Wie Porsches LMDh-Debüt an die Premiere des Gruppe-C-Königs erinnert

Der Porsche 963 schnitt beim Debüt in Daytona nicht so gut ab wie erhofft, aber sein geistiger Vorgänger, der 962, einst auch nicht - Dennoch ist etwas aus ihm geworden

(Motorsport-Total.com) - Porsche hat keinen Hehl daraus gemacht, dass der neueste Rennprototyp - der auf dem LMDh-Reglement aufgebaute 963 - das Erbe des überaus erfolgreichen 962 aus den 1980er- und 1990er-Jahren antreten soll. Bis dato erweist er sich in mehr als einer Hinsicht als Tribut.

Titel-Bild zur News: Mathieu Jaminet, Nick Tandy, Dane Cameron, Porsche 963

Der Porsche 963 war bei seinem Debüt in Daytona noch defektanfällig Zoom

Rückblende: Der Porsche 962 war Nachfolger des 956 und wurde für die GTP-Klasse der IMSA mit einem längeren Radstand entwickelt. An der Front wurde das Auto zwölf Zentimeter verlängert, sodass sich die Füße des Fahrers hinter der Vorderachse befanden. Zudem waren ein Überrollkäfig aus Stahl anstelle von Aluminium und ein einzelner Turbo anstelle des Twinturbo aus dem 956 erforderlich.

Der 962 debütierte bei den 24 Stunden von Daytona 1984. Es war ein werksseitig eingesetztes Auto, das von Mario und Michael Andretti pilotiert wurde. In Marios Händen qualifizierte sich der Bolide auf Anhieb auf der Pole - mit einem Vorsprung von zwei Sekunden. Der war das Ergebnis der Qualifikationsreifen und der Verkleidung des unteren Lufteinlasses!

Im Rennen führte der 962 das 83 Fahrzeuge umfassende Feld anfangs an, fiel aber nach 127 Runden mit einem Getriebeschaden aus. Wie Mario Andretti erzählt, hatte die Montage des Turbos direkt auf dem Getriebe zur Folge, dass die Schaltvorgänge "verkochten".

"Der Turbo erzeugte dermaßen viel Hitze. Das haben sie unterschätzt", erinnert sich Andretti und sagt: "Das war eine Schande, denn ich glaube, 'Mike' und ich hätten das Rennen wahrscheinlich im Spaziergang gewinnen können."

Spulen wir vor ins Jahr 2023. Der Porsche 963 debütierte Ende Januar bei den 24 Stunden von Daytona. Das Werksteam Porsche Penske Motorsport brachte in der wiederbelebten GTP-Klasse der IMSA zwei der brandneuen Autos an den Start.

Mario Andretti, Michael Andretti, Porsche 962

Mario Andretti glaubt, ohne Getriebeschaden hätte der 962 beim Debüt locker gewonnen Zoom

Im Qualifying verpasste der Porsche mit der Startnummer 7 die Pole um gerade mal 0,083 Sekunden (fuhr aber anhand der besten Sektorzeiten eine schnellere theoretische Runde). Im Rennen lag das Schwesterauto mit der Startnummer 6 nach 16 Stunden in Führung, bis sich Nick Tandy bei einer Kollision mit einem LMP3-Auto drehte. Die Reparatur kostete drei Runden.

Daraufhin zeigte Tandy eine Aufholjagd. Er überholte alle GTP-Autos vor ihm - darunter auch den am Ende siegreichen Acura von Meyer Shank Racing in Händen von IndyCar-Star Simon Pagenaud. Tandy machte zwei Runden des Drei-Runden-Rückstands wett. Doch dann wurde er - Sie können es sich schon denken - durch einen Getriebeschaden aus dem Rennen gerissen.

Immerhin: Anders als knapp 40 Jahre zuvor war die Ursache in diesem Fall nicht die Hitze des Turbos. Der nämlich ist im 963 weit entfernt vom Getriebe montiert und im V des 4,6-Liter-V8 ordentlich eingebettet.

Zusammen führten die beiden Porsche 963 in Daytona 41 Runden lang. Doch als Projektleiter Urs Kuratle direkt nach dem Fallen der Zielflagge sprach, war die Enttäuschung spürbar. "Die Leute prüfen gerade die Daten. Alle sind natürlich müde und wir kennen die Ursache noch nicht", seufzte er.

