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Weniger Reifen für mehr Nachhaltigkeit bei NLS und 24h Nürburgring
Nürburgring-Nordschleife nachhaltiger, günstiger und langsamer: In der VLN/NLS und beim 24-Stunden-Rennen gibt es künftig weniger Reifen
(Motorsport-Total.com) - Die Reifenregularien für die kommenden drei Jahre auf der Nürburgring-Nordschleife stehen fest. Es wird eine deutliche Reduktion der erlaubten Reifensätze pro Rennen geben, die schon 2022 in Kraft treten. Auch die Anzahl der Reifentypen pro Saison wird weiter reduziert.

© VLN
Beim Reifenreglement auf der Nürburgring-Nordschleife stehen deutliche Einschnitte bevor Zoom
Der Deutsche Motor Sport Bund (DMSB), aber auch der ADAC Nordrhein und die VLN als Ausrichter der Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) wollen so mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: dem Tempo der GT3-Fahrzeuge Einhalt gebieten, die Kosten für Teams reduzieren und den Nachhaltigkeitsaspekt der Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife verbessern.
Konkret sieht das Maßnahmenpaket vor, dass schon ab der Saison 2022 die maximale Anzahl pro Reifen bei einem regulären 4-Stunden-Rennen der NLS auf 24 (sechs Sätze) für Zeittraining und Rennen beschränkt wird. Die exakten Zahlen finden sich am Ende des Artikels.
Bei den NLS-Läufen über sechs und zwölf Stunden stehen entsprechend mehr Reifen zur Verfügung (32, respektive 64), aber in allen Fällen 1,5 Reifensätze pro Rennstunde (Qualifying nicht mitgerechnet).
Für das 24-Stunden-Rennen stehen anteilmäßig etwas mehr Reifen zur Verfügung, nämlich deren zwei pro Rennstunde. Das macht 48 Reifen für das Qualifikationsrennen über zweimal drei Stunden, und 116 für das 24-Stunden-Rennen. Grund ist natürlich, dass es hier wesentlich mehr Trainingszeit gibt als bei einem regulären NLS-Lauf.
Der große Cut kommt 2023
Die ganz große Reduktion steht dann 2023 an, wenn Reifen aus dem Training im Rennen nicht mehr wiederverwendet werden dürfen. Ab dann wird es in der NLS nur noch 20 Reifensätze pro Veranstaltung geben. Und davon dürfen lediglich zwölf im Rennen verwendet werden, also 0,75 Reifensätze pro Stunde.
Das bedeutet völlig neue Strategien, denn nun müssen die Reifen bis zu einen Doppelstint lang halten. Ein SP9-Stint über acht Runden dauert in der NLS knapp 70 Minuten. Bei lediglich drei Reifensätzen muss mindestens einer zweimal verwendet werden. Das Boxenstoppreglement mit seinen Mindeststandzeiten sorgt allerdings auch für viel strategische Flexibilität.

© VLN Media
Das Gros des Feldes startet auf Michelin-Reifen Zoom
Noch heftiger fällt die Reduktion der Reifen beim 24-Stunden-Rennen aus. Zwar gibt es wegen der Trainings am gesamten Wochenende noch immer anteilsmäßig mehr Reifen, doch für das Rennen wird noch stärker reduziert.
Beim Qualifikationsrennen stehen für beide Rennhälften nur noch acht (0,66 Reifensätze pro Stunde), beim 24-Stunden-Rennen 60 Reifen für das Rennen zur Verfügung (0,625 Reifensätze pro Stunde). Damit werden Doppelstints zur Pflicht.
Eine weitere Reduktion betrifft die Anzahl der Reifenspezifikationen pro Saison. Diese wurden in der Vergangenheit bereits reduziert: 2021 waren noch fünf Spezifikationen pro Saison und drei an jedem Rennwochenende erlaubt. In diesem Jahr werden es nur noch vier Typen pro Saison sein bei weiterhin drei pro Event.
Ab 2023 wird die Anzahl auf Drei pro Saison und Zwei pro Event reduziert. Das gilt sowohl für Trocken- als auch Regenreifen. Diese Regeln werden dann in dieser Form auch für 2024 gelten. Die Verwendung der Reifen wird ab 2023 mittels RFID-Chip überwacht.
Fahrzeuge bleiben unangetastet
Die Ziele sind vielschichtig. So soll einerseits dem Tempo der GT3-Boliden wieder Einhalt geboten werden, die im Jahr 2021 zweimal Streckenrekord in NLS-Qualifyings gefahren sind.
Zum anderen sollen die Kosten für die Teams gesenkt werden, die weniger Reifen bestellen müssen. Dass dieses Ziel erreicht werden wird, darf bezweifelt werden, denn die Reifenhersteller werden die Entwicklungskosten refinanzieren müssen, womit die Reifen wieder teurer werden. Ob diese Erhöhungen beim Stückpreis die Ersparnisse für die geringere Anzahl wieder auffressen, bleibt abzuwarten.
Und letztlich ist da noch der Aspekt der Nachhaltigkeit. Jeder eingesparte Reifensatz hilft der Umwelt. Und auch für die Reifenhersteller ist es in der öffentlichen Wahrnehmung vorteilhaft, wenn man darauf verweisen kann, dass das eigene Produkt auch mal zwei Vollgas-Stints auf der Nordschleife hält.

