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Le-Mans-Vortest: Teamchef-Quartett bezieht Stellung
Die Streichung des Vortests in Le Mans: Wer spart? Wer profitiert? Wie sollen sich Piloten qualifizieren? Vier prominente Teamchefs antworten
(Motorsport-Total.com) - Mit der Streichung des Vortests in Le Mans hat der Veranstalter ACO für viel Stirnrunzeln gesorgt. Vielen Teams wird die einzige Testmöglichkeit auf der Stecke vor dem Rennwochenende an der Sarthe fehlen. Zwar spart man Kosten für Streckensicherung, Reifen, Benzin, Hotels und viele weitere Dinge, aber auf der anderen Seite bleiben auch viele Fragen. Auch über den Weg zu dieser Entscheidung wird gerätselt.

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Auch 2009 starten wieder 55 Fahrzeuge bei den 24 Stunden von Le Mans
Wie sollen die Teams ihre Fahrzeuge für die Besonderheiten der Strecke in Le Mans abstimmen? Wie sollen sich Fahrer qualifizieren, die ihre Le-Mans-Tauglichkeit bisher mit zehn schnellen Runden am Stück beim Vortest beweisen mussten? Und wie ist der ACO überhaupt zur Entscheidung der Streichung des wichtigen Probelaufes gekommen? Diese Fragen beantworten die Rennleiter von Audi (Wolfgang Ullrich), Peugeot (Olivier Quesnel), Aston Martin (George Howard-Chappell) und Pescarolo (Henri Pescarolo) im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com'.#w1#
Frage: "Was halten Sie grundsätzlich von der Abschaffung des Le-Mans-Vortests?"
Ullrich: "Ich finde, dass die Abschaffung des Le-Mans-Vortests im Angesicht der ökonomischen Situation eine angepasste Maßnahme und damit eine gute Lösung ist. Selbstverständlich bedeutet es besonders für Teams mit neuen Autos eine Konzentration der Rennvorbereitung auf die Qualifying-Sitzungen."
Howard-Chappell: "Ich sehe das zwiespältig. Auf der einen Seite kann ich durchaus verstehen, dass der ACO damit die Kosten senken möchte, aber auf der anderen Seite wird der Job für Teams und Fahrer dadurch ungleich schwieriger. Aber immerhin trifft es ja alle gleich."
Quesnel: "Wir bedauern die Streichung des Vortests sehr. Es war die einzige Gelegenheit, die Autos auf dieser doch sehr speziellen Strecke zu testen. So etwas kann man kaum andernorts simulieren."
Pescarolo: "Der Vortest war früher viel besser und wichtiger, als er noch im April stattfand. Da hat er richtig etwas gebracht. Man konnte nach dem Test noch viele Dinge ändern, und auch die Reifenhersteller hatten eine viel bessere Vorbereitung. Als der Vortest im Juni war, so wie im vergangenen Jahr, blieb leider kaum Zeit für Änderungen. Es war einfach zu nah am Rennen. So gesehen ist die Streichung zwar nicht gut, aber okay."
Spart man an der richtigen Stelle?
Frage: "Wird die Streichung des Testtages tatsächlich erheblich Geld sparen?"
Ullrich: "Wir gehen davon aus, dass durch die Streichung erheblich Geld eingespart wird. Für alle Teams entfällt damit ein komplettes Wochenende mit Reise- und Transportkosten für Mannschaft und Material sowie Materialkosten für die reduzierte Laufzeit."
Pescarolo: "Für uns war das natürlich mit den Reisekosten nur halb so schlimm. Aber für viele andere Teams war es wirklich teuer, weil die eigentlich gleich drei Wochen am Stück in Le Mans bleiben mussten."
Howard-Chappell: "Sicherlich sind die Einsparungen durch weniger Reisen, Hotelkosten, Reifen, Motorenlaufzeit und andere Dinge signifikant."
Quesnel: "Man spart gar nichts. Nun muss man woanders eine Testsession organisieren. Wir bekommen zum Beispiel ganz neue Reifen von Michelin. Die müssen doch auf einer Highspeed-Strecke getestet werden. Das kostet viel Geld."
Nur Audi hat es vorher gewusst
Frage: "Es heißt, die Veranstalter hätten vor ihrer Entscheidung mit allen Teams gesprochen. Sind Sie tatsächlich in diese Entscheidung des ACO mit einbezogen gewesen?"
Quesnel: "Niemals!"
Howard-Chappell: "Nein, mich haben sie nicht gefragt."
Pescarolo: "Ich habe erst aus der Zeitung davon erfahren..."
Ullrich: "Diese Entscheidung wurde mit dem ACO in ausführlichen Telefonaten in einer frühen Vorentscheidungsphase besprochen. Das gemeinsame Ziel war dabei die Kostensenkung. Ich kann somit sagen, dass ich aktiv einbezogen war."
Frage: "Wie sehr wird ihnen dieser Vortest als Testtag im Rahmen der Vorbereitung fehlen?"
Ullrich: "Ganz klar ist: Jeder Testtag fehlt. Aber wir versuchen alle Kosten zu sparen, und daher denke ich trotzdem, dass es eine gute Lösung war, sich für die Streichung des Testtags zu entscheiden. Die Bedingungen sind für alle gleich."
Howard-Chappell: "Er wird uns sehr fehlen. Wir haben in diesem Jahr ein Auto mit einem ganz neuen Aerodynamik-Paket. Das Setup wird auf diesem Weg nun sehr schwierig für uns."
Pescarolo: "Für uns macht das keinen allzu großen Unterschied. Aber für die Reifenhersteller ganz bestimmt schon."
Quesnel: "Es war die einzige Testmöglichkeit in Le Mans..."
Beginnt einen Tag vor dem Rennen die Fahrersuche?

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Henri Pescarolo klagt seit zwei Jahren über das Ungleichgewicht in der LMP1 Zoom
Frage: "Bisher konnten sich Fahrer immer beim Vortest für das Le-Mans-Wochenende qualifizieren. Sie mussten zehn Runden im Renntempo absolvieren und bekamen dann ihre Starterlaubnis - zum Beispiel Alexander Wurz war im vergangenen Jahr solch ein Kandidat. Könnten Teams, deren Fahrer sich qualifizieren müssen, nun arge Probleme bekommen? Wenn sie es direkt vor dem Wochenende tun und dann scheitern, steht das Team ohne Fahrer da..."
Quesnel: "Das wird bestimmt für alle Piloten, die noch nie an der Sarthe waren, ein echtes Problem."
Pescarolo: "Das ist in erster Linie ein Problem des ACO. Soweit ich weiß, ist bis heute noch nicht klar, wie sich die Piloten für die Teilnahme am Rennwochenende qualifizieren sollen. Die müssen sich langsam mal überlegen, was im Falle eines Falles passieren soll. Die Teams können sich doch nicht am Donnerstag oder Freitag einen neuen Fahrer holen, der schon automatisch qualifiziert ist."
Howard-Chappell: "Das wird für Teams, deren Fahrer zum ersten mal in Le Mans fahren sollen, ein riesiges Problem. Ich bin nicht sicher, ob die Regeln mit den Qualifikationsrunden so aufrecht erhalten werden können."
Ullrich: "Alles, was Vorteile bedeutet, ist immer auch in gewisser Weise an anderer Stelle ein Nachteil. Ich denke, dass das Risiko, kurzfristig einen Ersatzfahrer verpflichten zu müssen, im Verhältnis zum Kosteneinsparungspotenzial des entfallenen Pretests überschaubar ist."

