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BMW M6 GT3 DTM-untauglich? Das sagen die potenziellen Teams

Nach Jens Marquardts Zweifel am M6 GT3: Warum das Rowe-Team den BMW verteidigt, was er kann und was er nicht kann und was den Boliden so heikel macht

(Motorsport-Total.com) - Ex-BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt äußerte Zweifel, dass der M6 GT3, der Ende 2021 vom M4 GT3 abgelöst wird, mit seinem langen Radstand in einer GT3-DTM konkurrenzfähig wäre. Das Auto sei nicht auf Sprintrennen ausgerichtet und wäre auf Strecken wie dem Norisring ganz sicher "nicht das erfolgreichste". Es könne daher durchaus dazu kommen, dass der Saisonbeginn ohne BMW über die Bühne geht.

Titel-Bild zur News: BMW M6 GT3

Der M6 GT3 zählt mit seinen 2,9 Metern zu den GT3-Autos mit dem längsten Radstand Zoom

Doch wie sehen das die Teams Rowe und Walkenhorst, die in Erwägung ziehen, einen M6 GT3 in der kommenden DTM-Saison an den Start zu bringen? "Ich weiß, dass Jens und einige Leute bei BMW so denken, aber ich teile diese Sichtweise nicht", sagt Rowe-Teamchef Hans-Peter Naundorf im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Ich würde den M6 in einer DTM nicht für unschick halten."

Denn seiner Meinung nach ist es Aufgabe der Balance-of-Performance (BoP), die unterschiedlichen Fahrzeugkonzepte auf ein Niveau zu bringen. "Ich weiß, was das Auto kann, denn wir bewegen es seit fünf Jahren", sagt Naundorf, dessen Team dieses Jahr mit dem M6 GT3 den 24-Stunden-Klassiker auf der Nürburgring-Nordschleife gewann.

Auf Norisring chancenlos? Rowe-Teamchef anderer Meinung

"Das Auto liegt auf einigen Strecken besser als auf anderen - aber dafür gibt es die BoP. Man kann Gewicht rausnehmen und mehr Leistung herausholen. Ich habe noch keine Rennserie gesehen, in der das Potenzial des Autos bei der Motorleistung ausgeschöpft wurde. Und Gewicht und Leistung sind die beiden Hauptparameter, um auf eine Rundenzeit zu kommen. Und dann hast du schon mal eine BoP."

Auch auf dem Norisring, der mit zwei Haarnadeln und dem Schöller-S ein wendiges Auto verlangt, sieht er den M6 GT3 trotz des Radstands von 2,9 Metern keineswegs auf verlorenem Posten. "Klar, im Schöller-S wird es wegen der Richtungsänderung Autos geben, die da besser herumkommen. Aber das lässt sich doch über die Leistung ausgleichen", sagt Naundorf.

"Außerdem ist das Auto gut auf der Bremse und kann sicher auf 1.305 Kilo gebracht werden. Es wurde 2016, 2017 stark verbessert und hat eine wahnsinnig gute Bremsenkühlungs-Systematik, die sehr gleichmäßig funktioniert. Das Auto ist auch kein Bremsenfresser", sieht er das Fahrzeugkonzept auch in den zwei Kehren nicht als problematisch.

M6 GT3 auf dem Red-Bull-Ring: "Da funktioniert das Ding"

Dafür sei die Traktion eine Schwäche: "Das liegt an der Gewichtsverteilung und am Frontmotor, denn alle frontlastigen Fahrzeuge tun sich da ein bisschen schwer." Auch der Turbomotor sei diesbezüglich trotz Traktionskontrolle "ein bisschen ein Nachteil. Dadurch hat das Auto selbst bei geringer Drehzahl ein sehr hohes Drehmoment - und das übersteigt sehr schnell das übertragbare Drehmoment des Reifens. Und dann setzt rasch die Traktionskontrolle ein. Da wieder rauszukommen, dauert eine gewisse Zeit."

