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  • 03.06.2018 17:32

  • von Julia Spacek

Auer nach Crash am Boden zerstört: "War nur noch Passagier"

Nach Unfällen in Boxengasse sitzt DTM-Piloten der Schreck noch in den Knochen und schicken Genesungswünsche an die Verletzten - Rennergebnis zweitrangig

(Motorsport-Total.com) - Das Endergebnis des Sonntagsrennens in Budapest wurde nach den Zwischenfällen in der Boxengasse zur Nebensache. Lucas Auer, Edoardo Mortara und Bruno Spengler verunfallten bei der Anfahrt zum Reifenwechsel auf regennasser Fahrbahn. Dabei wurden insgesamt sieben Personen verletzt. Dies bestätigt die Rennleitung auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Lucas Auer

Lucas Auer muss die Geschehnisse beim Unfall in der Boxengasse noch verarbeiten Zoom

Bei den Verletzten handelt es sich um einen Sportwart, der einen offenen Unterschenkelbruch erlitt und mit dem Helikopter in ein Budapester Krankenhaus geflogen wurde. Zwei Feuerwehrleute erlitten mittelschwere Verletzungen und wurden mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht. Zwei BMW- und zwei Mercedes-Mechaniker erlitten Prellungen.

Den Fahrern kann dabei kein Vorwurf gemacht werden, wie Mercedes-DTM-Teamchef Ulrich Fritz erklärt: "Ich denke, das sind Bilder, die keiner sehen will. Den Fahrern kann man keinen Vorwurf machen. Es ist sowohl bei BMW wie auch bei Mercedes und Audi passiert. Das war einfach rutschig wie Schmierseife. Es war wie Zeitlupe, als Edo hier reingerutscht ist. Wir hoffen, dass es den Kollegen entsprechend gut geht."

Er ergänzt: "Hier wechselt der Belag, das ist purer Beton. Mit dem ganzen Gummi, der von den Boxenstoppübungen hier liegt, ist es einfach unkontrollierbar und rutschig. Man muss sich vorstellen, dass es ist, als würde man über eine Eisfläche fahren. Man hat es gesehen: Die Jungs standen voll auf der Bremse, und es ging einfach nur geradeaus. Edo ist noch gewarnt worden, aber es war so rutschig, dass es anscheinend nicht kontrollierbar war."

Auer sichtlich mitgenommen nach Unfall

Lucas Auer war der Erste, der in der Boxengasse zum Passagier wurde. Während der Rennunterbrechung erkundigte sich der junge Tiroler nach dem Gesundheitszustand der Verletzten. Nach dem Rennen war er immer noch sichtlich aufgewühlt. "Nach dem Zwischenfall beim Boxenstopp war es für mich leider kein Rennen mehr. Ich bin zwar noch zu Ende gefahren, aber mir ging es nur darum, zu erfahren, wie es den beiden Streckenposten geht. Alles andere war mir egal", sagt er.

"Es gibt zwei verschiedene Asphalttypen in der Boxengasse und ich bin schon so langsam wie möglich reingefahren. Aber ich konnte nirgends mehr hin und bin einfach geradeaus gerutscht und eingeschlagen. Ich war nur noch Passagier im Auto. So etwas darf nicht mehr passieren", fordert der Neffe von Gerhard Berger.

"Ich habe die Boxenstoppanlage mit vielleicht 40 oder 50 Kilometer pro Stunde getroffen und zum Glück wurde dabei niemand verletzt. Darüber bin ich froh, denn das hätte heute sehr böse enden können und ich hätte nichts dagegen unternehmen können", schildert Mortara den Vorfall in der Boxengasse aus seiner Sicht.

"Ich hatte keine Chance, das Auto zu stoppen"

"Als ich in die Box kam, stand die Boxengasse unter Wasser und es waren ein Krankenwagen und Streckenposten überall. Sobald ich nur ganz leicht auf das Bremspedal gestiegen bin, haben die Räder blockiert und ich fuhr einfach geradeaus in die Mechaniker und die Boxenanlage. Nach so einem Vorfall spielt das Rennergebnis heute absolut keine Rolle. Ich bin nur froh, dass meinen Mechanikern bei dem Zwischenfall nichts passiert ist und es tut mir sehr leid, dass es bei dem Streckenposten mit dem gebrochenen Bein nicht so gut ausgegangen ist. Ich wünsche ihm eine schnelle Genesung", so der Wahl-Genfer weiter.

Auch bei BMW gab es ein Unglück in der Boxengasse: Bruno Spengler riss dabei einen Mechaniker von den Beinen. "Die Boxengasse ist megarutschig und wir sind dort mit Slicks angekommen. Du blockierst halt einfach. Du bist sehr langsam unterwegs, und mein Ingenieur hat gesagt: Pass auf! Ich hatte schon gut Tempo rausgenommen, aber es hat nicht gereicht. Wenn die Slicks im Regen einmal blockieren, hast du keine Chance mehr - speziell auf diesem rutschigen Belag. Es ist kein Asphalt mehr, sondern eher Zement - und da habe ich gar keine Chance mehr, das Auto zu stoppen. Ich habe die Boxenstation getroffen und meine Mechaniker auch", bedauert der Kanadier und schickt eine Entschuldigung zu seiner Crew.