© VLN/Jan Brucke
Für kleinere Reifenhersteller wie Falken sind die neuen Regeln Chance und Risiko zugleich Zoom
So hat sich eine Lösung gefunden, die auch im Sinne der Hersteller ist. Plakativ gesprochen, gibt es am Nürburgring zwei Lager: Die Reifenindustrie möchte Einbremsungen von GT3-Boliden über die Fahrzeuge erreichen. Die Aero-Beschränkungen seit 2017 mit kleineren Flügeln und höherer Bodenfreiheit sind ein Beispiel für eine solche Maßnahme an den Fahrzeugen direkt.
Die Automobilhersteller wiederum verweisen nur allzu gern auf die Reifen, die ja das einzige Produkt seien, das die Autos momentan schneller macht. Die Performance der Fahrzeuge sei schließlich mittels Balance of Performance gedeckelt. Der immer wichtigere Nachhaltigkeitsaspekt hat letztlich den Ausschlag gegeben, dass an den Reifen und nicht an den Autos Hand angelegt wird.
Die Reifenhersteller werden nun neue Produkte entwickeln müssen. Eine große Herausforderung auf einer Strecke, auf der die Asphalttemperaturen während einer Saison zwischen null und 45 Grad Celsius liegen können. Dafür stehen während der Saison 2022 zwei "Joker" zu Verfügung. Es dürfen zwei Reifenspezifikationen als Testträger für die Saison 2023 zum Einsatz kommen.
Streitthema Reifenwärmer
Update 26. Februar: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass Heizdecken weiter erlaubt bleiben sollen. Allerdings wurde just mit Fertigstellung des Artikels ein Reglement für das 24-Stunden-Rennen (nicht die NLS) veröffentlicht, das ein Vorheizen der Reifen ab 2023 verbieten will. Die Situation hat sich damit schlagartig geändert und wird auf großen Widerstand der Teams stoßen.
Aus Transparenzgründen angehängt weiterhin die alte Version (fertiggestellt am 25. Februar 2022):
Als eigentlich schon alles beschlossen schien, überraschte die Teamvereinigung ILN Ende Januar mit einer Pressemitteilung, in der sie sich vehement gegen ein Verbot von Reifenheizdecken aussprach.
Das sorgte für überraschte Reaktionen, weil ein solches Verbot eigentlich nie ernsthaft diskutiert wurde. Offenbar wurde im Zuge einer Sitzung von einer Seite laut gedacht, was in solchen Gesprächen allerdings normal ist.
Nachhaltigkeit hin oder her - der Sicherheitsaspekt sticht in dieser Frage den Kosten- und Umweltaspekt aus, zumal der Energieverbrauch der Reifenwärmer (Öfen oder Heizdecken) nahezu zu vernachlässigen ist. Auch wird die Abwärme gerne von frierenden Fans zweitverwendet.
Imagefilm "Das ist die Nürburgring-Langstrecken-Serie"
Zu gefährlich wäre es, Amateure auf kalten Reifen auf die Nordschleife und Hochleistungsreifen mit noch nicht optimalem Druck durch die Kompressionen zu schicken. Die erste schwere Kompression gibt es im Bereich Quiddelbacher Höhe, gefolgt von einer Weiteren zwischen Flugplatz und Schwedenkreuz, und schließlich der Mutter aller Kompressionen in der Fuchsröhre.
Es hat bereits auf anderen Strecken - unter anderem Spa-Francorchamps - Vorfälle gegeben, in denen nicht vorgewärmte Reifen sich in der Eau Rouge so durchgedrückt haben, dass die Karkasse beschädigt wurde. Das führte wiederum zu gefährlichen Unfällen wegen Reifenschäden, teilweise erst viele Runden später.
Wie sich die neuen Regeln auf die Strategien der Teams auswirken werden, bleibt noch abzuwarten, schließlich möchte sich niemand in die Karten schauen lassen. Fest steht, dass haltbarere Reifen benötigt werden, die in einem größeren Temperaturfenster arbeiten müssen. Eine große Herausforderung, die Geld kosten, letztlich aber auch weiter Fortschritt bei der Reifenentwicklung ermöglichen wird.
Erlaubte Reifen pro Wochenende/Rennen
2021:
NLS 4h: unbegrenzt/unbegrenzt
NLS 6h: unbegrenzt/unbegrenzt
NLS 12h: -/-
24h Qualifikationsrennen: unbegrenzt/unbegrenzt
24h-Rennen: unbegrenzt/unbegrenzt
2022 (nur Trockenreifen):
NLS 4h: 24 für alle Sitzungen
NLS 6h: 32 für alle Sitzungen
NLS 12h: 64 für alle Sitzungen
24h Qualifikationsrennen: 48 für alle Sitzungen
24h-Rennen: 116 für alle Sitzungen
2023 und 2024 (Trocken- und Regenreifen):
NLS 4h: 20/12
NLS 6h: 24/16
NLS 12h: 40/32
24h Qualifikationsrennen: 32/8+8
24h-Rennen: 84/60
Anzahl erlaubter Reifenspezifikationen pro Saison/Event
Bezogen auf Achse und Fahrzeug
2021 Slicks: 5/3
2021 Regenreifen: unbegrenzt/unbegrenzt
2022 Slicks: 4/3
2022 Regenreifen: unbegrenzt/unbegrenzt
Außerdem sind bis zu zwei neue Spezifikationen im Hinblick auf 2023 zu Testzwecken erlaubt
2023 und 2024 Slicks: 3/3
2023 und 2024 Regenreifen: 2/2


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