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  • 21.09.2016 12:28

  • von Roman Wittemeier

Die Dauerbrenner in der WEC: Stephane Sarrazin

WEC-Pilot Stephane Sarrazin im großen 'Motorsport-Total.com'-Interview: Die Fehde im Heimatort, die Rechnung mit Le Mans und die Enttäuschung über Alain Prost

(Motorsport-Total.com) - Nicht erst seit dem furiosen Durchbruch von Sebastian Vettel 2008 mit seinem ersten Grand-Prix-Sieg am Steuer eines Toro Rosso und den beeindruckenden Rennen von Red-Bull-Nachwuchsstar Max Verstappen herrscht in der Formel 1 der große Jugendwahn. Die Grand-Prix-Teams sind jederzeit auf der Suche nach dem neuen Megatalent im Motorsport. In der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) ist die Situation anders, der Faktor Erfahrung wird in der Serie ganz anders bewertet.

Titel-Bild zur News: Stephane Sarrazin

Stephane Sarrazin macht seit fast 30 Jahren Motorsport in verschiedenen Serien Zoom

In der WEC fahren zahlreiche "echte Haudegen" des Motorsports, die bereits Rennsiege feiern durften, als Max Verstappen noch nicht einmal geboren war. Diese erfahrenen Racer stellt 'Motorsport-Total.com' in einer Interviewserie genauer vor. Heute: Stephane Sarrazin. Der Toyota-Werkspilot hat ereignisreiche 28 Jahre im Motorsport hinter sich und vor allem mit Le Mans noch eine Rechnung offen. Der 40-Jährige ist eine feste Größe im Kader der Japaner, die ihn unter anderem auch verpflichteten, um eine unglückliche Entwicklung aus den Jahren 2002 und 2003 etwas wieder gut zu machen.

Frage: "Stephane, wie fing deine Leidenschaft für den Motorsport eigentlich an?"
Stephane Sarrazin: "Mein Vater war derjenige, der mich infiziert hat. Er ist früher Rallye gefahren - nicht wirklich professionell, aber doch ganz gut. Ich stand schon als kleiner Junge immer am Pistenrand und habe ihm zugeschaut. Das hat mich immer fasziniert. Das war irgendwie meins. Dann habe ich mich im Kart probiert. Das funktionierte auf Anhieb recht gut. Ich wurde zweimal französischer Meister."

"Der nächste Schritt war die Aufnahme in die Elf-Rennfahrerschule. Ich habe durch deren Förderung in der Formel Renault starten können, wurde dort Champion. Und dann ging der ganz normale Weg von damals weiter: Formel 3, Formel 3000 und dann Formel 1."

Minardi wollte, Prost sollte: Das Formel-1-Dilemma

Frage: "Deine Formel-1-Karriere war extrem kurz, du bist nur einen Grand Prix gefahren. 1999 in Brasilien bist du für den verletzten Luca Badoer bei Minardi eingesprungen. Du hast deinem Teamkollegen Marc Gene auf Anhieb eine Sekunde eingeschenkt. Warum ging die Formel-1-Karriere nicht weiter?"
Sarrazin: "Ich war damals Testfahrer bei Prost. Giancarlo Minardi und Gabriele Rumi waren nach dem Einsatz in Brasilien so überzeugt von mir, dass sie mich für den Rest der Saison behalten wollten. Aber dann kam Alain Prost."

"Herr Prost pochte auf seinen Vertrag mit mir. Ich war nicht nur Formel-1-Testfahrer bei ihm, sondern auch in der Formel 3000 unterwegs. Er wollte, dass ich das zu Ende bringe und hat mir damals versprochen, dass ich in der Saison 2000 in der Formel 1 fahren würde. Das ist dann aber nie geschehen. Ich hatte es irgendwie geahnt. Als ich Minardi absagte, hatte ich schon den Gedanken: 'Wenn ich das nicht irgendwann mal bereue...' Ich glaube, es gibt nicht viele Fahrer, die ein Formel-1-Cockpit ablehnen."

