• 24.02.2005 12:21

  • von Fabian Hust

Jarno Trulli als "virtuelles Mannequin"

Toyota gibt einen Einblick, welchen Aufwand das Team betreibt, um sicher zu stellen, dass die Fahrer sich im Cockpit wohl fühlen

(Motorsport-Total.com) - Formel-1-Piloten haben es nicht einfach. Der normale Pkw-Fahrer hat in der Regel kein Problem, in seinem Auto eine bequeme Sitzposition zu finden, denn die Sitze und das Lenkrad sind so entwickelt worden, dass ein bequemes Fahren für Menschen mit einer großen Bandbreite an Körperformen und -größen möglich ist.

Titel-Bild zur News: Cockpit-Anpassung

Im TF105 nahm Jarno Trulli erst einmal als virtueller Fahrer Platz

In der Formel 1 ist das ein wenig anders, das Cockpit der Boliden wird bereits in der Entwicklungsphase an die Stammfahrer individuell angepasst. Dies ist auch der Grund, warum beispielsweise bei McLaren-Mercedes Testfahrer Alexander Wurz nicht in den neuen MP4-20 passt, er ist deutlich größer als die beiden Stammfahrer des Teams, Juan-Pablo Montoya und Kimi Räikkönen.#w1#

Bitte Maß nehmen!

Die Vorgehensweise ist dabei erstaunlich einfach. Zunächst einmal müssen die Fahrer des Teams, im Falle von Toyota Jarno Trulli und Ralf Schumacher, exakt vermessen werden. Dabei kommt es auf jeden Millimeter an. Zu diesem Zweck müssen sich die Fahrer auch bis auf ihre Unterwäsche ausziehen.

"Die Form des Cockpits wird durch die Regeln vorgegeben", so John Litjens, der Projektleiter des Chassis-Design-Büros von Toyota Racing. "Was wir tun müssen ist, den Fahrer in jenen Platz einzupassen, der uns zur Verfügung steht. Wir möchten, dass der Fahrer so tief wie nur möglich sitzt, da dies der Gewichtsverteilung hilft. Aber er muss auch ausreichend hoch sitzen, um aus dem Cockpit sehen zu können." Beachtet werden müssen auch die technischen Regeln, die beispielsweise vorgeben, dass die Füße des Fahrers hinter der Vorderachse untergebracht sein müssen.

Strenge Sicherheitsvorgaben

"Aus Sicherheitsgründen hat die FIA präzise Maßnahmen eingeführt, was die Dimensionen des Monocoques betrifft", so Francois Barrovecchio von Toyotas Technikpartner 'Dassault Système'. "Dass man in der Lage ist, die Position des Fahrers festzulegen, ohne reelle Modelle bauen zu müssen, spart eine Menge Zeit. Durch die Verwendung der 'CATIA'-Software spart das Team Zeit beim Design und bei der Herstellung. Das ist nicht nur wichtig, um auf die Veränderungen am Reglement zu reagieren, sondern auch bei der Entwicklung während der Rennsaison. In diesem Jahr sind es 19 Rennen. Wenn das Team ein Problem beim Design ausmacht, dann müssen sie in der Lage sein, neue Teile schnell herzustellen."

Um einen Fahrer korrekt auszumessen, werden 103 verschiedene Maße genommen, von der Breite der Nase, des Kopfes, der Hände, Füße bis hin zum Kopfumfang. Diese Daten werden in einen Computer eingegeben, der daraus einen "Mannequin" erstellt, quasi einen virtuellen Jarno Trulli. Dieser kann dann in einem virtuellen Cockpit positioniert werden.

Der virtuelle Rennfahrer

"Wenn die Software erst einmal das Mannequin erstellt hat, dann versuchen wir, es in die gleiche Haltung zu bringen, wie sie der Fahrer im Cockpit einnehmen wird", erklärt Eric Coutu, Ergonom bei 'Dassault Systèmes'. "Dabei nutzen wir einen Scanner, um die reale Körperhaltung des Fahrers abzubilden. Das Ziel ist es, die beste Sicht, Komfort für den Rücken und Erreichbarkeit der Steuerungseinheiten zu erreichen."

Dieser Vorgang ist erstaunlich schnell abgeschlossen: "Wir können das innerhalb von zwei Stunden erledigen, aber die Zeit hängt von den Messungen ab, die wir durchführen. Und wir erledigen dies gerne dreimal, um Fehler zu vermeiden. Wir führen diese zudem ohne und mit Kleidung durch, um herauszufinden, wie sich die Dicke der Kleidung auf den Komfort im Cockpit auswirkt. Wir messen sogar die Sohlen seiner Schuhe aus."

