• 31.05.2011 13:10

  • von Pit Lane

Le Mans: Platzt noch eine Bombe?

Kolumnist Pit Lane über die neuen Einstufungen des ACO und das Versteckspiel der Hersteller: "Sandbagging at its best!"

Liebe Freunde des Dunlop-Bogens,

Titel-Bild zur News:

Der Countdown läuft: Am Wochenende beginnen die tollen Le-Mans-Tage

ich sitze gerade im Flieger in Richtung München, muss mich zuerst noch von der netten Party nach dem fantastischen Indy 500 erholen. Nach der Zieldurchfahrt gab es hier reichlich Kaltgetränke. Die Amis haben nach dem Pech von J.R. Hildebrand Frustsaufen gemacht, wir Brits haben unseren Landsmann Dan Wheldon gebührend als Champion gefeiert. Well done, Mate! Mehr zum Indy-Drama gibt es demnächst.

Mein Kopf schmerzt aber nicht nur wegen der etwas feucht-fröhlichen Party mit Dan. In einer Woche stehen schon die technischen Abnahmen der Autos für die 24 Stunden von Le Mans an. Wie ich durch meine besten Quellen an der Sarthe gehört habe, könnte es da noch jede Menge Stress geben. Die neuen Einstufungen des ACO sind echtes Dynamit!

Es gibt reichlich Ungereimtheiten. Erst einmal der Zeitpunkt. Die gesamten Abläufe rund um das ILMC-Rennen in Spa-Francorchamps stinken doch zum Himmel. Die ACO-Herren haben nämlich schon vor dem Rennen über neue Anpassungen gesprochen. Dabei waren vor Spa die Bedingungen für neue Einstufungen überhaupt nicht erfüllt.

Als Peugeot als Doppelsieger über die belgische Ziellinie gefahren war, haben die Franzosen zuerst gehandelt und dann nachgedacht. Es folgte die prompte Ankündigung von neuen Einstufungen, ohne überhaupt zu prüfen, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Wie sich später herausstellte, waren sie es nämlich nicht.

Im Reglement steht, dass solche Anpassungen nur dann möglich sind, wenn der Leistungsunterschied der verschiedenen Antriebskonzepte bei zwei aufeinanderfolgenden Rennen zwei Prozent oder mehr beträgt. Das war in Sebring im Vergleich zwischen dem neuen Diesel-Peugeot und dem neuen HPD-Benziner nicht so, und auch in Spa war es nicht der Fall. Dort gab es keinen Vergleich, denn es war kein neuer Benziner am Start.

¿pbvin|64|3722||0|1pb¿Aber: Necessity is the Mother of Invention, wie wir sagen - Not macht erfinderisch. Der ACO hat sich noch einmal durch die Tiefen des eigenen Regelwerks gegraben und dabei zwei interessante Ansätze entdeckt. Erstens haben die Franzosen Zugriff auf alle Daten, die neuerdings per Standard-Blackbox aufgezeichnet werden, und zweitens dürfen sie dazwischenhauen, wenn die Teilnehmer bluffen.

Und genau das ist passiert. Sandbagging nennen wir das. Audi und Peugeot haben das wohl vor allem in Spa intensiv betrieben. Beide Dieselflundern sind - so höre ich aus dem Le-Mans-Umfeld - mit angezogener Handbrese unterwegs gewesen. Eine Analyse des ACO hat dann aber anhand von Beschleunigungswerten, Sektorzeiten und Kurvenspeed nachgewiesen, dass die Werksautos schneller hätten fahren können. Verzockt!

Aufgrund dieses Verdachts sind die Diesel jetzt eingebremst worden. Nicht über Ladedruck, Gewicht oder Restriktoren, sondern über die Durchflussmenge beim Tanken. Klar, man will Audi und Peugeot nicht komplett vergraulen. Der Mechaniker an der Tankkanne wird beim Rennen schneller eine Tasse heißen Earl Grey in den Hals bekommen als Treibstoff in den LMP1-Tank.

Aber die Diesel-Heads aus Deutschland und Frankreich sollen sich nicht beschweren. Immerhin erspart ihnen der ACO tiefe technische Eingriffe so kurz vor dem Highlight des Jahres. Eine Verringerung des Ladedrucks hätte die Herren aus Velizy und Ingolstadt sicherlich sofort auf die Barrikaden getrieben. So bleibt es eher ruhig - nach außen hin jedenfalls im Moment noch.

Völlig zurect: Auch 2011 stehen die Diesel in Le Mans in der ersten Reihe Zoom

Im Hintergrund brodelt es aber schon wieder heftig. Audi und Peugeot wollen die veränderten Einstufungen nicht hinnehmen. Nach Meinung der Werke sind die Voraussetzungen dafür nämlich nicht erfüllt. Man unterstellt dem ACO einen Formfehler bei den jüngsten Anpassungen. Das kann heiter werden, wenn am kommenden Sonntag die technische Abnahme in der Innenstadt von Le Mans losgeht.

Beide Seiten müssen sich Fragen gefallen lassen. Haben Audi und Peugeot die Szene mit absichtlich langsamerer Fahrt tatsächlich getäuscht? Warum bremst der ACO nicht die Fahrzeuge, sondern den Dieseldurchfluss beim Tanken? Hochgerechnet auf die 24 Stunden werden die Diesel für vier bis fünf zusätzliche Runden an die Box gefesselt. Was soll das?

Mein alter Kumpel Henri Pescarolo hat es vorgerechnet: Sein Team gewinnt durch den größeren Restriktor am Judd 18 Pferde, was ungefähr 0,9 Sekunden pro Le-Mans-Runde ausmacht. Der Tankvorgang wird um zehn Sekunden beschleunigt, das macht umgerechnet noch einmal 0,8 Sekunden pro Runde aus. Diesel tanken langsamer, verlieren so 0,8 Sekunden im Schnitt.

Pit Lane

Was sich der ACO bei den Einstufungen denkt, bleibt mir ein Rätsel Zoom

Das alles zusammen ergibt eine Anpassung um 2,5 Sekunden zugunsten der Benziner - zumindest im Fall von Pescarolo-Judd. Bei OAK rechnet man sogar nur mit zwei Sekunden. Wenn man nun sieht, dass der Abstand bei den Vortests bei fast zehn Sekunden lag, dann hat sich doch fast gar nichts am Kräfteverhältnis geändert.

Die Rundenzeiten waren schon beim Vortest erschreckend schnell. Aus dem Stand - und vielleicht mit angezogener Handbremse - sind Audi und Peugeot Rundenzeiten von 3:27 Minuten gefahren. Im Qualifying wird es bei guten Bedingungen sicherlich noch deutlich schneller. Die erwartete Marke von 3:30 Minuten wird also deutlich unterschritten.

Der ACO hatte aus Sicherheitsgründen diesem Ziel höchste Priorität eingeräumt. Die Unfälle von Marc Gene und Nicolas Minassian bei Tests oder auch der Crash von Matthieu Lahaye in Spa haben gezeigt, dass die LMP1-Autos am Limit sind. Niemand sollte mehr Zeiten unter dreieinhalb Minuten fahren können. Failed, ACO!

C'est la vie,


Pit Lane

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