Stephane Sarrazin Brasilien 1999 Minardi

Einmaliger Auftritt: Stephane Sarrazin 1999 im Minardi-Formel-1-Auto in Brasilien Zoom

"Alain Prost war mein Boss, ich habe ihm vertraut. Das Team war damals ganz gut aufgestellt, die Perspektive war nicht übel. Ich habe ihm geglaubt, als er mir das Renncockpit für die Saison 2000 versprach. Aber was ist passiert? Er hat Nick Heidfeld genommen. Nicht, weil er die Formel-3000-Saison besser abgeschlossen hatte, sondern weil Prost die Hoffnung hatte, auf diesem Weg an Mercedes-Motoren zu kommen. Das war es dann mit meiner Formel-1-Karriere. Ich hatte damals keinen Manager, war vielleicht zu jung, eine richtige Entscheidung zu treffen."

Sarrazin auf den Spuren von Alonso, Webber und Co.

Frage: "Diese Geschichte muss dein Verhältnis zu Alain Prost extrem belastet haben..."
Sarrazin: "Ja, das stimmt. Wir haben einige Jahre lang kaum ein Wort miteinander gewechselt. Das hat sich dann aber wieder normalisiert. Ich respektiere Alain und mag ihn. Wir sind Freunde. Aber damals war es hart für mich. Ich brauchte einige Zeit, um dann zu erkennen, dass er aus bestimmten Gründen so handeln musste. Aber ganz ehrlich: Ich bin fest davon überzeugt, dass ich in der Formel 1 eine tolle Karriere hätte haben können. Daher ist es wirklich schade. Beklagen will ich mich aber nicht, denn danach durfte ich viele tolle Autos in großartigen Serien fahren."

Frage: "Gab es nie eine zweite Chance in der Formel 1?"
Sarrazin: "Das war schwierig. Ich war ganz schnell nicht mehr auf dem Radar. Später gab es nur noch eine indirekte Chance bei Toyota. Im Jahr 2002 war ich dort Testfahrer. Man hatte Gefallen an meiner Arbeit gefunden und ich hätte eine Chance im Renncockpit bekommen sollen. Aber es kam anders. Das hatte keine sportlichen Gründe. Mehr mag ich darüber nicht sagen..."

Frage: "Fühlst du dich mit nur einer Grand-Prix-Teilnahme eigentlich als Ex-Formel-1-Fahrer?"
Sarrazin: "Nein, gar nicht. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann schüttele ich aber oft meinen Kopf. In der damaligen Zeit war es so, dass wenn du im Minardi deinen Teamkollegen geschlagen hast, du dann beste Aufstiegschancen hattest. Das lief bei Alonso so, bei Webber, Trulli, Fisichella - es gibt viele Beispiele. Und bei mir hätte es genauso laufen können. Das ist mein Gedanke manchmal. Ich war jung und habe mich falsch entschieden. Ich hätte das Minardi-Angebot annehmen sollen. Das bereue ich noch heute. Es war allein mein Fehler."


Austin: Die Rennhighlights der WEC aus Texas

Die besten Szenen des Sechs-Stunden-Rennens der Langstrecken-Weltmeisterschaft vom Circuit of the Americas Weitere Langstrecke-Videos

Die "halbe Chance" in der Rallye-WM

Frage: "Du hast seither so viele Autos bewegt in Rallye, Formel E und der Le-Mans-Szene zum Beispiel. Was magst du persönlich am liebsten?"
Sarrazin: "Sportwagen, die Le-Mans-Prototypen - gar kein Zweifel. Diese Autos sind schnell, schön und sehr herausfordernd. Hinzu kommt, dass es die Konstellation mit zwei Kollegen im Auto noch viel intensiver macht. Und außerdem gibt es da ein nicht ganz unbekanntes Event in Le Mans. Dieses Rennen ist unglaublich. Dort mit einem LMP1 zu fahren ist die Spitze. Aber Rallye macht mir auch sehr viel Spaß."

Frage: "Und im Rallyeauto bist du auch verdammt schnell. Du hast unter anderem mal eben bei einem Gaststart die Rallye Monte Carlo angeführt..."
Sarrazin: "Ja, stimmt. Ich denke, dass ich im Rallyeauto nicht so schlecht bin. Das Problem an der Szene ist, dass es zu wenige Plätze gibt. Auf der Rundstrecke gibt es zahlreiche Serien wie IndyCar, NASCAR, DTM, WEC oder Formel 1, die dir die Möglichkeit geben, deine Leidenschaft beruflich auszuleben. In der gesamten Rallyeszene gibt es aber nicht einmal ein Dutzend Plätze für wirklich professionelle Fahrer, die auch Geld damit verdienen."