"Ich habe schon die Information bekommen, dass alle okay sind - Gottseidank. Als Fahrer ist es Horror. Du weißt nicht, wie es ist. Du willst gar nicht mehr losfahren, weil du dir echt Sorgen um sie machst. Durch das Funkverbot hast du keine Information, ob sie okay sind oder nicht. Ich habe öfters am Funk gefragt und nur eine kurze Antwort bekommen - aber das hat mir nicht gereicht. Sie sind zu mir gekommen und haben gesagt, wir sind alle okay. Das tut gut, aber es ist nicht schön", ergänzt der BMW-Pilot. Ein RBM-Mechaniker zog sich nach Aussagen des Teamarztes dabei eine leichte Blessur am Fuß zu.

Auch seine Markenkollegen Marco Wittmann und Philipp Eng hatten mit den widrigen Bedingungen in der Boxengasse zu kämpfen. "Erstmal hoffen wir, dass die, die verletzt worden sind, nicht zu schwer verletzt sind und okay sind und schnell wieder auf die Beine kommen", sagt der Österreicher.

"Die Boxengasse war sehr rutschig. Auch auf der Strecke war es extrem rutschig, als es zu regnen begann. Die Schuld trifft nicht die Fahrer. Es ist extrem schwierig und natürlich will niemand Zeit verlieren. Es war so rutschig. Ich war mit zehn Kilometern pro Stunde unterwegs und trotzdem habe ich zu spät gebremst. Zum Glück hat meine Mannschaft mir signalisiert, langsamer zu fahren", ergänzt der Drittplatzierte.

Sieger Wittmann fügt an: "Ich selbst bin auch in der Boxengasse weit gefahren und hätte fast meine Mechaniker umgefahren. Da war es extrem rutschig mit den Slicks auf den nassen Asphalt zu fahren. Ich hoffe trotz des Sieges, dass es den Jungs den Umständen entsprechend gut geht. Ich habe die Bilder gesehen, die sahen natürlich schon heftig aus."

Rennergebnis rückt in den Hintergrund

"Den heutigen Sieg widmen wir natürlich all jenen, die im heutigen Rennen verletzt wurden. Unsere Gedanken und besten Genesungswünsche sind bei ihnen", sagt RMG-Teamchef Stefan Reinhold.

"Das sportliche Geschehen ist heute zweitrangig", ergänzt Rudolf Dittrich, Leiter der Fahrzeugentwicklung bei BMW. "Am wichtigsten ist, dass die von den Zwischenfällen in der Boxengasse betroffenen Personen nicht allzu schwer verletzt und hoffentlich bald wieder gesund sind. Auch bei Bruno Spenglers Boxenstopp war es sehr knapp, und ich bin sehr froh, dass beim BMW Team RBM nichts Schlimmes passiert ist."

Timo Glock wollte sich die schrecklichen Szenen in der Rennunterbrechung nicht anschauen - zum Selbstschutz. "Ich habe erst einmal weggeschaut. So etwas sieht man wirklich nicht gerne. Ich habe versucht, ins Auto zu steigen, die Tür zu zumachen und so zu tun, als wäre nichts. Am Ende sind wir dafür da, um den Job zu machen und das haben wir dann versucht, so gut wie möglich zu machen", meint der Tabellenführer.

Er freut sich über seinen zweiten Platz im Rennen und die Rückeroberung der Tabellenführung, doch auch für ihn gibt es Wichtigeres, als das Ergebnis. "Am Wichtigsten ist, dass die Verletzten schnellstmöglich wieder auf die Beine kommen und sich schnell erholen. Ich wünsche ihnen alles Gute. Alles andere ist zweitrangig."


DTM in Budapest

Der ehemalige Formel-1-Pilot ergänzt: "Es ist toll, auf dem Podium gelandet zu sein. Mit dem was heute passiert ist, ist es aber kein Grund zu feiern. Es ist immer schrecklich, wenn Menschen zu Schaden kommen, die ihre Arbeit an ihrem freien Wochenende machen." Die Marschalls in der DTM arbeiten auf freiwilliger Basis am Rennwochenende - aus Liebe zum Motorsport. Umso tragischer, dass sie in ihrer Freizeit verletzt werden, meint Glock.

Genesungswünsche an die Verletzten

"Nach dem, was heute geschehen ist, rückt das Sportliche natürlich in den Hintergrund", sagt DTM-Chef Gerhard Berger. "Ich wünsche den verletzten Helfern und Mechanikern eine schnelle Genesung."

Auer war von der Pole-Position gestartet und wurde am Ende nur Neunter. Doch das interessierte den 23-Jährigen wenig. "Scheiße! Du weißt, wohin das geht. Da sind nur Leute beim Boxenstopp... schrecklich", erinnert er sich daran, wie machtlos er der unausweichlichen Situation gegenüberstand. Seine Emotionen sind beispielhaft dafür, dass die 18 DTM-Fahrer im Feld zwar nach außen immer wie harte und mutige Kerle erscheinen. Aber letzten Endes sind sie auch nur Menschen.

Menschen, die jedes Wochenende sich und - wie beim Boxenstopp gesehen - auch andere einer Gefahr aussetzen. Die Gefahr fährt immer mit. Und dennoch ist es immer wieder bewundernswert zu sehen, wie eng das Fahrerlager - trotz aller Konkurrenz und Politik, die in der DTM herrscht - in Situationen wie am Sonntagnachmittag in Budapest zusammenrückt und das sportliche in den Hintergrund rückt.

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