• 01.08.2008 08:31

  • von Pete Fink

Exklusiv: NASCAR und der deutsche Markt - Teil 1

NASCAR-Vizepräsident Robbie Weiss im ausführlichen Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' über die Beziehung NASCAR und Deutschland

(Motorsport-Total.com) - Im ersten Teil des großen Exklusivinterviews mit 'Motorsport-Total.com' sprach NASCAR-Vizepräsident Robbie Weiss darüber, wie er als Verantwortlicher für die Internationalisierung der NASCAR die aktuelle Position der NASCAR in Deutschland sieht, und was geschehen müsste, um diese Position weiter auszubauen und zu verstärken.

Titel-Bild zur News: Robbie Weiss

NASCAR-Vizepräsident Robbie Weiss hat klare Vorstellungen

Dabei drehte sich das Gespräch nicht nur um die Frage eines möglichen deutschen NASCAR-Pilotens, sondern auch über das bisherige Rennsport-Auftreten der deutschen Automobilhersteller auf dem angeblich so wichtigen US-Markt - und wie dieses aus der NASCAR-Sicht beurteilt wird. Aber natürlich kam auch der grundsätzliche Vergleich zwischen der Formel 1 und NASCAR auf den Tisch.#w1#

Frage: "Robbie, wie ist ihre persönliche Meinung zu der Reifenproblematik, die am vergangenen Wochenende in Indianapolis aufgekommen sind?"
Robbie Weiss:" Ich kann aus meiner Sicht nichts anderes sagen, als dass NASCAR großen Wert drauf legt, für Fans und Fahrer großartigen Rennsport zu bieten. Die Basis dazu ist jedoch, dass wir auch in der Lage sind, ein sicheres Rennen durchzuführen. In Indianapolis lagen unglückliche und außergewöhnliche Umstände vor, so dass wir die Sicherheit und die Durchführung des Rennens unter einen Hut bekommen mussten."

"Herausgekommen ist dabei ein ganz anderes Format, als wir alle in Indianapolis eigentlich sehen wollten. Das Rennende war sicherlich sehr spannend, aber insgesamt war es alles andere als ideal, wie wir uns gegenüber den Fans vor dem Fernseher und an der Strecke präsentiert haben. Aber wir werden dieses Problem lösen können."

Frage: "Durch den Sieg von Jimmie Johnson ist Michael Schumacher mit seinen fünf Indianapolis-Siegen dort nach wie der erfolgreichste Pilot aller Zeiten. Aber in der NASCAR selbst hat Deutschland derzeit keinen Fahrer. Wäre NASCAR denn überhaupt an einem deutschen NASCAR-Piloten interessiert, zum Beispiel wenn sich ein Michael Schumacher plötzlich dazu entschließen würde, in der NASCAR zu fahren?"
Weiss: "Natürlich. Deutschland hat im Motorsport einige großartige Champions hervorgebracht. Auch die Motorsportgeschichte Deutschlands ist genauso groß wie die der USA oder anderer wichtiger Märkte. Und auch NASCAR steht mittlerweile ganz anders da als noch vor zehn Jahren."

Die Frage lautet: Wann kommt ein deutscher NASCAR-Fahrer?

Klaus Graf

Sears Point 2004: Klaus Graf fährt im BAM-Dodge auf Platz 17 Zoom

"Heute wird die Motorsportwelt ziemlich von der Formel 1 und der NASCAR bestimmt. In der Formel 1 gibt es nur wenige Cockpits und diese Cockpits sind - mit ganz wenigen Ausnahmen - auch nur für ein paar Jahre reserviert. Zumindest sicherlich nicht so lange, wie sich ein Fahrer wünschen würde, in seiner gesamten Karriere aktiv zu sein."

"Wenn man sich also ansieht, was die Optionen für die Piloten sind, die auf dem höchsten Wettbewerbslevel agieren wollen, die vor einer sehr großen Publikumsmenge fahren wollen, und die das Ganze hochprofessionell betreiben wollen, dann wird NASCAR immer attraktiver. Das sieht man an Leuten wie Montoya, Villeneuve, Carpentier, Franchitti, aber auch an einem Marcos Ambrose."

"Ich sage nicht, dass wir das alles schon zu 100 Prozent erreicht haben, aber die Realität ändert sich rapide. Wir hatten schon einen Klaus Graf, der bei uns seine Duftmarke hinterlassen hat, aber er ist sicher nicht von einem Kaliber wie es etwa ein Michael Schumacher darstellt. Dass es einmal einen deutschen Fahrer in der NASCAR geben wird, das steht für mich außer Frage. Die Frage lautet also wann, und nicht ob."

