Hülkenberg: Mammutprogramm auf dem Weg nach Le Mans

Formel-1-Star Nico Hülkenberg geht "ohne Erwartungen" in sein erstes Le Mans und spricht über die stressigen Stunden zwischen Montreal und Paris Charles de Gaulle

(Motorsport-Total.com) - Nico Hülkenberg fiebert seinem ersten Antreten bei den 24 Stunden von Le Mans entgegen. Der Formel-1-Star konnte zwar im ersten Freien Training aufgrund eines kuriosen Problems nur wenige Runden absolvieren, alle in der letzten von vier Stunden, glaubt aber nicht, dass ihn die kurzfristige Umstellung vor Schwierigkeiten stellen wird. Bekanntlich hatte er am vergangenen Wochenende gerade sein zweitbestes Saisonergebnis in der Formel 1 erzielt, nämlich Platz acht beim Grand Prix von Kanada.

Titel-Bild zur News: Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg kann sein erstes Le Mans kaum noch erwarten Zoom

Danach ging es für ihn Schlag auf Schlag: "Ich habe nach dem Rennen die obligatorischen TV-Interviews gemacht, danach das Debriefing. Dann war ich noch zur Massagebehandlung und von da direkt ins Auto zum Flughafen, in den Flieger. Der Flug dauert nur sechs Stunden, also konnte ich nicht viel schlafen." Jetlag & Co. zehren immer noch ein bisschen: "Ich bin schon ein bisschen müde. Man merkt die Reiserei, es ist ein intensives Programm", gibt Hülkenberg gegenüber 'Motorsport-Total.com' zu.

Am Montag landete er um 10:00 Uhr morgens in Paris, "ein bisschen verspätet. Porsche hat mich abgeholt. Wir sind direkt mit dem Auto zum Scrutineering nach Le Mans gefahren. Der Termin war um 13:00 Uhr - da waren also nur zehn Minuten Puffer. Abends dann noch Meetings." Am vermeintlich ruhigen Dienstag standen Meetings, Boxenstopp-Training, die Autogrammstunde auf dem Programm. Nur am Mittwoch konnte Hülkenberg endlich mal bis 11:00 Uhr ausschlafen.

Umstellung dauert nur wenige Runden

Jetzt gilt es für ihn, die Umstellung vom Force India auf den Porsche reibungslos zu überstehen: "Natürlich dauert es ein paar Runden. Der LMP ist ein Allrad mit Traktionskontrolle - das Auto will einfach anders gefahren werden. Bisher habe ich das glaube ich ganz gut gemanagt, im anderen Auto wieder reinzukommen. Und von der Pace her sieht's nicht schlecht aus. Klar gibt's immer Sachen, die ich noch verbessern kann. Das wird mit jeder Runde besser, aber das ist ganz normal."


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Porsche wird 2015 mit drei Boliden in der LMP1-Klasse und mit zwei Porsche 911 RSR in der GTE-Pro-Wertung in Le Mans an den Start gehen

"Ich gehe mit keinen großen Erwartungen ins Rennen", sagt der Porsche-Rookie. "Ich bin Neuling. Es wäre vermessen, wenn ich hier ankomme und sage, ich gewinne das Ding oder fahre aufs Podium. Klar ist das mein Ziel, aber mit der Erwartung hier reinzugehen, wäre falsch. Wir stehen als Porsche insgesamt ganz gut da. Die Konkurrenz ist aber stark, Audi schätze ich sehr stark ein. Die machen das seit 15 Jahren, wir sind erst im zweiten Jahr. Trotzdem haben wir ein gutes Paket."

Wichtig wird vor allem sein, das Rennen fehlerfrei zu überstehen - für einen Langstrecken-Neuling eine besondere Herausforderung. Hülkenberg gibt sich diesbezüglich aber keinen Illusionen hin, wurde von Porsche gut auf seine Aufgabe vorbereitet: "Le Mans ist unberechenbar, da kann so viel passieren. Du musst immer wach sein, brauchst gutes Timing, ein standfestes Auto, Glück sowieso. Ich will Spaß haben und es genießen, Erfahrung sammeln."

Herausforderung: Fahren bei Nacht und Regen

Worauf er sich nicht vorbereiten konnte, ist das Fahren bei Nacht und Regen. Wenn die Lichter der gegnerischen Fahrzeuge reflektieren, es dunkel ist, die Fotografen blitzen, dann ist das eine Situation, die man nicht trainieren kann: "Da wirst du ins kalte Wasser geschmissen", sagt Hülkenberg und gibt zu, dass er sich das schwierig vorstellt. Trainieren konnte er bei Nacht zwar bei Tests in Aragon und Le Castellet, dort allerdings jeweils ohne Verkehr und Spiegeleffekte.

Wie auch Mark Webber, der sich früh nach seinem Wechsel aus der Formel 1 in die WEC als glühender Michelin-Fan geoutet hat, ist auch Hülkenberg mit den Reifen am Porsche mehr als zufrieden: "Die Michelin-Reifen sind extrem konstant und halten echt lange. Du kannst pushen und musst nicht auf jede Kleinigkeit aufpassen." Wohingegen die Pirelli-Pneus in der Formel 1 es nicht verzeihen, wenn sie mal zu lange über das Limit strapaziert werden.

Volle Attacke im Sportwagen

Grundsätzlich versteht Hülkenberg die Vergleiche zwischen Le Mans und der Formel 1 zwar, begrüßt sie aber nicht: "Es ist anders, es sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe", sagt er. Aber mit dem Mythos, dass in der WEC nicht am Limit gefahren wird, räumt der Deutsche auf: "Würde ich nicht sagen. Hier wird ziemlich stark gepusht im Rennen. Man denkt, dass auf der Langstrecke immer ein bisschen Puffer ist, aber man muss ganz schön fliegen lassen, um schnell zu sein." Teilweise mehr als in der Formel 1.


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Ob er 2016 nach Le Mans zurückkehren wird, steht in den Sternen: "Kann ich im Moment noch nicht beantworten. Ich habe mir vorgenommen, jetzt mal dieses Programm fertig zu Ende zu machen, bis nächste Woche. Dann ist das Porsche-Thema für dieses Jahr durch, zumindest was Rennen fahren angeht. Dann gucke ich Ende des Jahres, wie es mir gefallen hat, ob alles gut war, ob es vielleicht eine Last war. Und dann entscheide ich mich." Aber: "Ich hoffe schon, dass ich noch einige Jahre in der Formel 1 sein werde."

Nach Le Mans bleibt Hülkenberg (der übrigens zuvor auch als Zuschauer nie beim 24-Stunden-Rennen war) kaum Zeit, seine Batterien aufzuladen. Am Montag und Dienstag kann er einmal kurz durchatmen, doch schon am Mittwoch geht's zurück zur Formel 1, in der der Grand Prix von Österreich auf dem Programm steht. Dort möchte er sich am liebsten als Le-Mans-Sieger präsentieren - auch wenn er weiß, dass das im ersten Versuch eher unrealistisch ist...