Als 'Motorsport.com' nach dem Rennen im Fahrerlager nachforschte, verriet eine Quelle, dass das Problem mit dem fraglichen Getriebe darin besteht, dass die "Innereien die Sonne sehen können". Kuratle fügte hinzu: "Das Auto abzustellen, das war eine schwierige Entscheidung. Es ist immer schwierig, in der Garage zu parken und die Ziellinie eines besonderen 24-Stunden-Rennens nicht zu sehen."

"Aber es ist wichtig, Teile zu sparen und das Auto nicht einem weiteren technischen Risiko auszusetzen. Das wäre einfach nicht sicher. Es könnte einen Unfall oder etwas Ähnliches geben und wir würden weitere Teile verlieren", so Kuratle.

Die von Porsche getroffene Entscheidung zeigt, wie kritisch die Lieferkette für die brandneuen LMDh-Boliden ist. Die Anforderung, das von allen Herstellern genutzte Einheits-Hybridsystem standfest zu bekommen, hatte während der gesamten Vorsaisontests zu Problemen geführt.

Mathieu Jaminet, Nick Tandy, Dane Cameron, Porsche 963

Der 963 lag beim Debüt in Führung, hatte aber Kollision und Getriebeschaden Zoom

Der legendäre Teamchef Roger Penske wies darauf hin, dass diese zusätzliche Belastung nicht unterschätzt werden darf. "Dieses Hochspannungs-Hybridsystem ist für uns eine Herausforderung dahingehend, es zu verstehen. Ich glaube, wir haben mehr Ingenieure, die auf Computer schauen, als wir Leute haben, die gerade am Auto arbeiten. In unserer Box sieht es jedenfalls so aus", sagte Penske in Daytona.

Für Porsche war es daher keine große Hilfe, dass Tandy im Qualifying einen Unfall hatte und sich dann im Rennen drehte, wobei das zu diesem Zeitpunkt in Führung gelegene Auto erneut beschädigt wurde.

"Im schnellen Knick im Infield habe ich mich auf die Innenseite [eines LMP3-Autos] positioniert", berichtete Tandy. "Wir lagen auf gleicher Höhe, wie es alle drei Runden mit diesen Autos vorkommt. Ich weiß nicht, ob er dachte, er könnte einlenken, aber es gab keinen Platz."

"Und weil diese Autos so breit sind, musste ich auf den inneren Randstein ausweichen. Schon beim Einlenken wurde das Auto unruhig, weil wir am Ende eines Dreifachstints waren", so der Le-Mans-Sieger von 2015.

"Das Ding ist also ausgebrochen. Ich geriet aufs Gras und dachte, dass ich in der nächsten Kurve auf die Strecke zurückkehre könnte. Dann aber krachte ich in etwas, was ich für Styroporplatten hielt. Die aber waren mit massiven Sandsäcken beschwert, sodass es das Ding in Stücke riss! Es hätte ein harmloser Ausflug über den Rasen sein sollen. So aber wurde ein ernstes Problem daraus."

"Dann krachte ich in etwas, was ich für Styroporplatten hielt. Die aber waren mit Sandsäcken beschwert, sodass es das Ding in Stücke riss!" Nick Tandy

Projektleiter Kuratle dazu: "Die Nase war beschädigt. Und es gab eine Menge kleinerer Carbonteile, die beschädigt waren, wie etwa die Antenne und andere Teile. Der Boxenstopp [der drei Runden kostete] sah vielleicht langsam aus. In Wahrheit aber haben die Jungs einen guten Job gemacht. Sie haben bei diesem Stopp eine Menge Teile gewechselt."

Es war nicht alles schlecht für Porsche in Daytona. Das Auto mit der Startnummer 7 sah die Zielflagge mit 34 Runden Rückstand auf den Sieger auf Platz 14 im Gesamtergebnis und als Siebter in der GTP-Klasse.

Matt Campbell, Felipe Nasr, Michael Christensen, Porsche 963

Der #7 Porsche kam ins Ziel, aber mit großem Rückstand nach mehreren Reparaturen Zoom

Den größten Teil des Rückstands fing sich das Team ein, als man entschied, die Batterie zu wechseln. Ein solcher Wechsel nimmt aufgrund der Anzahl der Schrauben, die aus Sicherheitsgründen zur Befestigung des Hochspannungssystems erforderlich sind, viel Zeit in Anspruch.

"Wir wissen, dass das die Hauptursache war", sagte Kuratle. "Wir haben in diesem Fahrzeug die Batterie gewechselt und das Problem war nicht mehr vorhanden." Der #7 Porsche musste allerdings noch ein zweites Mal in die Garage abbiegen. In diesem Fall war es eine wesentlich schneller vollzogene Reparatur eines gerissenen Wasserschlauchs.

