Kolumne: Nissan-Elektroschub bringt Faszination

Liebe Freunde der Schwungscheibe,

© Nissan

In die Sitze gedrückt: Der Nissan Nismo Leaf hat eine unglaubliche Beschleunigung Zoom

mit der Ankündigung, ab 2014 wieder werksseitig in Le Mans anzutreten, hat Nissan am Dienstagmorgen vielen Fans der Szene ein strahlendes Lächeln ins Gesicht gezaubert. Die Japaner werden unter dem renommierten Titel Nismo zunächst mit einem rein elektrisch angetriebenen Experimentalauto aus der 56. Box starten, peilen aber in näherer Zukunft den Gesamtsieg beim weltberühmten 24-Stunden-Rennen an. Da geht einem Le-Mans-Fan doch das Herz auf.

Auf die technische Umsetzung des reinen E-Antriebs bin ich jetzt schon gespannt. Auf die großen Fragen nach Energiespeicherung, Aufladung und Reichweite wird es bestimmt interessante Antworten geben. Dass Nissan in Sachen Elektroantrieb erstaunliche Entwicklungen getätigt hat, durfte ich kürzlich am eigenen Leib erfahren. Im Rahmen eines Events in Spanien kam ich überraschend in den Genuss einer Fahrt im rein elektrisch angetriebenen Nissan Leaf Nismo. Ein Hammer!

Nach der Ankunft in Barcelona durfte ich zunächst den brandneuen Juke Nismo über interessante Straßen durch den kühlen spanischen Nachmittag bewegen. Das kleine Spaßmobil hat mich auf dem Weg zur Rennstrecke von Castelloli begeistert. Nicht nur mit Fahrleistungen, sondern mit unterhaltsamen Gimmicks. Per Bluetooth und entsprechender App lassen sich beispielsweise die Telemetriedaten des Autos auf das iPad ziehen. Da kann man abends in der Kneipe vor Freunden richtig auf dicke Hose machen...

Viele Emotionen, keine Emissionen

Aus den Socken gehauen hat mich aber die Fahraction im "Parcmotor Castelloli". Nach einigen sehr interessanten Drift- und Handlingübungen im Juke Nismo kam ein Nissan-Verantwortlicher lächelnd auf mich zu und sagte: "Du gehörst du den wenigen Auserwählten, die mal die automobile Zukunft erleben dürfen." Ich wusste zunächst nicht genau, was dies bedeuten soll. Dann wurde ich zu einer Box geführt. Dort warteten Nissan-Werkspilot Michael Krumm und der Nissan Leaf Nismo auf mich.

© Nissan

Bald wieder in Le Mans: Nissan war bereits Mitte der 1980er-Jahre an der Sarthe Zoom

Futuristsch und bissig zugleich sieht er aus, der Sportwagen mit dem Schriftzug "Zero Emission". Ich klettere in das Cockpit des reinrassigen Motorsportgeräts, werde mit Renngurten straff im Sitz fixiert und suche zuerst einmal den Zündschlüssel: Fehlanzeige. Vom Beifahrersitz lächelt mich Michael Krumm an, bewegt einige Wippschalter, setzt die Systeme unter Strom. Über einen Startknopf wird die Fahrbereitschaft hergestellt.

"Sei in der Boxengasse ganz, ganz vorsichtig", ermahnt mich der deutsche Werkspilot. Mit geschätzten 50 km/h schleiche ich in Richtung Rennstrecke. Im Fahrzeug herrscht fast gespenstische Ruhe, einzig ein leichtes Surren ist zu hören. Es klingt fast wie ein ferngesteuertes Auto. Im Cockpit fühle ich mich wie auf der Kommandobrücke des Raumschiff Enterprise. Am Boxenausgang sagt Michael Krumm: "Jetzt kannst du mal draufdrücken." Gesagt, getan. Urplötzlich zieht es mir die Ohren so lang wie bei Spock!

Stille im Auto schadet nicht

Beim beherzten Tritt auf das Gaspedal kommt das gewaltige Drehmoment des Elektroantriebs mit voller Wucht auf die Hinterachse. Das Heck macht sich kurz selbstständig. Gerade eben noch vor dem beherzten Griff von Michael Krumm in mein Lenkrad fange ich das Teil wieder ein. Was für ein Monster! Behutsam taste ich mich anschließend unter Anleitung des erfahrenen Nissan-Piloten durch die Kurven des Castelloli Circuits. Zum Ende der ersten Runde werde ich mutiger.

Ich rumpele über Randsteine, werfe extrem spät den Anker, der bestens zupackt und mir Vertrauen einhaucht. In der zweiten Runde kommt noch viel mehr Laune auf. Die direkte Gasannahme, die starken Bremsen und das angenehme Handling des Nissan Leaf Nismo bringen mir Tunnelblick und feinsten Fahrrhythmus. Leider ist die spannende Show nach zwei Runden vorbei. Ich hätte noch Stunden weiterfahren können. Allerdings hätte man mir dann das Grinsen wohl operativ entfernen müssen.

Diese wenigen Kilometer in Spanien haben mir nachhaltig klargemacht, dass Nissan in Sachen Elektroantrieb verdammt weit ist. Dass man diese Technologie nun in aller Öffentlichkeit auf der riesigen Bühne Le Mans präsentieren und entwickeln möchte, verdient allergrößten Respekt. Ich bin schon jetzt höchst gespannt auf das Ergebnis. Am Rande bemerkt: der fehlende Sound eines Verbrennungsmotors ist mir nach wenigen Metern nicht mehr aufgefallen. Sicherlich wird dies für Fans von außen anders sein. Aber: Wer einen neuen Weg beschreiten möchte, muss halt den alten Weg verlassen.

Auf in ein neues Zeitalter - auch im Motorsport! Beste Grüße,

Carsten Gerber