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Le-Mans-Sieger Earl Bamber: "Ich schlief nur noch im Overall"
Warum der Titelverteidiger mit lachendem und weinendem Auge in der GTE-Pro-Klasse fährt, Autos in Le Mans tanzen und was alles mit der Autobahn zu tun hat
(Motorsport-Total.com) - Er war ein Megatalent, dann abgeschrieben und kam wie Phoenix aus der Asche zurück auf die Weltbühne des Motorsports: Earl Bamber. Bei dem 24 Stunden von Le Mans am kommenden Wochenende wird er seinen Gesamtsieg in der LMP1-Klasse nicht verteidigen, sondern in einem Porsche 911 RSR mit Jörg Bergmeister und Frederic Makowiecki in der GTE-Pro-Klasse antreten.

© Porsche
Earl Bamber: Ein stolzer "Kiwi", dessen motorsportliche Liebe Le Mans ist Zoom
Der 25-jährige Neuseeländer hatte das Ende seiner Laufbahn bereits vor Augen, als er mit einer Werksförderung der Zuffenhausener über den Carrera-Cup Asien und den Supercup das Comeback schaffte. Mit dem Gesamtsieg an der Sarthe im vergangenen Jahr - im Porsche 919 Hybrid an der Seite Nick Tandys und Nico Hülkenbergs - feierte er den größten Erfolg seiner Karriere. Mit 'Motorsport-Total.com' hat Bamber über zurückliegende und künftige Herausforderungen gesprochen.
Frage: "Earl, wie war es, als du kürzlich erfahren hast, dass du deinen LMP1-Titel nicht wirst verteidigen können?"
Earl Bamber: "Schwierig. Glücklich waren wir darüber nicht. Hoffentlich kommt die Chance eines Tages wieder. Wir mögen zwar kein LMP1-Auto für Le Mans bekommen haben, letztlich sind wir aber doch in einem GT-Werksprojekt gelandet. Tausende Rennfahrer warten auf diese Chance. Wir sind nicht gefeuert worden und noch immer bei Porsche zu Hause. Gewissermaßen wurden wir also an die GT-Szene ausgeliehen."
50 Jahre nach Chris Amon und Bruce McLaren
Frage: "Sicher willst du auch bei den GTs in Le Mans gewinnen. Welche Chancen rechnest du dir aus?"
Bamber: "Das weiß ich bis zum Rennstart nicht. Unser Paket ist besser als im vergangenen Jahr und wir haben das Auto verbessert. Es ist zuverlässiger. Mit den Reifen haben wir mehr Grip, insgesamt sind wir in Le Mans drei Sekunden pro Runde schneller. Ford und Ferrari hatten in Daytona Probleme, aber Ford und die Corvette werden stark sein. Auch Aston Martin. Es ist alles offen. Wahrscheinlich liegt das Feld innerhalb von wenigen Sekunden. Die Klasse ist vielleicht die sehenswerteste: nur Profirennfahrer und ein langer Zug von Autos."
Frage: "Du musst auch wieder mehr in den Rückspiegel schauen."
Bamber: (lacht) "Wenn man ihn hochklappt, kracht man in ein LMP1-Auto. Aber stimmt schon, als größter Fisch im Becken schaut man nicht nach hinten."
Frage: "Vor 50 Jahren haben Chris Amon und Bruce McLaren in Le Mans gewonnen - zwei Neuseeländer. Was bedeutet dir das?"
Bamber: "Ich kenne Chris gut. Er kommt aus einer Stadt unweit des Ortes, in dem ich aufgewachsen bin. Es ist auch etwas Besonderes, dass Ford deshalb zurückgekommen ist. Ich freue mich darauf, gegen Scott Dixon zu fahren. Als ich aufgewachsen bin, habe ich ihn im Fernsehen IndyCar fahren sehen. Einer der großen 'Kiwis', er war für mich ein Held. Und Brendon Hartley kämpft ja auch noch um den Platz ganz oben auf dem Podium."
Frage: "Du kannst den Ausdruck 'Steve-McQueen-Feeling' wahrscheinlich schon nicht mehr hören. Was ist aus Rennfahrersicht das Besondere an Le Mans?"
