• 06.08.2007 00:31

Interview: Witteveens Ideen für die 250er-Klasse

Ex-Aprilia-Sportchef Jan Witteveen macht sich Gedanken, wie man die 250er-Klasse attraktiver gestalten könnte, und kritisierte die geplanten Regeln

(Motorsport-Total.com) - Zu Beginn der 2007er-Saison hatte Aprilia insgesamt 209 Siege über alle Klassen verteilt erzielt. Die Mehrheit dieser Siege wurde eingefahren, als Jan Witteveen bei Aprilia entweder als Ingenieur oder als Rennentwicklungschef involviert war.

Titel-Bild zur News: Witteveen

Jan Witteveen hat seine Zweifel an der Sinnhaftigkeit mancher Änderungen

Frage: "Jan, was denkt ein erfahrener Ingenieur über die vorgeschlagenen Regeländerungen für die 250er-Klasse?"
Jan Witteveen: "Die momentanen Regeln werden bis Ende 2009 Bestand haben, ab 2010 sieht es so aus, als würden die Regeln geändert werden. Die europäischen Werke wollen bis 2012 oder 2014 weitermachen, obgleich wir meinen, dass wir mehr Zeit brauchen, um eine Lösung zu diskutieren. Ich denke, die Veränderungen kamen auf, als Honda angekündigt hat, dass sie von 2010 an keine Zweitaktmaschinen mehr bauen wollen, also denke ich, dass sich die Dorna dieses Jahr für den Wechsel ausgesucht hat."#w1#

Steigen europäische Teams aus?

"Mit Aprilia und KTM haben wir zwei große Werke." Jan Witteveen

Frage: "Was glauben Sie, was bei solch schnellen Regeländerungen passiert?"
Witteveen: "Ich denke, es stimmt, dass wir ein paar kleinere europäische Teams verlieren könnten, welche gegenwärtig Zweitaktmaschinen für die 125er- und 250er-Klassen vorbereiten. Wenn Sie sich die Situation im Moment ansehen, dann haben wir Aprilia, KTM, Gilera und Derbi. Mit Aprilia und KTM haben wir zwei große Werke, die in diesen Klassen Motorräder für die Zukunft produzieren."

Frage: "Wo liegen die Vorteile darin, die 250er-Zweitakt-Kategorie am Leben zu erhalten?"
Witteveen: "Es gibt eine Reihe von Gründen. Wie ich erwähnt habe, wollen wir keine europäischen Teams in dieser Klasse mehr verlieren. Das könnte durch die Kosten aber passieren. Eine 250er-Maschine hat eben doppelt so viele Zylinder wie eine 125er-Maschine, so können Entwicklungskosten geteilt werden. Die angekündigten Regeländerungen sehen möglicherweise eine 600er-Viertakt-Antriebseinheit vor, möglicherweise einen Serienmotor in einem Prototypenchassis. Aber keiner von den europäischen Herstellern stellt gegenwärtig so einen Motor her. Nur die Japaner tun das, daher denke ich, dass das verrückt ist."

Frage: "Und glauben Sie, dass die Dynamik der 250er-Zweitakt-Motorräder den Fahrern helfen wird, sich zu entwickeln?"
Witteveen: "Natürlich! Sehen Sie sich die Topplatzierungen der MotoGP-Rennen an, die Fahrer kommen alle aus der 250er-Klasse: Casey Stoner, Valentino Rossi. Abgesehen von Chris Vermeulens Sieg bei nassem Wetter kommen die Sieger aus der 250er-Klasse. Fahrer, die schnell mit 250er-Maschinen sind, sind schnell in der MotoGP. Sogar Fahrer wie Randy de Puniet und Sylvain Guintoli haben gezeigt, dass sie sich an eine MotoGP-Maschine anpassen können. Fahrer wie John Hopkins brauchten mehr Zeit, um sich zu entwickeln. Sogar Nicky Hayden benötigte fünf Jahre, bevor er den Titel erzielen konnte."

Frage: "Also warum hilft ein 250er-Motorrad einem Fahrer, sich zu entwickeln?"
Witteveen: "Es ist die schiere Dynamik der Maschine. Man hat eine 100-Kilogramm-Maschine mit vielen PS und der Motor selbst ist dynamischer als ein Viertakter in der Art, wie er seine Kraft entfaltet. Mit einem Viertakter fühlt sich die Maschine weniger rasant an, aber mit einer 250er muss man sorgfältig mit der Kupplung umgehen und den Kontakt zwischen Kupplung und dem Hinterrad. Die Philosophie des Ganzen ist sehr positiv für die Entwicklung eines Fahrers. Mit einer Viertaktmaschine ist es einfacher, das Bike zu korrigieren, wenn es am Limit eine bestimmte Richtung eingeschlagen hat, also lernt man als Fahrer weniger dazu.

Ideale Schule für die MotoGP

"Ich glaube, dass es für die Teams sehr schwer wird, neue MotoGP-Fahrer zu finden, wenn man diese Klasse streicht." Jan Witteveen

"Ich glaube, dass es für die Teams sehr schwer wird, neue MotoGP-Fahrer zu finden, wenn man diese Klasse streicht. Wir haben gesehen, dass die Top 3 in der 250er-Klasse gut damit zurechtkommen, auf Anhieb auf einem MotoGP-Motorrad schnell zu sein. Der Sprung von einer 125er-Maschine auf die MotoGP wäre zu groß."

Frage: "Was sollte getan werden, um die 250er-Klasse als die Nachwuchsklasse zu behalten und gleichzeitig die Viertaktmotoren zu erlauben?"
Witteveen: "Wir wissen, dass nicht alle Firmen Zweitakter produzieren wollen, wir wissen das auch von manchen Teams, besonders Ilmor, KTM und Aprilia. Also denke ich, man sollte Zweitakter behalten und Viertakter zulassen - mit, sagen wir, der halben Kapazität der MotoGP-Maschinen. Das würde bei etwas höheren Kosten eine 400er-Viertaktmaschine bedeuten, welche genau das tun würde, was die 125er-Klasse für die 250er macht. Das würde die 250/400er-Klasse zu einer Eintrittsklasse für Firmen machen, welche möglicherweise irgendwann in der MotoGP mitfahren wollen. Im Moment sind die Risiken und Kosten zu hoch, um Hersteller in die MotoGP zu locken."

Frage: "Wie viel Zeit bleibt uns für diese Änderungen?"
Witteveen: "Es ist eine laufende Diskussion im Moment, also haben wir über drei Jahre vor den Regeländerungen, also sollten wir bald bezüglich der Ideen Übereinstimmung finden. Ich denke, mein Vorschlag wäre eine gute Lösung, welche jeder Firma erlaubt, entweder mit einer Zweitakt oder Viertaktmaschine mitzufahren."