Fotos: WEC in Austin


"Und trotz dieser eingeschränkten Möglichkeiten hatte ich dort eine halbe Chance. Ich war Werksfahrer bei Subaru, die mich aber leider nicht bei allen Events eingesetzt haben. So konnte ich vor allem auf Schotter nie wirklich mein Potenzial zeigen. Das ist schade. Wenn ich mal zusammen mit Sebastien Loeb oder Petter Solberg beim Test war, konnte man im Vergleich schon deutlich sehen, dass ich auch in diesem Bereich ein gewisses Potenzial hatte. Aber ich durfte es leider nie zeigen."

Liebe und Hass: Le Mans als Reibungspunkt

Frage: "Dann kam Peugeot und hat dich sehr intensiv in das 908-Programm in Le Mans eingebunden. 15 Starts an der Sarthe hast du bisher, viermal bist du Zweiter geworden. Wie sehr fehlt dir der Le-Mans-Sieg?"
Sarrazin: "Wie sehr? Das kann ich gar nicht ausdrücken, dafür reichen Worte eigentlich nicht aus. Schau mal: Ich hatte ungefähr bei zehn Gelegenheiten ein Auto, das für den Gesamtsieg gut war. Ich habe das Rennen so oft angeführt, aber dann gab es Defekte oder ein Teamkollege hatte einen Crash. Immer kam irgendetwas dazwischen. Es ist wie verhext, eigentlich völlig verrückt. Vor allem, wenn man dann Kollegen sieht, die das Ding auf Anhieb gewinnen. Ich habe da wirklich eine große Rechnung offen."

Frage: "Du sagst, du liebst Le Mans. Aber müsstest du es nicht angesichts deiner Pechsträhne dort eigentlich hassen?"
Sarrazin: "Ja, stimmt schon. Wenn ich wieder mal gescheitert bin, dann denke ich zwei Monate lang tatsächlich, dass Le Mans das bescheuertste Rennen der Welt ist. Ich hasse es für ein paar Wochen abgrundtief. Aber dann dreht sich das wieder. Die Motivation kommt zurück, teilweise auch etwas Trotz. Dann denke ich wieder daran, wie großartig es ist, dort mit diesen schnellen Autos drei Stunden am Stück wirklich Vollgas am Limit zu fahren. Mal sehen, ob ich es irgendwann noch schaffe, in Le Mans zu gewinnen."

Stephane Sarrazin Peugeot Monza

Seit dem Start des Peugeot-908-Programms war Stephane Sarrazin dabei Zoom

"Ich denke da oft drüber nach - was wohl logisch ist, wenn man so oft Siegkandidat war und Zweiter wurde. Ich denke, das Rennen will mich einfach nicht als Sieger. So etwas gibt es im Motorsport. Es gibt auch genau gegenteilige Beispiele. Ich habe beispielsweise dreimal in Folge das Petit Le Mans gewonnen. Das Rennen mag mich, Le Mans aber nicht so sehr. Jedenfalls bis jetzt. Ich werde es weiter versuchen. Der fehlende Sieg dort ist eine für mich sehr schmerzhafte Lücke im Lebenslauf."

Fahrer und Auto: Die emotionale Einheit

Frage: "Du bist jetzt seit 28 Jahren im Motorsport aktiv. Was treibt dich an? Was bringt dir immer wieder die Motivation und Leidenschaft?"
Sarrazin: "Das Gefühl, wenn du eins mit dem Auto bist und dann auch noch Schnellster. Das liebe ich! Es gibt Situationen, die so intensiv und erfüllend sind. Wenn du beispielsweise bei Nacht und Regen richtig gute Stints ablieferst. Oder erst kürzlich beim WEC-Rennen in Mexiko. Da saß ich drei Stunden im Auto, es war schwierig, aber ich war richtig schnell. Solche Situationen sind es, die ich am Motorsport so liebe. Es ist solch ein Glücksgefühl, wenn ich so etwas im Auto erleben darf."