"Es gab ein Wasserleck am Verbrennungsmotor", sagte Kuratle. "Es war das erste Mal [dass der Schlauch gerissen ist]. Überhaupt hatten wir viele Probleme hier zum ersten Mal. Es gibt also noch eine ganze Menge zu tun."

Neben den vielen Aspekten, die es aus Sicht der Zuverlässigkeit zu untersuchen gilt, wird Porsche auch der Rückstand auf die dominierenden Acura, die Doppelerfolg eingefahren haben, ein wenig Sorgen bereiten.

Matt Campbell, Felipe Nasr, Michael Christensen, Mathieu Jaminet, Nick Tandy, Dane Camerona, Porsche 963

Das Porsche-Team Penske setzt den 963 sowohl in der IMSA als auch in der WEC ein Zoom

Zwar hatten sowohl das von Meyer Shank Racing als auch das von Wayne Taylor Racing eingesetzte Auto Probleme mit dem Getriebe (was ein Auffüllen der Ölreserven notwendig machte). Doch wenn es um die reine Performance geht, etwa in der Anfangsphase und in der Schlussphase des Rennens, waren die ARX-06 einfach unantastbar.

Tandy war nach dem Rennen sehr ehrlich, was den Rückstand auf den Shank-Acura anging: "Der war gegenüber dem Porsche und den Caddys locker acht Zehntelsekunden im Vorteil und hatte wahrscheinlich drei oder vier Zehntel auf das Taylor-Auto, vor allem beim Beschleunigen. Auf den Geraden war das Auto ein Geschoss."

"Man kann aber kein Auto mit weniger Luftwiderstand, mehr Leistung und anderen Drehmomentkurven bauen als die anderen [Teams]. Das ist alles einheitlich geregelt. Man muss fairerweise sagen, dass sie es [bei Meyer Shank Racing] gut hinbekommen haben, das Auto für Daytona abzustimmen", lobte Tandy.

Was den Porsche 963 betrifft, scheint das Potenzial vorhanden zu sein. Und als Tandy an seine fulminante Aufholjagd vom Sonntagmorgen erinnert wurde, sagte er: "Wir wissen nicht, warum wir auf einmal diese Pace hatten. Es ist nicht so, dass die anderen langsamer geworden wären."

Start zu den 24h Daytona 2023

Start zu den 24h Daytona 2023 mit dem Meyer-Shank-Acura an der Spitze Zoom

"Vielmehr haben wir im Vergleich zum vorherigen Stint, den ich gefahren hatte, an Pace zugelegt. Dabei haben wir nichts anderes gemacht als die Reifen zu wechseln. Vielleicht haben wir den Reifen einfach in ein gutes Temperaturfenster gebracht, sodass er für uns richtig gut funktionierte."

Die Pace der Acura-Boliden könnte eine Debatte über die Balance of Performance (BoP) etwas früher eröffnen als es der IMSA lieb wäre. Schließlich fahren alle GTP-Boliden derzeit mit einer Basis-BoP. Jonathan Diuguid, der bei Porsche Penske Motorsport den Einsatz der 963 leitet, sagte im Vorfeld des Daytona-Rennens, dass er es begrüßen würde, wenn es für alle bei der Basis-BoP bleiben würde.

"Dank der LMDh-Formel wird das [BoP-]Fenster im Allgemeinen relativ klein gehalten", so Diuguid. "Wenn ich von anderen Herstellern höre, dass sie sich immer weniger Sorgen um die BoP machen, dann finde ich das ehrlich und aufrichtig. Die Motorleistung und das Gewicht sind ähnlich und die aerodynamische Regelbox ist ziemlich eng. Bei diesen Autos schauen wir alle nur noch auf das Racing."

"Das Fenster für Luftwiderstand und Aero-Performance ist relativ klein. Der Ansatz von [Porsche] war eher die Anpassungsfähigkeit, um unser einzelnes aerodynamisches Bauteil [den Heckflügel des 963] so zu nutzen, dass wir hinsichtlich der Aero-Balance so viel Spielraum wie möglich haben. Es geht darum, dass wir auf die unterschiedlichen Strecken, die unterschiedliche Dinge erfordern, bestmöglich reagieren können", so Diuguid.

