn ich weitermachen will und ich mich freuen würde, wenn es dazu kommen sollte. Ich spüre da aber keinen Druck und muss da nicht unbedingt jetzt seine Zeit in Anspruch nehmen. Er hat im Moment viel zu tun und ich stehe auf seiner Prioritätenliste nicht ganz oben. Und das geht vollkommen in Ordnung. Wenn irgendwann nach der Saison der richtige Zeitpunkt kommt, dann werden wir uns sicher auf irgendetwas einigen."
"Wenn dieser Zeitpunkt - warum auch immer - nicht kommen sollte, wäre es auch in Ordnung. Ich dränge nicht wegen des nächsten Jahres. Ich glaube, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich nächstes Jahr weitermache, recht groß ist. Aber ich habe auch noch andere Dinge zu tun, über die ich noch eine Entscheidung treffen muss. Denn im Moment habe ich ein bisschen zu viel zu tun, zwischen Formel 1, DTM und Veranstaltungen für Red Bull. Die DTM nimmt rund 50 Tage im Jahr in Anspruch, und wenn man dann noch die Tage dazuzählt, die ich für die anderen Dinge aufbringen muss, dann bleibt nicht mehr viel Zeit, die ich zuhause verbringen kann."
"Wenn man ein Vollzeit-DTM-Pilot ist und gelegentlich etwas anderes macht, dann hat man wesentlich mehr Zeit, die man zuhause verbringt. Und das ist die größte Einschränkung, die ich im Moment habe: Ich bin nicht besonders oft zuhause. Ich persönlich denke, dass die Rennwochenenden über drei oder nur zwei Tage gehen sollten. Warum sollte man für eine Stunde Rennen wie bei einem DTM-Rennen vier Tage lang an der Strecke sein? Ich bin mir sicher, dass HWA und die Leute, die gewinnen, dem widersprechen würden. Denn sie brauchen die Zeit, um sich die ganzen Daten anzuschauen und all diese Dinge zu tun. Aber bei einem Grand Prix quetschen wir wesentlich mehr Sachen in diese vier Tage - und ich bin mir sicher, dass man die Arbeit hier in ein kürzeres Wochenende packen könnte."