"Unsereins steht an einem Renntag immer mit einem Ziel auf: Sieger sein. Das ist präsenter als alles andere. Und dann gibt es in den Rennen immer wieder Szenarien, die haften bleiben, weil sie unglaublich befriedigend sind. Ich bin zum Beispiel in Le Mans in der Nacht an einem Porsche vorbei, konnte mich dann von Romain Dumas und später von Neel Jani immer weiter absetzen. Wenn man das spürt und sieht, dann gibt es nichts Besseres. Das treibt mich an, dann gebe ich nochmal mehr Gas."

Stephane Sarrazin

So sieht sich Stephane Sarrazin selbst am liebsten: Jubelnd auf dem Podium Zoom

Frage: "Was steht bei deiner Arbeit für dich im Vordergrund?"
Sarrazin: "Der Spaß. Ich sehe eigentlich nur noch die große Freude, die ich an meinem Job habe. Mir ist klar, dass der Beginn meiner Karriere schon weiter entfernt ist als das Ende. Ich genieße es, habe aber gleichzeitig auch noch Ambitionen. Der Genuss ist größer, wenn der Erfolg da ist. Ich will in Le Mans gewinnen. Ich will in der Formel E siegen. In der vergangenen Saison haben wir mit Venturi tolle Arbeit geleistet. Ich war der einzige Fahrer, der in jedem Rennen gepunktet hat."

Frage: "Also bist du rundherum ein glücklicher Mensch?"
Sarrazin: "Ja, und wie! Natürlich gibt es auch mal Momente, in denen man etwas angepisst ist. Aber dann gehe ich in die Garage, sehe das Auto und denke, dass ich dieses Fahrzeug schnell über ganz tolle Strecken fahren darf. Dann ist ganz schnell alles wieder gut. Dann kann ich wieder genießen. Dazu gehört für mich unter anderem auch, mal neue Welten zu entdecken. Das tue ich derzeit in der Formel E. Bald will ich genau das auch bei der Rallye Dakar mal erleben. Hoffentlich ergibt sich da eine gute Gelegenheit."

Wenn Nachbar Dumas in der Nähe ist...

Frage: "Dein früherer Arbeitgeber Peugeot hat gerade ein tolles Auto für die Dakar vorgestellt..."
Sarrazin: "Ich weiß, ich weiß. (lacht) Die haben aber schon wirklich großartige Fahrer. Wir haben nicht miteinander gesprochen.Toyota hat aber auch solch ein Auto für die Dakar..."

Frage: "Und Toyota hat auch ein neues WRC-Projekt, in das du als Testfahrer intensiv involviert bist..."
Sarrazin: "Bin ich nicht mehr. Zwei Jahre lang haben wir die Entwicklung gemacht bei TMG. Jetzt liegt das Projekt bei Tommy Mäkinen und ist völlig abgekapselt von uns. Das ist schon seltsam, aber manchmal läuft es im Motorsport so."

Frage: "Lass uns noch über deinen Heimatort sprechen. Du kommst aus dem südfranzösischen Ort Ales mit 40.000 Einwohnern. Aus dieser vergleichsweise kleinen Stadt kommst nicht nur du, sondern auch ein gewisser Porsche-Konkurrent namens Romain Dumas..."
Sarrazin: "Ja, das ist verrückt, oder? Noch viel verrückter ist, dass schon unsere Väter in den 1980er-Jahren gegeneinander im Rallyesport gefahren sind. Unsere Familien kennen sich sehr gut. Ich verbringe viel Zeit mit dem Bruder von Romain. Mit Romain selbst verstehe ich mich gut, aber wir würden nie zusammen in Urlaub fahren. Wir sind nicht verheiratet. (lacht) Aber wir respektieren uns auf höchstem Niveau."

"Mit Romain selbst verstehe ich mich gut, aber wir würden nie zusammen in Urlaub fahren. Wir sind nicht verheiratet." Stephane Sarrazin

"Le Mans ist zu Romain etwas besser gewesen als zu mir. Er hat dort zweimal gewinnen dürfen. Das freut mich für ihn. Es ist immer besonders, wenn wir uns auf der Strecke begegnen, tatsächlich anders als mit anderen Fahrern. Wenn ich weiß, dass Dumas vor oder hinter mir ist, dann ist das großartig. Dann beiße ich umso mehr, das macht Laune. Und die nächste Generation ist schon im Anmarsch. Mein Sohn sitzt bereits im Kart, aber der Junge von Romain ist jünger und braucht noch ein wenig Zeit. Aber der Kampf Dumas gegen Sarrazin wird weitergehen."

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