• 21.03.2011 18:11

  • von Roman Wittemeier

Nach der Sebring-Schlacht: Bitte mehr davon!

Kolumne: Redakteur Roman Wittemeier über die geniale Sebring-Show, das wichtige Oreca-Signal und den lauten Ruf nach einer Weltmeisterschaft

Liebe Freunde der Lichthupe,

Titel-Bild zur News: Marc Lieb, Patrick Long

Vor allem die GT-Autos haben mich im Sebring-Rennen total begeistert

selten ist es mir so leicht gefallen, die Nacht zum Tage zu machen. Das erste ILMC-Rennen des Jahres hatte alles, was ein vor Glück hüpfendes Motorsportherz braucht. Entschuldigung - es war ja auch gleichzeitig der Saisonauftakt der American-Le-Mans-Series (ALMS), was aber angesichts der vielen europäischen Starter fast in den Hintergund rückte. Dabei haben uns erst die Amis ein solches Spektakel ermöglicht.

"We love US Racing" - Diese Liebeserklärung hatten sich die späteren Gewinner von Oreca auf den Peugeot 908 HDi FAP lackiert. Die Franzosen wollten damit ursprünglich nur ihre Vorfreude auf die Rückkehr in die USA kundtun, gleichzeitig an die großen US-Erfolge mit der Oreca-Viper vor gut zehn Jahren erinnern. Dass diese Liebe auf Anhieb dermaßen erwidert würde, konnte niemand ahnen. Aber es tat gut - nicht nur den direkt Beteiligten.

Für die gesamte Prototypenszene war es ein gewaltiger Glücksfall, dass endlich mal wieder eine private Mannschaft eines der ganz großen Rennen gewinnen konnte. Ein Signal, das anderen Teamchefs gefallen dürfte. Aber Vorsicht: Man darf das Sebring-Rennen 2011 nicht überbewerten! Bei allem Respekt vor der Leistung von Oreca. Solch ein Resultat war nur in den USA möglich, und auch nur zum Saisonsart 2011.

Die Amerikaner haben eine etwas andere Art, den Rennsport durchzuführen. Die hohe Zahl der Gelbphasen hätte es beim gleichen Rennen auf einer europäischen Strecke niemals gegeben. Das ist US-Style. Die Amis setzten mit gelben Flaggen keine lokale Betäubung, sondern verpassen dem Rennen in solchen Fällen oft gleich eine Vollnarkose. Der Fan braucht seine Zeit für Bier, Burger und Barbecue. Die Autos rücken wieder eng zusammen.

Endlich ein Privatteam in großer Feierlaune: Oreca nach dem großen Sieg Zoom

Durch das häufige "Full Course Yellow" konnten sich die Werksteams in der Frühphase des Rennens nicht weit absetzen. Nur so hielten Oreca, Highcroft und Co. dermaßen lange den direkten Anschluss an die Spitze. Dass sich ein Audi nach Reifenschäden ins Mittefeld verabschiedet, der zweite ausgerechnet mit einem neuen Peugeot kollidiert, hat den "Kleinen" natürlich ebenfalls in die Karten gespielt.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe allergrößten Respekt vor den Leistungen von Oreca und Highcroft. Die Teams, Autos und Piloten waren in absoluter Topform. Aber sie haben auch vom Pech der Werke profitiert. Hinzu kommt, dass Ingolstadt den neuen R18 noch nicht ins Rennen schickte, Peugeot mit dem aktuellen 908 noch längst nicht dort ist, wo man sich selber gern sehen würde.

Offen gesagt, sehe ich auch Peugeot als großen Gewinner von Sebring. Nach den Meldungen über die fürchterlichen Testcrashs von Marc Gene und Nicolas Minassian war die Stimmung bei den Franzosen offenbar komplett am Boden. Dass der Neuwagen nun sogar den zwölfstündigen Rüttelflug über die Sebring-Landebahnen überstanden hat, ist eine sehr positive Überraschung. Ob der neue Audi R18 diese Tortur überstanden hätte?

Rennen unter amerikanischer Flagge laufen anders als in Europa Zoom

Nun zur grandiosen GTE-Szene. Rund um die Uhr haben sich BMW, Ferrari, Porsche und Corvette dermaßen Druck gemacht, es war Freude pur! Jedes Auto hatte von jedem anderen Hersteller Spuren am Lack. So muss es sein. Die Schlacht in der GTE-Klasse bot in diesem einen einzigen Rennen schon mehr filmreifen Stoff als manch andere Serie für die Saisonzusammenfassung am Ende eines Jahres. Es war ein zwölfstündiges Highlight ohne Atempausen.