Probesitzen im Cockpitmodell

Im nächsten Schritt darf Jarno Trulli wieder seine volle Montur samt Schuhen und Helm anziehen. Ein Scanner nimmt seine Sitzposition genau in Augenschein, dann nimmt er diese in einem maßstabsgetreuen Dummy-Cockpit ein, das mit einem Sitz und Cockpit ausgestattet ist.

"Im Prinzip können wir hier die gesamte Bevölkerung simulieren", erklärt Coutu. "Wir können also sagen, in Ordnung, dies ist die kleinste Person, die wir haben können, und dies ist die größte Person, die wir bekommen können. Wir verwenden diese Mannequins für ein breites Design im Falle eines typischen Fahrzeuges, wo Menschen aller Form und Größe in der Lage sein müssen, komfortabel zu sitzen, eine gute Sicht zu haben und alle Kontrollelemente zu erreichen. Hier verkleinern wir die 'Population', wir konzentrieren uns auf zwei bestimmte Fahrer, Jarno Trulli und Ralf Schumacher, führen spezifizierte Messungen durch und schaffen detaillierte Mannequins für sie."

In fremden Autos fühlt sich ein Rennfahrer meist nicht wohl

Problematisch kann es werden, wenn ein Fahrer wie im Falle von Jarno Trulli mitten in der Saison zum Team hinzu stößt: "Als Jarno zu uns kam, verlief das ziemlich reibungslos", so Litjens. "Er kam zu einer Sitzanpassung her und ging sofort testen. Aber natürlich gibt es dabei ein paar Kompromisse, Jarno wollte, dass sein Kopf im TF104B weiter nach oben rückt, aber das war nicht möglich. Wir haben diesen Umstand beim TF105 berücksichtigt, es war also nützlich für ihn, dass er bei uns so früh angefangen hat."

"Die Software kann auch die Sicht des Fahrers aus dem Cockpit heraus simulieren, die Sichtfelder vorne und hinten anzeigen. Dies hilft dem Design-Team dabei, den optimalen Montagepunk für die Spiegel zu finden. Seitdem Toyota seine Formel-1-Motoren und -Chassis unter einem Dach in der Fabrik in Köln herstellt, hat die Synergie zwischen der Motoren- und Chassis-Abteilung zu einer engeren Zusammenarbeit geführt, was auch bei der Arbeit an der Sicht des Fahrers in seinem Rückspiegel helfen kann." So wurden die Größe und Form der Auspuff-Kamine verändert.

Mehr Flexibilität bei Veränderungen

"Das komplette Auto ist in unserer Datenbank abgespeichert", so Barrovecchio. "Wir sind in der Lage, das Gewicht jeder Komponente auszurechnen und zu kalkulieren, welchen Einfluss dies auf den Schwerpunkt hat. Wir können auch den Effekt verschiedener Benzinmengen simulieren. Ein digitales Teil ist leichter zu verändern. Man kann sehen, wie sich diese Veränderungen auf den Rest des Autos auswirken werden. Jeder Fahrer wiegt um die 73 Kilogramm, seine Position beeinflusst aus diesem Grund den Schwerpunkt des gesamten Gefährts. Mit dem Mannequin können wir sogar jenen Effekt testen, wenn wir ihn um einen Zentimeter absenken."

Das Computer-Design hilft aber auch an einer anderen Stelle, es senkt die Kosten. Ganz einfach deshalb, weil weniger Zeichnungen erstellt und Modelle gebaut werden müssen. Zudem kann die Qualitätskontrolle in einem Rutsch verbessert werden. Das Ziel ist es, dass alle Teile, die in der Werkstatt ankommen, bereit sind, zusammengebaut zu werden. Es sollen keine Hilfskonstruktionen mehr benötigt werden. Dabei hat Toyota aus der Serienfertigung unter Einführung der "Just-in-time-Fertigung" gelernt.

Vor Überraschungen ist niemand gefeit

Dennoch kann es immer wieder zu Überraschungen kommen, nämlich dann, wenn sich die simulierten Ergebnisse plötzlich im Einsatz auf der Rennstrecke als falsch erweisen: "Zum Zeitpunkt des Designs kann man die Umgebung des Fahrers zu 90-95 Prozent richtig hinbekommen", so Litjens. "Wenn sie fahren und die g-Kräfte auf sie wirken, dann hat dies manchmal Auswirkungen auf die Muskeln, die von einem Computer nicht vorhergesagt werden können."

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