• 21.05.2010 16:05

  • von Milad Mafi

Mit Schwungrad zum Erfolg: Der Porsche GT3 R Hybrid

Dieses Jahr kam Porsche mit dem Hybrid-Prototypen an die Nordschleife und siegte fast: Wir blicken in die Technik des neuen Renners

(Motorsport-Total.com) - Mit einem Paukenschlag riss Porsche am 11. Februar die Automobilwelt aus dem alljährlichen Winterschlaf. Über 100 Jahre nach der Jungfernfahrt des von Ferdinand Porsche entwickelten Lohner-Porsche "Semper Vivus", dem ersten Hybridauto der Welt, präsentierte Porsche den 911 GT3 R Hybrid: Die Bremsenergie wird bei diesem "Elfer-Derivat" nicht in Form von Wärme abgegeben, sondern über ein komplexes eklektisches System von zwei Elektromotoren an ein Massenschwungrad abgeben und dort mit 40.000 Umdrehungen gespeichert. Bei Bedarf kann diese an die Frontachse abgeben und das Fahrzeug damit zusätzlich beschleunigt werden.

Titel-Bild zur News: Martin Ragginger, Richard Lietz, Marco Holzer

Der Porsche 911 GT3 R Hybrid stand auf der Nordschleife kurz vor der Sensation

Dieses als "Porsche Intelligent Performance" bezeichnete System kommt in ähnlicher Form auch im Cayenne S Hybrid und in der Supersportwagen-Studie Porsche 918 Spyder zum Einsatz. Die Technik wurde mit Ausnahme des Schwungradspeichers komplett von einem Team rund um Dr. Daniel Armbruster, Leiter Motorsportsysteme, entwickelt.#w1#

Insbesondere die Elektromotoren, die gleichzeitig auch als Generator fungieren müssen, und die Leistungselektronik, welche die kurzfristig auftretenden, höheren Ströme verarbeiten muss, stellten hierbei die größten Herausforderungen dar. Der Speicher selbst wurde von Williams zugeliefert und ursprünglich für den Einsatz in den Londoner U-Bahnen entwickelt. In Zusammenarbeit mit Porsche wurde er hinsichtlich Gewicht und Größe angepasst und in das Fahrzeug integriert.

Das Massenschwungrad rotiert mit einer Drehzahl von bis zu 40.000 Umdrehungen Zoom

Der Name Porsche ist gerade deshalb so eng mit dem Rennsport verbunden, weil schon der Firmengründer Ferry Porsche auf Autorennen als Test-und-Entwicklungsplattform setzte. Viele Innovationen wie das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe(PDK) oder die Keramikbremsen (PCCB) fanden über den Motorsport den Weg in die Serienproduktion. Daher liegt es auf der Hand, dass Porsche auch den Hybrid-Antrieb im Rennsport auf Herz und Nieren überprüfen möchte. Ganz nach dem Credo "Stets gelobt, was nordschleifen-erprobt" wurde das System den 24 materialmordenden Stunden auf der Nordschleife ausgesetzt.


Fotos: 24h-Rennen Nürburgring, Rennen


Der Hybridbolide basiert auf der Karosserie des Porsche 911 GT3 R Karosserie und übernimmt von ihm auch Verbrennungsmotor und Getriebe. An der Aerodynamik wurden zahlreiche Detailmodifikationen durchgeführt: An Motorhaube und Radkasten befinden sich zahlreiche Lufteinlässe zur Kühlung der Elektronik. Um die Gewichtserhöhung durch die Hybrid-Einheit zu kompensieren, wurden in Absprache mit dem DMSB einige Blechteile wie die Motorhaube durch Faserverbundelemente ersetzt.

Das Kernstück des Fahrzeugs: Die Hochspannungselektronik mit Ölkühlung Zoom

Mit einem Gesamtgewicht von 1.350 Kilogramm bringt der Hybrid dennoch 150 Kilo mehr auf die Waage als der GT3 R. Hinzu kamen auf der Nordschleife weitere 25 Kilo, die dem Wagen aufgrund des guten Abschneidens in der VLN im Rahmen der "Balance of Performance", einer Leistungsangleichung durch Gewichte, aufgebürdet wurden. Die Konkurrenzfähigkeit wurde hierdurch jedoch nicht eingeschränkt, im Gegenteil. Trotz einer durchwachsenen Qualifikation mit viel Verkehr konnte sich der Hybrid in der Startaufstellung innerhalb der Top 20 platzieren und wurde mit dem begehrten blauen Überrundlicht ausgestattet.

Im eigentlichen Rennen zeigte der GT3 R Hybrid, welches Potential in dieser Technik steckt: Über acht Stunden führten Jörg Bergmeister, Marco Holzer, Richard Lietz und Martin Ragginger im orange-weißen Porsche das Feld an. Selbst ein Zwischenstopp konnte der Pionierfahrt keinen Abbruch tun. Nach 22 Stunden und 15 Minuten geschah aber das, womit keiner gerechnet hatte: Der GT3 R Hybrid rollte im Streckenabschnitt Metzgesfeld mit Antriebsschaden aus. Aber nicht die Hybrideinheit, sondern der Verbrennungsmotor hatte versagt - kapitaler Motorschaden.

Im Motorraum selbst weist nichts auf den innovativen Zweitantrieb hin Zoom

Die Probleme am Antriebsstrang zeichneten sich schon wenige Runden vorher ab: Um kurz nach 12 Uhr wurde vorsorglich ein Abgaskrümmer gewechselt. Nach aktuellem Stand können Fehler bei dieser Reparatur zum Defekt geführt haben - bestätigt ist hier allerdings noch nichts.

Auch wenn das Hybrid-Fahrzeug nicht gewonnen hat, konnte Porsche beweisen, dass der GT3 R Hybrid siegfähig ist und hat damit die Motorsportwelt, zumindest für einen kleinen Moment, auf den Kopf gestellt. Wolfgang Dürheimer, Vorstand für Entwicklung, fasst zusammen: "Der 911 GT3 R Hybrid hat bewiesen, dass sich höchste Performance und einzigartige Effizienz nicht ausschließen. Er hat vielmehr den technologischen Weg für den Rennsport der Zukunft aufgezeigt."

Es bleibt abzuwarten ob sich die Hybrid-Technologie im Motorsport durchsetzt. In der Formel 1 ist die Wiedereinführung denkbar und auch andere Rennserien und Klassen planen eine Einführung von ähnlichen Systemen. Der Beweis, dass sich Effizienz und Leistung verbinden lassen, wurde erbracht. Nun liegt es an den Funktionären, zu entschieden, ob Hybrid ein Thema für den Motorsport ist.