• 07.08.2008 11:56

  • von Pete Fink

Droht NASCAR großer Ärger mit den US-Herstellern?

Für Brian France und die NASCAR-Spitze könnte eine ungemütliche Zeit ins Haus stehen, denn die drei US-Hersteller formieren sich offenbar zum Widerstand

(Motorsport-Total.com) - Für General Motors, Ford und Chrysler benutzen die Amerikaner gerne den Sammelbegriff "The Detroit Three", weil alle drei großen US-Automobilhersteller ihr Hauptquartier in der Millionen-Metropole in Michigan haben. NASCAR hatte in seiner 60-jährigen Historie schon einige Male Ärger mit dem Willen der drei US-Riesen, doch nun könnte der Familie France eine Auseinandersetzung in einer neuen Dimension ins Haus stehen.

Titel-Bild zur News: Brian France

NASCAR-Chef Brian France könnte bald große Probleme bekommen

Der Hintergrund ist bekannt: Im Mai brachen die Absatzzahlen der großen Drei massiv ein. Im Durchschnitt 20 Prozent weniger Automobile wurden gegenüber dem Vorjahr verkauft, selbst Toyota hatte Einbussen in Höhe von acht Prozent hinzunehmen. Die stark gestiegenen Spritpreise sorgten vor allem beiden großen PickUp-Trucks für deutliche Absatzrückgänge.#w1#

Mitte Juli verkündete General Motors (GM) dann ein Programm, wonach der Konzern bis Ende 2009 zehn Milliarden US-Dollar einsparen wollte. Zum ersten Mal nach langer Zeit sprach die GM-Konzernführung offen davon, dass auch das Motorsport-Budget davon betroffen sei, was wiederum zu 90 Prozent in die NASCAR-Aktivitäten fließt. Da es Ford und der Chrysler-Marke Dodge nicht viel besser geht, soll es in Indianapolis zu einem ersten Krisengipfel der "Detroit Three" und der NASCAR-Führung gekommen sein.

Ungewöhnlich und gleichzeitig brandgefährlich an dieser Situation ist die Tatsache, dass ganz offenbar alle drei US-Automobilhersteller in bestimmten Punkten an einem Strang ziehen, was Gerüchten zufolge bereits in einem konkreten Maßnahmenkatalog endete, über den in den kommenden Wochen in Detroit verhandelt werden soll.

Umfangreicher Maßnahmenkatalog

NASCAR Inspektion am CoT

Auch das "Einheitschassis" des CoT stört die "Detroit-Three" Zoom

Dabei geht es offenbar nicht nur um Randerscheinungen wie etwa Marketing-Budgets oder sonstige Sponsorentätigkeiten an den US-Speedways, sondern die US-Hersteller wollen angeblich einige ganz grundsätzliche Einschnitte in die NASCAR-Welt vornehmen, die bislang seitens der NASCAR-Führung als absolut heilige Kühe betrachtet wurden.

So ist den "Detroit Three" unter anderem das Car of Tomorrow (CoT) ein Dorn im Auge, dessen Einheitschassis eine Markentrennung nur noch ganz begrenzt zulässt. In der Diskussion steht ebenfalls die komplette Existenz der Truck-Serie, deren Benzin-fressende PickUp-Trucks nicht mehr wirklich zeitgemäß erscheinen. Auch eine klarere Definition der Nationwide-Serie als echte Entwicklungsliga für Nachwuchspiloten würde den Herstellern gut gefallen.

Vor allem in Sachen Kostenreduktion ist der mit 38 Saisonrennen prall gefüllte Kalender zu umfangreich. Mindestens vier Rennen sollten gestrichen werden, denn es gibt bei einigen Speedways keinen Grund, etwa in Pocono, Martinsville oder Loudon gleich zweimal pro Saison aufzuschlagen. Zudem hätten die Hersteller gerne zwei Rundkursrennen mehr im Programm, denn so würde es sich auch lohnen, diese dann vier Straßenrennen mit speziellen Autos zu bestreiten, die dann kein CoT sein könnten.

Stehen diese fünf Forderungen bereits völlig gegen die aktuelle NASCAR-Politik, so dürfte die Forderung nach mehr Motorentechnologie die NASCAR-Grundsätze vollständig ins Wanken bringen. Denn die drei US-Hersteller wünschen sich mehr Technologie unter der Haube, wie etwa Einspritzermotoren, oben liegende Nockenwellen und alternatives Benzin.

Sind sich die drei US-Hersteller einig?

Tony Stewart

Ein Widerspruch: Tony Stewart als ein brandneuer Chevrolet-Kunde Zoom

Ein solches Maßnahmenheft wäre in der Tat ein Affront gegen nahezu alle NASCAR-Traditionen, aber in Detroit ist man sich offensichtlich weitgehend einig. Diskussionen über das CoT gab es in der Vergangenheit genauso, wie kritische Stimmen in Sachen Trucks und Nationwide-Serie.

Auch um den NASCAR-Kalender entzündete sich immer wieder der eine oder andere Widerstand, aber wenn die US-Hersteller nun auch damit beginnen, geschlossen die Motorenfrage unter Beschuss zu nehmen, dann steht der NASCAR-Spitze eine ungemütliche Phase ins Haus.

Schon die 1960er Jahre waren gekennzeichnet von einem Motorenkrieg, der darin endete, dass Ford sich 1971 vorübergehend komplett aus der NASCAR zurück zog. Damals war es der neu gewählte Ford-Präsident Lee Iacocca, der das Rennbudget um 75 Prozent kürzte. Ob Einschnitte in solchen Ausmaßen ebenfalls ins Haus stehen, darf wenigstens zu diesem Zeitpunkt bezweifelt werden.

Denn von GM ist zum Beispiel bekannt, dass man die Chevrolet-Verträge mit Hendrick oder RCR/DEI in der vergangenen Saison 2007 erst verlängert hatte. Auch hält sich das hartnäckige Gerücht, dass GM - trotz heftiger Dementis - sehr wohl auch finanziell in den Deal mit Tony Stewart und dem neuen Stewart-Haas-Team verwickelt war.

Dazu kommt noch die Komponente Toyota, deren bärenstarke Triebwerke in der Nationwide-Serie bereits eingebremst werden mussten. Wahrscheinlich sind die großen wirtschaftlichen Probleme und das Auftauchen der japanischen Konkurrenz zusammen der Auslöser für die plötzlich geschlossene US-Front. In der Historie konnte NASCAR immer davon profitieren, dass sich die "Detroit Three" eben nicht einig waren. Wenn sich dies nun ändern sollte, dann bekäme dieser Fakt jedoch eine ganz andere Dimension.