"Nicht ganz gleichberechtigt": Hatten die LMDh-Autos in Le Mans einen Nachteil?
Waren die LMDh-Boliden bei den 24h von Le Mans im Nachteil? Cadillac und Porsche kritisieren, dass sie vor allem beim Topspeed "nicht ganz gleichberechtigt" waren
(Motorsport-Total.com) - Bei den 24h von Le Mans 2024 (Rennbericht!) schaffte es kein LMDh-Bolide auf das Podium. Offenbar kein Zufall: Sowohl Cadillac als auch Porsche fühlten sich im Vergleich zu den LMH-Boliden im Nachteil. "Es ist kompliziert: Wir sind nicht ganz gleichberechtigt", kritisiert Porsche-Pilot Frederic Makowiecki.

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Cadillac und Porsche waren in Le Mans zu langsam Zoom
Der Franzose räumte nach dem Rennen gegenüber Motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network, ein, dass dem deutschen Hersteller "ein bisschen was fehlte, um mit Toyota und Ferrari mithalten zu können. Nicht viel, aber ein bisschen zu viel: Der Unterschied ist, dass [Ferrari] dich überholen kann, aber du kannst sie nicht überholen!"
Tatsächlich fiel im Rennen auf, dass Ferrari und Toyota auf der langen Hunaudieres-Geraden deutlich im Vorteil waren. Umso mehr erstaunt der Blick auf die Liste der Höchstgeschwindigkeiten, in der Felipe Nasr mit dem Porsche #4 (Jaminet/Nasr/Tandy) ganz oben steht: Der Brasilianer erreichte im Rennen eine Höchstgeschwindigkeit von 344,5 km/h - ebenso viel wie die beiden Toyota GR010 Hybrid!
Der Verdacht, dass der Porsche-Pilot in dieser Situation allerdings vom Windschatten eines Kontrahenten profitierte, zeigt sich spätestens bei der Betrachtung der durchschnittlichen Höchstgeschwindigkeit aus den Top-5-Werten im Rennen: Die beiden Toyotas erreichten in diesem Fall 342,6 km/h respektive 342,1 km/h, während die Höchstgeschwindigkeit des Porsche #4 nur noch bei 337,1 km/h liegt.

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Auch Ferrari zeigt sich in dieser Wertung mit 340,9 km/h (#83) beziehungsweise 340,6 km/h (#50) erstaunlich schnell. Nur der Ferrari #51 fällt mit 338,9 km/h aus der Reihe. Damit ist er sogar langsamer als der schnellste LMDh-Bolide, der Alpine #36, mit 339,1 km/h. Der schnellste Porsche 963 in Form des Jota-Porsche #12 erreichte immerhin 338,9 km/h, während der Cadillac #2 mit einem Durchschnitt von 336 km/h deutlich am langsamsten ist.
LMH-Boliden in allen Sektoren am schnellsten
Auch in den kurvigen Abschnitten der Strecke, dem ersten und dritten Sektor, gehörten die LMH-Boliden zu den schnellsten Autos - wenn auch nicht so deutlich! Jose Maria Lopez schnappte sich im Toyota #7 (Kobayashi/Lopez/de Vries) die Bestzeit im ersten Sektor: Der Argentinier brauchte 32,985 Sekunden. Zum Vergleich: Earl Bamber war im Cadillac #2 (Bamber/Lynn/Palou) nur 0,198 Sekunden langsamer.
Im dritten und letzten Sektor wurde es sogar noch knapper: Die Bestzeit ging hier zwar ebenfalls an einen LMH-Boliden, nämlich Allessandro Pier Guidi im Ferrari #51 (Pier Guidi/Calado/Giovinazzi), allerdings war der Italiener mit 1:35.364 Minuten nur 0,085 Sekunden schneller als Laurens Vanthoor im Porsche #6 (Estre/Lotterer/L. Vanthoor).
Auch Alex Palou lag im Cadillac V-Series.R lediglich 0,089 Sekunden hinter der Sektorbestzeit des Ferrari-Piloten. Die schnellste Runde sicherte sich am Ende Kamui Kobayashi im Toyota #7. Der Japaner umrundete den Circuit de la Sarthe am Sonntagvormittag in 3:28.756 Minuten, war damit allerdings nur 0,182 Sekunden schneller Alex Palou, der für seine schnellste Runde im Cadillac 3:28.938 Minuten benötigte.

