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Kolumne zur LMDh-Euphorie: Wie berechtigt ist die Hoffnung?

Porsche, Ferrari, Mazda, sogar Audi: Das Interesse an der LMDh-Kategorie ist groß - Dabei sollte man aber nicht zu früh in Euphorie verfallen, warnt Heiko Stritzke

Titel-Bild zur News: Alexander Rossi, Filipe Albuquerque, Mike Conway, Felipe Nasr

Der DPi-Nachfolger LMDh verspricht große Bühne zum kleinen Preis Zoom

(Motorsport-Total.com) - Liebe Freunde der Le-Mans-Discount-Kategorie (man verzeihe mir diese freie Interpretation von "LMD"),

trotz COVID-19 ist die Le-Mans-Szene seit Januar in hellem Aufruhr. Die Ankündigung der LMDh-Kategorie (LMD = "Le Mans Daytona"; h ist noch nicht definiert, möglicherweise "Hybrid") hat zahlreiche Motorsportbosse verzückt und die Fantasie vieler Fans beflügelt.

Dennoch sollten wir vorsichtig sein. Ob sich Le Mans 1999 (mit sechs Herstellern) wiederholt, ist derzeit völlig offen. Ich möchte hier einen realistischen Blick auf die LMDh-Situation geben.

Seit Ankündigung der LMDh-Formel im Januar haben sich natürlich mehrere Journalisten-Kollegen auf die Jagd nach den unterschiedlichsten Herstellern gemacht, um Statements von Herstellern einzusammeln und wenn möglich spektakulär zu verkaufen.

Positiv äußerten sich in den vergangenen Wochen auch andere Hersteller: Ferrari, Alpine, Audi, Mazda, alle weiteren IMSA-Hersteller, nochmal Ferrari. Und auch einzelne Teams. Da wird "Interesse" bekundet, es werden "Boxen abgehakt", es ist von einer "guten Gelegenheit" die Rede.

Die neueste Nachricht: Porsche nimmt die "formelle Prüfung" einer LMDh-Teilnahme vor. Immerhin: Das ist nun schon einmal einen Schritt weiter als sämtliche netten Beteuerungen einen Absatz weiter oben.

Neel Jani, Nick Tandy

Porsche ist schon einen Schritt weiter, doch eine formelle Prüfung heißt nicht Einstieg Zoom

Allerdings sollte man derzeit noch nicht zu viel da rein interpretieren, auch wenn Porsche mit seiner Le-Mans-Tradition schon einer der wahrscheinlicheren Kandidaten wäre und sich hinter den Kulissen für die LMDh stark gemacht haben soll.

Nicht zu prüfen, wäre dumm

Es wäre dumm, ein Engagement in einer neuen Motorsport-Kategorie nicht zumindest einmal zu "prüfen", "evaluieren" oder sich nicht zumindest einmal lobend zu äußern. Schließlich prüfen Unternehmen ständig - auch in Coronazeiten. In jüngerer Zeit war die Formel E das große Anlaufbecken für Hersteller.

Dieses Engagements schön und gut, doch es gibt Schönheitsfehler: Erstens wird auch die Elektroformelserie immer teurer, zweitens ist die Euphorie von reinen E-Autos als einfacher Lösung für saubere Mobilität von vor ein paar Jahren verflogen, und drittens kann die Formel E derzeit nichts anbieten, was irgendwo auch nur halbwegs die Strahlkraft eines Le-Mans-Gesamtsiegs hätte.

Bei der Aussicht auf Gesamtsiege in Le Mans und Daytona mit einem Jahresbudget von womöglich 15 bis 20 Millionen Euro wird jeder halbwegs vernünftige Vorstand eines Autokonzerns zweimal hinschauen. Dafür könnte es sich sogar lohnen, in Bahrain vor leeren Rängen zu fahren.

Natürlich wird man bei solchen Aussichten positive Statements äußern oder eine interne Studie in Auftrag geben. Die einzigen, bei denen ich eine kategorische Ablehnung von vorn herein verstehen würde, wären Volvo (180-km/h-Kampagne) sowie Volkswagen und Tesla (LMDh wird keine reine Elektro-Plattform).

Mitch Evans

Der Formel E fehlt ein Event mit der Strahlkraft von Le Mans Zoom

Ob daraus aber mehr wird? Da muss man abwarten. Generell führen mehr interne Studien zu einem negativen Ergebnis als zu einem positiven. Ich möchte nur einmal an die Euphorie in der Formel 1 erinnern, als Liberty Media mit 13 Herstellern an einem Tisch saß. Wie viele sind letztlich gekommen? Null. Okay, Alfa Romeo und Aston Martin sind erschienen, aber als als reines Branding für bestehende Teams.

LMDh ist attraktiv, aber reicht das?

Tatsächlich sehe ich bei der LMDh aber ein wesentlich höheres Potenzial für Neueinstiege als bei der Formel 1 unter dem ursprünglich für 2021 geplanten Reglement. Während letztere sich zwar zu Regeländerungen, aber nicht zu einer kompletten Neuerfindung durchringen konnte, wäre die LMDh als WEC-Topkategorie eine wahre Revolution gegenüber der LMP1.

Es wird nun daran liegen, wie viel von der LMDh-Idee realistisch umsetzbar ist. Denn erst, wenn es ein Reglement gibt, werden die Hersteller die Möglichkeit haben, überhaupt mit der Prüfung loszulegen. Und das hat momentan Verspätung, auch wenn diese gering ausfallen soll.

Wenn IMSA, ACO und FIA ein Reglement präsentieren können, nach dem man mit einem Jahresbudget von 20 Millionen Euro Gesamtsiege in Le Mans, Daytona und Sebring sowie einen WM-Titel holen kann, dann wäre das wohl tatsächlich die attraktivste Perspektive für Le Mans seit Jahrzehnten.


Langstrecken-Weltmeister in der FIA Hall of Fame

Feierliche Zeremonie anlässlich der Aufnahme der 29 Langstrecken-Weltmeister in die Ruhmeshalle der FIA

Und die braucht es auch, denn der (nicht elektrische) Motorsport stand durch die Klimadiskussion ohnehin schon unter Druck. Nun kommt auch noch der Wirtschaftszusammenbruch durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hinzu. Ob das Geld noch locker genug für Motorsportprogramme sitzt? Auch das müssen die internen Prüfungen zeigen.

Dass LMDh der richtige Schritt ist, bezweifle ich nicht. Ob es in diesen Zeiten genug sein wird? Das ist die Gretchenfrage. Das wird nur das Ergebnis der internen Evaluationen zeigen können.

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