LMDh-Autos von Acura, Cadillac, Porsche, BMW in der GTP-Klasse der IMSA-Saison 2023

LMDh-Autos von Acura, Cadillac, Porsche, BMW in der GTP-Klasse der IMSA Zoom

In wenigen Tagen wird das 963-Programm von Porsche auf eine ganz andere Ebene gehoben. Das zweite Saisonrennen im IMSA-Kalender 2023, die 12 Stunden von Sebring, fällt zusammen mit dem Auftaktrennen im WEC-Kalender 2023, den 1.000 Meilen von Sebring. In der WEC tritt Porsche gegen die Le-Mans-Hypercars von Ferrari (ebenfalls Neueinsteiger) sowie von Peugeot und Toyota an. Und das wird ganz andere BoP-Gespräche eröffnen ...

"Es gab eine offene Kommunikation zwischen den beiden Gruppen, der IMSA auf der einen Seite und dem ACO und der FIA auf der anderen Seite", so Diuguid und weiter: "Ich glaube, es wird für die beiden [BoPs] einen unterschiedlichen Zeitplan geben. Das liegt auch an den Rennkalendern."

"Ich glaube, der Ansatz der IMSA geht einher mit dem sein, was sie in der Vergangenheit gemacht haben. Der Ansatz der WEC aber wird ein etwas anderer sein, weil sie eine andere Herausforderung haben, nämlich die richtige Balance zwischen LMH- und LMDh-Autos zu finden", so der Porsche-Einsatzleiter.

IMSA und WEC verwenden unterschiedliche Windkanäle, um ihre BoP-Entscheidungen zu treffen. Die IMSA nutzt den Windkanal von Windshear in Concord im US-Bundesstaat North Carolina. Die WEC nutzt den von Sauber in Hinwil in der Schweiz. Diuguid verrät, dass es "aufgrund der Windkanäle ein paar geringfügige aerodynamische Unterschiede geben wird", sodass der Porsche 963 in der WEC mit einer etwas anderen Aero-Spezifikation fährt als in der IMSA.

Das Ganze erinnert an den Porsche 962 in der IMSA-Version und seine europäische Version, den 962C - von Kundenfahrzeuge noch ganz zu schweigen. Die verzögern sich beim 963 derzeit noch aufgrund der Lieferkettenprobleme. Ende April wird mit den ersten Einsätzen von Kundenautos gerechnet.

Mathieu Jaminet, Nick Tandy, Dane Cameron, Porsche 963

In der WEC wird der 963 eine andere Aero-Spezifkation haben als in der IMSA Zoom

Man fühlt sich wieder an 1984 erinnert. Damals erhielt das Team von Bruce Leven im späteren Saisonverlauf als erster Kunde einen 962, den man aber freundlicherweise für Riverside und Laguna Seca an Al Holbert auslieh. Das Erbe des 962 war geboren. Holberts Sieg zusammen mit Derek Bell in Mid-Ohio war der Startschuss zu einer gewaltigen Erfolgsserie in den folgenden drei Jahren.

Würde Porsche heutzutage wieder so viele Kundenfahrzeuge wie in den 1980er- und 1990er-Jahren einsetzen wollen? Motorsportchef Thomas Laudenbach mahnt zur Vorsicht: "Das könnte sein, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir das unbedingt wollen! Wir müssen Unterstützung leisten, denn das ist Teil unserer Philosophie."

"Wir sind alle lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass die Unterstützung seitens der Hersteller wie wir sie momentan sehen, nicht ewig anhalten wird", so Laudenbach. "Aus diesem Grund wird eine Rennserie auf lange Sicht durch die Kunden stabilisiert. Für uns geht es ganz sicher nicht darum, so viele Autos wie möglich zu verkaufen und [die Kunden] dann alleine zu lassen, damit sie am Ende des Feldes stehen."

"Ich verkaufe lieber weniger Autos und sorge dafür, dass sie richtig eingesetzt werden." Thomas Laudenbach

"Wenn wir ein Auto verkaufen, werden wir so unterstützen, dass ein professionelles Team mit professionellen Fahrern in der Spitzengruppe dabei ist. Ich verkaufe lieber weniger Autos und sorge dafür, dass sie richtig eingesetzt werden", sagt Laudenbach.

Der 962 begründete für Porsche eine goldene Ära im Sportwagensport. Und mit dem 963 könnte sich die Geschichte buchstäblich wiederholen.

Jota-Porsche 963

Porsche 963 von Jota Sport mit NFL-Legende Tom Brady als Partner Zoom

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