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Cadillac war auf der Hunaudieres-Gerade viel zu langsam Zoom
Die schnellste Rundenzeit eines Porsche 963 ist mit 3:29.463 Minuten immerhin 0,707 Sekunden langsamer. Allerdings darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dass den allradgetrieben LMH-Boliden von Toyota, Ferrari und Peugeot das wechselhafte Wetter in die Karten spielte.
Hypercars profitieren vom wechselhaften Wetter
"Zu einem bestimmten Zeitpunkt sah es sehr gut aus, aber ich denke, dass Ferrari und Toyota bei allen Bedingungen einfach ein bisschen mehr Tempo hatten", zieht Cadillac-Pilot Alex Lynn gegenüber Motorsport.com ein deutliches Fazit.
"Das war letztlich der Unterschied. Zu bestimmten Zeitpunkten konnten wir mit ihnen mithalten, hatten aber nie etwas Zusätzliches", spielt Teamkollege Earl Bamber darauf an, dass die LMDh-Autos zwar auf Augenhöhe, niemals allerdings im Vorteil waren. "Außerdem waren sie immer sehr konkurrenzfähig."
"Ich denke, wir hatten gute Aussichten auf den dritten Platz, aber am Ende hatten wir eine schlechte letzte Stunde oder so, und das war's", so Bamber. "Die Hypercars sind mit dem Allradantrieb sehr stark, deshalb stehen sie auch alle auf dem Podium. Es ist schwer, dagegen anzukämpfen."
Tatsächlich führte Cadillac das Rennen am Sonntagvormittag zeitweise an, doch am Ende landete der Cadillac #2 (Bamber/Lynn/Palou) nur auf dem siebten Platz. Als der Regen in der Schlussphase noch einmal wiederkam und das Rennen nicht durch das Safety-Car eingebremst wurde, verloren die Amerikaner nicht nur den möglichen Sieg, sondern auch das Podium.
Cadillac kämpft mit Reifenproblemen
"Wir hatten mit den gemischten Bedingungen zu kämpfen", sagt Palou gegenüber Motorsport.com/Autosport. "Ich denke, wir waren gut im Nassen, gut im Trockenen, aber nicht gut bei gemischten Bedingungen. Wir müssen herausfinden, ob es an der Fahrzeugabstimmung, am Fahrstil oder an der BoP lag, die uns nicht geholfen hat, also weiß ich es im Moment nicht, aber es war sicher nicht ideal."
"Uns fehlte einfach die Pace. Wir konnten nicht schnell fahren", erzählt der Spanier über die Probleme in der Schlussphase. "Wenn wir es versucht haben und gepusht haben, haben wir die Reifen kaputt gemacht. Das Auto fühlte sich gut an, bis wir versuchten, die Pace der anderen mitzugehen, und dann verloren wir einfach eine Menge Grip."
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"Ich bin natürlich traurig, dass ich nicht um den Sieg kämpfen konnte", ärgert sich Palou. "Wir sahen wirklich gut aus, würde ich sagen, ab zehn Stunden vor Schluss. Und dann auch noch die letzten zwei Stunden. Wir hatten im Regen und bei gemischten Bedingungen mit dem Grip zu kämpfen. Es hat viel Spaß gemacht, wir hatten einige wirklich gute Stints, aber am Ende hatten wir nicht die Pace, die wir brauchten."
Cadillac hat "das Maximum herausgeholt"
"Wir hatten im Trockenen eine tolle Pace, aber im Nassen letztlich nicht die Pace", erinnert auch Bamber daran, dass eine trockene Schlussphase vielleicht noch Spannung in das Rennen gebracht hätte. "Das war es, was uns am Ende das Rennen gekostet hat. Wir waren auf jeden Fall konkurrenzfähig, das ist ein weiterer Schritt in Richtung des Ziels."
"Letztendlich denke ich, dass wir in diesem Rennen das Maximum herausgeholt haben", ergänzt Lynn. "Ich war wirklich stolz darauf, wie wir uns geschlagen haben. Ich glaube, wir hatten ein wirklich starkes Rennen. Es ging nur um Ferrari und Toyota im Besonderen. Natürlich weiß ich, dass wir von zwei Porsches geschlagen wurden, aber ich habe nicht das Gefühl, dass sie besser waren. Wir haben gegen sie verloren, aber Ferrari und Toyota waren besser."
Am Ende hatte Cadillac im Kampf um den Gesamtsieg allerdings nur noch ein heißes Eisen im Feuer: Der Cadillac #3 (Bourdais/van der Zande/Dixon) kämpfte nach 18 Stunden mit einem Ölleck, nachdem das Trio schon zuvor mit Strafen und Unfällen auffällig wurde. Auch der dritte Cadillac #311 (Derani/Aitken/Drugovich) verabschiedete sich am Sonntagvormittag nach einem Unfall aus der Spitzengruppe.


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