Ullrich: "Le Mans ist eine launische Diva"
Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich über die besondere Herausforderung in Le Mans: "Es ist wie ein Schachspiel ohne Bedenkzeit" - Formel 1 ist kein Thema
(Motorsport-Total.com) - Audi möchte den Le-Mans-Sieg von 2010 wiederholen. In diesem Jahr treten die Ingolstädter mit dem brandneuen R18 TDI an. Aber auch die Konkurrenz hat nicht geschlafen. Peugeot ist mit dem neuen 908 auf der Bahn. So unerschiedlich die Fahrzeugkonzepte auch sein mögen: Bezüglich der Rundenzeiten in Le Mans sind sie sich extrem nahe.

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Wolfgang Ullrich muss sich auf das Unerwartete vorbereiten
Audi geht von der Pole-Position ins Rennen, allerdings haben die Startpositionen bei einem 24-Stunden-Rennen kaum Bedeutung. Viel wichtiger sind andere Faktoren: Konstanz, Effizienz, Zuverlässigkeit und auch Rennglück. "Le Mans ist und bleibt eine launische Diva", sagt Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich im Interview mit der 'FAZ'. Es gebe reichlich Beispiele für unerwartete Rennausgänge - der Audi-Sieg von 2010 war auch solch einer.
"Das Rennen hat in seiner Geschichte die größten Dramen geschrieben. In der jüngeren Vergangenheit haben Männer geweint, weil sie fünfzehn Minuten vor dem Ende mit einem Motorschaden irgendwo liegenblieben. Andere konnten ihre Freude gar nicht in Worte fassen, weil sie so überraschend doch noch gewonnen haben", beschreibt Ullrich die Emotionen, die beim größten Langstreckenrennen der Welt freigesetzt werden.
"Für mich ist es ein Zusammentreffen der intelligentesten Köpfe. Es ist wie ein Schachspiel ohne Bedenkzeit. Wenn der Gegner seine Strategie ändert, müssen auch wir sofort darauf reagieren", sagt der Österreicher. An der Boxenmauer dürfen Ullrich und sein Stab während der 24 Stunden nicht eine einzige Sekunde unaufmerksam sein. Immer wieder ergeben sich neue Situationen.
Um im Bereich Standfestigkeit auf der möglichst sicheren Seite zu sein, testete Audi den neuen R18 auf vielen verschiedenen Strecken. Auch drei 30-stündige Dauerläufe standen auf dem Programm. "In Le Mans passieren immer wieder Dinge, die man vorher mit dem Auto noch nie erlebt hat und die man nicht simulieren kann. Es gibt also auch vor dem Rennen in diesem Jahr wieder ein Fragezeichen. Wer mit dem Unkalkulierbaren am besten umgehen kann, wird Vorteile haben", sagt Ullrich.
"Früher ist man in Le Mans noch taktisch gefahren, inzwischen hat es sich aber hin zu einem 24-stündigen Sprintrennen entwickelt. Von der ersten bis zur letzten Runde wird am Limit gefahren. Ich bin davon überzeugt, dass Le Mans das schwierigste Rennen ist, das es überhaupt gibt", sagt der Audi-Sportchef. Eben deswegen sei die Formel 1 derzeit nicht auf dem Audi-Plan.
"Aktuell ist es für uns kein Thema", erteilt Ullrich der Königsklasse eine Absage. "Wir fahren in Le Mans genauso weit wie die Formel 1 in einem ganzen Jahr, wir machen das mit einer höheren Durchschnittsgeschwindigkeit als die Formel 1, und wir verbrauchen dabei deutlich weniger Kraftstoff. Das ist unsere Herausforderung." Ab dem kommenden Jahr bilden die 24 Stunden von Le Mans das Kernstück der neuen Langstrecken-Weltmeisterschaft.


