powered by Motorsport.com
  • 03.06.2011 14:20

  • von Roman Wittemeier

Warum der Diesel in Le Mans siegt

Auch in diesem Jahr wird der Sieg in Le Mans wohl an ein Dieselteam gehen - Analyse: Ist der Selbstzünder im Vorteil, oder sind die Gegner nicht gut genug?

(Motorsport-Total.com) - Die kommende Woche steht ganz im Zeichen der 24 Stunden von Le Mans. Die Vorzeichen deuten auf ein enges Duell der beiden Werksteams von Peugeot und Audi um den Sieg bei der 79. Auflage des Klassikers hin. Die Franzosen und die Ingolstädter betreiben gewaltigen Aufwand, um den prestigeträchtigen - und aus Marektingsicht enorm wertvollen - Sieg an der Sarthe zu ergattern.

Titel-Bild zur News:

Bei der Generalprobe in Spa feierte Peugeot einen Doppelsieg

Die beiden Hersteller agieren schätzungsweise mit Bugdets, die vergleichbar sind mit denen einiger Mittelfeldteams aus der Formel 1. Zu diesem Jahr haben beide Werke brandneue Motoren und Autos gebaut. Man durfte aufgrund der neuen Regeln mit einem weißen Blatt Papier beginnen. Dennoch haben sich Peugeot und Audi erneut für einen Dieselantrieb entschieden.

"Diesel oder Benzin? Da müsste ich mich intensiv mit einem Motorenfachmann unterhalten, um zu hören, was an der Sache dran ist. Da würde ich mich nicht festlegen wollen", sagt Porsche-Techniklegende Norbert Singer im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Der 71-Jährige spielte bei allen 16 Porsche-Gesamtsiegen an der Sarthe eine Schlüsselrolle. Heutzutage ist Singer als Berater des ACO aktiv.

"Das müsste man eingehend untersuchen. Audi hat das wahrscheinlich gemacht, Peugeot vielleicht weniger, weil die aus Marketinggründen den Diesel fahren", sagt der erfolgreiche Ingenieur, der offiziell seit 2004 im Ruhestand ist. Aus Sicht von Singer gibt es per Reglement keine Bevorteilung des Diesels. Schon zu seinen aktiven Zeiten habe es entsprechende Gedankenspiele bezüglich des Selbstzünders gegeben.

"Das ist gewachsen. Die Diskussion um Dieselmotoren ist schon uralt. Es gab schon vor vielen Jahren Anfragen - ich will jetzt nicht verraten, von wem das kam -, was passieren würde, wenn sie einen Diesel nehmen würden", erzählt Singer aus seinem reich gefüllten Nähkästchen.

Norbert Singer war an allen 16 Gesamtsiegen von Porsche beteiligt Zoom

"Le Mans stand immer für neue Technologien - ob das zukunftsweisend ist, oder nicht. Ich habe gedacht: 'Lasst sie doch mal gucken'. Es gab damals auch ein Turbinenauto und andere Dinge", erklärt er die Gedankenspiele aus frühen Jahren. "Irgendwann hat man ein passendes Reglement zusammengenagelt. Audi hat sich das genau angeschaut und hat erkannt, dass es dort Möglichkeiten gibt."

2006 kam Audi mit dem R10 TDI und fuhr an der Sarthe prompt zum Sieg. "Es war sofort klar, dass der Diesel eingebremst wird, wenn er zu schnell ist. Das war mit Audi tatsächlich aus dem Stand der Fall. Dann ist aber plötzlich Peugeot gekommen und hat dort mitgemacht. Die hatten sogar schon entwickelt. Ab diesem Moment saß der ACO in der Klemme", sagt der ehemalige Porsche-Techniker.

"Die konnten nicht mehr kurzfristig das Reglement ändern. Der ACO musste es also in kleinen Schritten angehen. Jetzt ist ein neues Reglement da, was alles mehr angleichen soll", so der 71-Jährige, der gemeinsam mit seiner Ehefrau in Vaihingen lebt. "Dummerweise vergleichen wir heute Benziner, die nicht von Herstellern unterstützt werden, mit hochwertigen Werks-Dieselautos."

¿pbvin|64|3722||0|1pb¿Ein in die Jahre gekommener Pescarolo-Judd oder ein halbherzig werksunterstützter Rebellion-Toyota könnten nicht auf dem Niveau der Werke agieren. Vor allem dann nicht, wenn sich Audi und Peugeot nichts schenken. "Die ziehen alle technischen Register. Gleichzeitig kann ein Judd aus seinem alten Motor nicht mehr viel herausholen. Wenn er ein paar Millionen reinsteckt, dann wird er feststellen, dass er lieber einen ganz neuen Motor baut."

"Die Frage bleibt: Wie groß wäre der echte Unterschied zwischen einem Benziner, der speziell für Le Mans gebaut wäre, und einem jetzigen Diesel?", fragt Singer. Er liefert sofort eine Antwort: "Er würde ebenbürtig sein, schneller aber wahrscheinlich nicht. Da muss man ganz tief in Details gehen. Bei einem Diesel mit geringer Drehzahl und großem Drehmoment läuft die Leistungskurve ganz anders als bei einem Benziner."

Der Schrei von einigen weniger technisch versierten Beobachtern, die einfach nur das heftige Drehmoment der Dieseltriebwerke (1.000 Nm oder mehr) gegen jenes Drehmoment der Benziner (400 bis 600 Nm) aufrechnen, erhört der frühere Porsche-Mann nicht. "Man darf nicht an der Kupplung aufhören zu denken. Du musst bis zum Hinterrad denken", lacht er. Nur falls Aston Martin viel Geld in die Hand nimmt und ähnlichen Aufwand mit dem AMR-One betreibt, dann kann man wohl eine wirkliche Antwort bekommen.

Allan McNish, Tom Kristensen, Rinaldo Capello

Im Heck es neuen Audi R18 steckt ein V6-Turbodiesel mit 3,7 Liter Hubraum Zoom

Singer sieht die Briten wenigstens bezüglich des Chassis auf dem richtigen Weg. Es muss in Zeiten geringerer Motorleistung nicht zwangsläufig ein geschlossener Prototyp sein, meint der erfahrene Ingenieur. "Ich würde zu einem offenen Auto neigen. Nur wenn ein Auto einzig in Le Mans laufen sollte, dann könnte man sich vielleicht über ein Coupé Gedanken machen."

"Wenn ich aber im Rahmen des ILMC in Sebring, Spa oder beim Petit-Le-Mans fahren will, dann ist es für mich immer ein offener Prototyp", sagt Singer über seine Herangehensweise auf Grundlage des aktuellen Regelwerks. Er erklärt: "Beim Coupé denkt jeder an den geringeren Luftwiderstand. Da ist natürlich etwas dran. Aber ich denke auch an den Abtrieb. Und da gehen die Meinungen dann auseinander."