Warum funktioniert das so prächtig? Einerseits muss man an dieser Stelle mal die Damen und Herren vom ACO loben, die eine offenbar perfekte Einstufung hinbekommen haben. Andererseits kommt diese Leistungsdichte aber erst dadurch zustande, weil sich sechs Hersteller klipp und klar zum neuen ILMC bekennen und entsprechend unbändigen Siegeswillen auf der Weltbühne entwickeln. Man begegnet sich mit scharf geschliffen Klingen absolut auf Augenhöhe.

"Wir sind auf einem guten Weg. Der ILMC sollte gesund und langsam weiter wachsen", meint Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich vorsichtig. Einige Amtskollegen sind da schon deutlich offensiver. "Eine WM ist das Ziel", sagt Peugeot-Rennleiter Olivier Quesnel klipp und klar. Oreca-Boss Hugues de Chaunac setzt noch einen drauf: "Wir müssen den Weltmeisterschafts-Status bekommen. Es geht gar nicht anders." Schönen Gruß an die FIA. 2012 wäre ein schöner Termin für den Neustart einer Sportwagen-WM - genau 20 Jahre nachdem der Vorgänger eingestellt wurde.

Die zwölf Stunden vor dem Sebring-Livestream vergingen wie im Fluge Zoom

So viel zu den fantastischen, unterhaltsamen und erstklassigen Vorgängen in Sebring und den (hoffentlich) guten Aussichten für die Zukunft. Aber man darf auch die negativen Seiten aus Sebring nicht unter den Teppich kehren. Der ACO hat nicht überall bezüglich der Einstufungen so gute Arbeit geleistet wie bei den GT-Autos.

Es kann doch nicht sein, dass die neuen LMP2-Autos kaum Chancen gegen die Einheitsfahrzeuge der LMPC-Klasse (in Europa FLM-Klasse) haben. Nur der Oreca-Nissan konnte die Protoypen-Einsteigerklasse unter Kontrolle halten. Sogar die brandneuen Lola-HPD hechelten den LMPC-Autos hinterher. Aus dem Lager der LMP2-Klasse war zudem zu hören, dass es an Topspeed fehlt. Komisch, wenn ein GT-Auto zu Beginn einer Geraden zum Überholen ansetzt...

Der Oreca-Erfolg und das gute Ergebnis von Highcroft könnten den Eindruck von Chancengleichheit in der LMP1 erwecken. Das ist schlichtweg falsch. Die frühe Rennphase hat eindeutig gezeigt, dass die Dieselbomber aus Frankreich und Deutschland immer noch allen davonjagen. In gewissem Maße muss das auch so sein. Audi und Peugeot betreiben deutlich höheren Aufwand als die privaten Mannschaften es sich jemals leisten könnten. Natürlich müssen die Werke schneller sein - alles andere wäre nicht normal.

Das Aufgebot: Ein solch buntes Starterfeld sieht man nur im neuen ILMC Zoom

Mal zur Einordnung der Kräfteverhältnisse: Im Qualifying 2011 in Sebring war der Abstand zwischen dem besten Diesel (Peugeot) und dem besten Benziner (Aston Martin) bei über drei Sekunden. Im Vorjahr an gleicher Stelle hatte der Abstand zwischen Diesel und Benziner in der Zeitenjagd an gleicher Stelle nur 0,865 Sekunden betragen. Die Distanz könnte möglicherweise also sogar größer geworden sein!

Überträgt man diese Werte mal auf Le Mans, dann würde sich ein unglaubliches Loch zwischen den Antriebskonzepten auftun. Die 0,865 Sekunden Distanz zwischen Peugeot und Aston Martin von Sebring 2010 wuchsen sich im Le-Mans-Rennen zu satten 4,7 Sekunden aus - also mal locker Faktor fünf. Ist dieser Faktor auch 2011 noch gültig, dann würde der Abstand zwischen Peugeot und Aston Martin nun bei 15 Sekunden liegen - pro Runde!

Okay, ich male gerade ein echtes Horrorszenario. Lasst uns den Vortest in Le Mans abwarten und auch den ILMC-Lauf in Spa-Francorchamps. Vielleicht hat Aston Martin mit dem neuen AMR-One ja eine regelrechte Benzinergranate gebaut. Vorstellten kann ich es mir allerdings nicht, denn deren Konzept (Reihen-Sechszylinder-Turbo, Abkehr vom Coupé) habe ich bis heute nicht verstanden. Hoffen wir das Beste für Stefan Mücke und Co.

Ich wünsche viel Gas im Fuß,

Roman Wittemeier

ADAC GT MASTERS LIVE

ADAC GT Masters im TV

Nächstes Event

Zandvoort

7. - 9. Juni

Qualifying 1 Sa. 09:15 Uhr
Rennen 1 Sa. 15:15 Uhr
Qualifying 2 So. 09:15 Uhr
Rennen 2 So. 15:15 Uhr

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Instagram

Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt

Eigene Webseite?

Kostenlose News-Schlagzeilen und Fotos für Ihre Webseite! Jetzt blitzschnell an Ihr Layout anpassen und installieren!