Bamber: "Le Mans ist immer etwas Besonderes - schon, als ich zum ersten Mal mit dem Cup-Auto dort war. Wenn du aus Tetre Rouge herausfährst, merkst du es. Erst bist du auf einer normalen Rennstrecke, dann auf einer öffentlichen Straße. Das wissen die meisten nicht. Viele Leute sagen: 'Lass' und dort eine Runde fahren.' Aber das geht doch nicht! Wenn das Auto läuft, tanzt es einfach. Man muss es nicht fahren, es scheint alles von alleine zu passieren. Man kann drei Stunden am Stück und länger fahren, was man sonst nie tut. Stell dir mal vor, du fährst zweimal einen Grand Prix und machst das Gleiche sechs Stunden später erneut...."
Langstreckensport als Teamherausforderung
Frage: "Schläfst du während eines 24-Stunden-Rennens eigentlich?"
Bamber: "Nein, nicht wirklich. Im vergangenen Jahr habe ich 40 Minuten lang die Augen zugemacht. Damals haben wir die Pläne spontan ändern müssen. Ich stand noch vor dem Monitor und habe mir Telemetriedaten angesehen. Niemand sagte mir, ich müsste mich vorbereiten. Dann musste ich raufrennen, mich in Windeseile umziehen und ich als wieder unten war, stand das Auto schon vor der Box. Danach hätte ich lieber direkt im Overall geschlafen. Mittlerweile sollte ich aber etwas entspannter sein."

© xpbimages.com
Porsches Le-Mans-Sieg 2015 war für Bamber das Highlight seiner Karriere Zoom
Frage: "Als Rennfahrer lernst du, dass es dein erstes Ziel sein muss, den Teamkollegen zu schlagen. Wie ändert sich, wenn du dir das Auto plötzlich mit zwei Jungs teilen musst?"
Bamber: "Man will sich helfen, aber noch immer der Beste sein. Als Pilot hat man Stärken und Schwächen. Wenn sie sich in einem Team aufheben und ergänzen, ist das perfekt für die Truppe. Dann hat man einen Spezialisten für jedes Szenario. Mit Nico Hülkenberg hat das prima geklappt, weil Nick Tandy und ich aus dem GT-Sport kamen. Er hatte Ideen, an die wir nicht gedacht hätten - und andersrum."
Frage: "Ihr seid schnell gefahren und Nico hat die Reifen geschont?"
Bamber: (lacht) "Er war wirklich gut darin! Er ist einer der Besten, wenn es darum geht, schnell zu fahren, ohne die Reifen übermäßig zu strapazieren. Auf dem Longrun ist er kaum zu schlagen."
Frage: "Du hast in deiner Karriere weniger rosige Zeiten erlebt - als es im Monopostosport für dich plötzlich nicht mehr weiterging. Hattest du einen Plan B für deine berufliche Laufbahn?"
Bamber: "Als ich zwei Jahre lang nicht gefahren bin, habe ich als Kommentator gearbeitet und auch als Fahrercoach. Ich war sogar ein bisschen Teammanager. Das hat mir geholfen. Ich habe verstanden, wie eine Rennsport-Mannschaft funktioniert. Das entgeht dir als Pilot manchmal. Es war auch interessant und lehrreich, mit einigen guten Journalisten zusammenzuarbeiten. Ich wollte aber immer Rennfahrer sein."
Schwierige Zeiten lassen Bamber mehr genießen
"Außerhalb der Werksprogramme mag es nicht einfach sein, aber der GT-Sport bietet noch immer gute Chancen. Im Moment gibt es auch nicht viele Piloten, die keinen Platz bei einem Hersteller haben, ihn aber verdienen würden. In der Szene ist so viel los."
Frage: "Genießt du den Motorsport aufgrund deiner Vergangenheit mehr? Weißt du deine Chance eher zu würdigen?"
Bamber: "Ganz sicher. Ich hasse es, zu verlieren. Ich habe mit den Messer zwischen den Zähnen dafür gekämpft, weitermachen zu können. Es gibt viele Junioren, die uns im Genick sitzen."
Frage: "Dein Aufstieg kam wie Phoenix aus der Asche: Bei deinem ersten LMP1-Test in Abu Dhabi bist du sofort schnell gewesen. Wie hast du das hinbekommen?"