Alexander Sims, Nick Yelloly, Philipp Eng

Der M6 GT3 hat einen Front-Turbomotor, was die Traktion nicht verbessert Zoom

Auf dem Red-Bull-Ring, auf den die DTM 2021 zurückkehren soll und die BMW-Teams Schubert und MRS mit dem M6 GT3 dieses Jahr beide GT-Masters-Rennen gewannen, sei der Bolide aber im Element. Das weiß auch Niclas Königbauer vom Walkenhorst-Rennstall. "Da funktioniert das Ding", sagt er im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Im Infield oder gegen Ende der Runde gibt es schon viele schnelle Kurven, in denen das Auto gut funktioniert. Dort dürfte man das Auto also stark erwarten."

Denn durch die gute Aerodynamik sei das Auto in schnellen und mittelschnellen Kurven "sehr gut und durch den langen Radstand auch sehr stabil und angenehm zu fahren", sagt Königbauer. "Je langsamer die Kurven werden und je schneller das Umsetzen in Schikanen ist, desto schwieriger wird es."

Walkenhorst-Teammanager: "Da habe ich schon Bedenken"

In Sachen Norisring ist er im Gegensatz zu Rowe-Teamchef Naundorf skeptisch. "Da kann ich Jens nur recht geben, dass das nicht die Stärke des Autos ist. Ich würde das aber nicht auf Sprintrennen reduzieren: Auf manchen Strecken tut sich das Auto einfach schwer, während es auf anderen Strecken extreme Stärken hat. Die Frage ist also, wie gut man die Schwächen kaschieren kann. Da habe ich teilweise schon Bedenken."

Auf welchen DTM-Strecken er den M6 GT3 im Nachteil sieht? "In Monza sind wir schon zweimal gefahren - und da haben wir uns relativ schwer getan", sagt der Walkenhorst-Teammanager. "Das liegt an diesen sehr engen Schikanen, auf die lange Geraden folgen. Und das Auto ist ja auch nicht gerade ein Traktionswunder."

Auch auf dem Lausitzring sei die Traktion ein Thema, fürchtet er. "Man hat beim GT-Masters gesehen, dass die Autos maximal im Mittelfeld herumfahren können. Auch dort ist es also schwierig, aber es hängt natürlich auch von der BoP ab." Auch in Hockenheim sehe er das Auto "eher im Mittelfeld", während er den engen Kurs in Zolder für "sehr kritisch" halte: "Das Auto ist sehr groß."

Rowe-Teamchef: BoP-Einstufung bei M6 besonders schwierig

Naundorf sieht die größte Herausforderung beim M6 GT3 währenddessen beim Turbomotor: "Das ist der Grund, warum man in den vergangenen fünf Jahren nicht durchwegs Erfolg mit dem BMW hatte." Dabei bezieht sich der Rowe-Teamchef darauf, dass die BoP-Einstufung bei Turbofahrzeugen wegen des nicht-linearen Drehzahlverlaufs wahnsinnig schwierig sei.

"Ein bisschen zu viel, und du ballerst alle weg. Ein bisschen zu wenig - und du kommst nicht mehr hinterher", beschreibt er das Problem, was den Ladedruck angeht. "Wenn dann auch noch wie beim M6 wenige Fahrzeuge eingesetzt werden und man weniger Daten hat, dann ist es noch schwieriger."

Abgesehen davon ist die Leistungsfähigkeit des Turbos neben der Höhenlage auch von den Außentemperaturen abhängig, was es noch komplexer macht. "Je niedriger die Temperatur, desto besser läuft das Auto", sagt er und verweist bei massiven Temperaturschwankungen auf einen Unterschied von mehreren Sekunden. "Daher müsste man für die Turbofahrzeige eigentlich eine Temperatur-relevante BoP mit einem Sensor auf den Antriebswellen und einem festgelegten maximalen Drehmoment machen." Das koste aber Geld.

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