Bamber: "Ich bleibe bei diesen Dingen immer cool. Schlussendlich ist es auch nur ein anderes Rennauto, das den selben Grundprinzipien folgt - ein Auto ist ein Auto! Auch wenn da 150 Leute drumherum wuseln. Du hast einen Wagen, deine Ingenieure und deine Mechaniker. Dann musst du alles aus dem Auto herausholen. Natürlich ist alles ziemlich teuer und wenn man einen kleinen Fehler macht... nicht so gut. Aber wenn man darüber nachdenkt, ist man nie schnell. Ich bin das Auto also gefahren wie einen Cup-Porsche."
Frage: "Hast du dich sofort auf den 919 Hybrid eingeschossen? War das Auto wie für dich gemacht?"
Bamber: "Ich bin an Autos mit viel Abtrieb gewöhnt. Aber der LMP1 ist eine gute Mischung aus einem Monoposto und einem GT-Auto. Trotz viel Abtrieb geht das Auto nicht so gut durch die Kurven, weil es ziemlich schwer und nicht so agil ist. Mit neun Fahrer in drei Autos war alles wie im Supercup. Alle hatten das gleiche Auto und wollten schneller werden. Natürlich war es irgendwo auch wieder ganz anders."

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Earl Bamber im Gespräch mit Dominik Sharaf von 'Motorsport-Total.com' Zoom
"Es war witzig, als ein neuer Ingenieur, der zusammen mit mir zum Team gestoßen war, gefragt hat: 'Welche Erfahrung hast du mit Hybridautos?' Ich antwortete: 'Keine Ahnung, ich bin immer Cup-Autos gefahren.' Er fragte verdutzt: 'Warum lässt denn Porsche einen Cup-Fahrer testen?' Aber das Prinzip mit Trainern wie Sascha (Maassen; Anm. d. Red.) funktioniert. Es ist gut, dass man so eine Chance bekommt, wenn man sich gut anstellt. Porsche könnte schließlich fast jeden haben."
Frage: "Viele Fahrer sagen, es sie das Schwierigste am LMP1-Geschäft, das ständige Überholen zu lernen. Wie hast du das hinbekommen?"
Bamber: "Es hängt wirklich viel davon ab, wie viele Autos vor dir sind und wer sie fährt. Manchmal sitzt ein Profi hinter dem Steuer, manchmal ein Amateur. Beide reagieren unterschiedlich. Es hilft, wenn man vorher selbst GT gefahren ist, weil man weiß, wie stark das GT-Auto in den Kurven ist. Man verliert nicht so viel Zeit, wenn man dahinter bleibt, sauber bremst und dann beim Beschleunigen vorbeigeht. Manchmal sieht man, wie Fahrer sich auf Biegen und Brechen innen vorbeibremsen, um dann in der Kurve fünf Sekunden zu verlieren."

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Wenn es in Le Mans kracht, sind oft langsame GT-Fahrzeuge der Auslöser Zoom
Frage: "Denkst du darüber nach, wie ein Fahrer in einem langsameren Auto reagieren könnte und was du dann tun könntest?"
Bamber: "Bei allen Überholmanövern gilt: Auf der Innenseite bist du am sichersten. Außen läufst du Gefahr, wenn sie einen Fehler machen. Im späteren Rennverlauf willst du wegen des Gummiabriebs auch nicht zu weit von der Ideallinie weg. Ich versuche, extrem vorausschauend zu fahren und lieber Sprit zu sparen, wenn ich nicht ohne viel Zeitverlust vorbeikomme. Wie auf der Autobahn: Wenn der Vordermann die Spur verlässt, bleibt man auf dem Gas und kommt gut vorbei. Wenn man dicht auffährt und hinter dem Steuer brüllt, tritt er auf die Bremse und du musst auch bremsen."
Frage: "Als du Werksfahrer geworden bist, sollst du in einem Punkt einige Defizite gehabt haben - sagt zumindest Sascha Maassen. Weißt du, was?"
Bamber: (lacht) "Dass sich so viel im Funk gebrüllt habe?"
Frage: "Nein, deine Fitness!"
Bamber: "Im Werksprogramm musste ich meine Fitness wirklich verbessern, habe für die GT-Autos abgenommen und war für die LMP1 auf gutem Level. Vorher bin ich fast drei Jahre keine Rennen gefahren und war ein dicker, glücklicher GT-Fahrer. Ich hatte aber zwei üble Verletzungen: eine Nervenverletzung am Bein, dann habe ich mir die Kniescheibe gebrochen."