Frage: "Durch sehr populäre ehemalige Formel-1-Piloten wie Juan Pablo Montoya oder Jacques Villeneuve hat NASCAR auch in Deutschland einen unglaublichen Aufschwung erhalten. Wie betrachtet NASCAR den neuen Stellenwert der Serie außerhalb der USA - speziell in Deutschland?"
Weiss: "Es ist uns sehr wichtig, den deutschen Motorsportfans etwas zu bedeuten - weit darüber hinausgehend, als dass man sich einfach nur gerne große amerikanische Events ansieht. Aber wir müssen auf dem deutschen Markt erst einmal eine Relevanz bekommen. Und um auf dem deutschen Markt eine Relevanz bekommen zu können, brauchen wir einen deutschen Top-Piloten, der auf dem höchsten Level mitfährt. Das ist sicherlich absolut kritisch, um der NASCAR auf dem deutschen Markt eine wirkliche Relevanz zu bescheren."

"Man muss sich nur einmal daran erinnern, was Boris Becker für das Tennis brachte, oder eben Michael Schumacher für die Formel 1. Vielleicht nicht in der gleichen Dimension, denn in diesem Fall gäbe es ja keinerlei lokale Events. Aber sicher wäre dies ein Ereignis, das für NASCAR und den deutschen Markt das Spiel ganz neu aufstellen würde."

Zum Wachsen muss man aus den USA hinaus

Dale Earnhardt Jr.

Adidas ist bei Dale Earnhardt Jr. bereits in großem Umfang eingestiegen Zoom

Frage: "Boris Becker und Tennis ist ein gutes Beispiel, denn in Deutschland gab es ja nie viele wirklich wichtige Tennisturniere, und Becker hat dem Tennis in Deutschland trotzdem einen riesigen Boom verschaffen können. Welche neuen Erkenntnisse hat NASCAR denn aus dem gestiegenen ausländischen Interesse gezogen? Oder generell gefragt: Wie wichtig ist der Rest der Welt für NASCAR?"
Weiss: "Extrem wichtig. Wie jedes andere Business will auch NASCAR wachsen und mehr Fans bekommen. Unsere internationale Fangemeinde ist noch nicht besonders groß, aber sie ist schon wesentlich größer, als noch vor ein paar Jahren. Wir fangen nun wirklich damit an, immer mehr Fans aus den verschiedenen Teilen dieser Welt zu bekommen."

"Man muss sich nur irgendein Business ansehen und fragen was es bedeutet, 100.000 oder eine Million neuer Kunden generieren zu können. Wir wissen, dass sich unsere internationale Fangemeinde im Millionenbereich befindet. Vielleicht noch nicht im Bereich von über zehn Millionen, aber im Millionenbereich. Und wenn man eine Million neuer Kunden gewinnen kann, dann ist das für jedes Geschäft sehr wichtig."

Frage: "In Sachen Business sind bereits einige große deutsche Konzerne wie Adidas, Siemens oder Henkel im Bereich NASCAR-Sponsoring aktiv. Wünscht sich NASCAR denn auch eine Beteiligung großer deutscher Automobilhersteller wie BMW, Mercedes, Audi oder Porsche, die dem Beispiel Toyota folgen könnten?"
Weiss: "Wir laden jeden herzlich ein und unser System war dazu auch immer offen für alle Hersteller - solange ein betreffendes Auto theoretisch auf einem normalen Straßenauto basiert und auch in den USA hergestellt wird. Im Fall Toyota mussten wir die Japaner daran erinnern was ein Vergaser ist und sie dazu bewegen, den Staub darauf abzuwischen, denn so etwas haben sie wahrscheinlich vor vielen Jahren zum letzten Mal gebaut." (Lacht; Anm. d. Red.)"

Die deutschen Hersteller ignorieren Rennsport-USA

Juan Pablo Montoya

Frühjahr 2007: Juan Pablo Montoya gewinnt das Busch-Rennen von Mexiko Zoom

"Aber wenn man sich - nicht nur in Sachen Fahrer - den deutschen Markt ansieht, dann befinden sich die deutschen Hersteller unter den größten und bedeutendsten Marktteilnehmern im Bereich Automobilbau. Generell würden wir eine stärkere Teilnahme der Deutschen im amerikanischen Rennsport sehr begrüßen - ob das nun in Sachen NASCAR ist, oder etwa auch in der GrandAm-Serie."

"Ich glaube, dass darin eine große Gelegenheit für Porsche, Mercedes, BMW, Audi oder VW versteckt liegt, sich den US-Markt von der Sicht des Rennsports aus viel intensiver anzusehen als sie es derzeit machen. Im Prinzip sind sie ja überhaupt nicht vorhanden. Porsche und BMW werden durch ein paar Privatteams vertreten, Mercedes und VW sind überhaupt nicht präsent, Audi mit Ausnahme der ALMS ebenfalls."

"Aber von einem wirklich bedeutenden Standpunkt aus betrachtet sind die deutschen Hersteller allesamt nicht anwesend - vielleicht mit Ausnahme von Porsche. NASCAR ist heute nicht mehr nur eine rein nordamerikanische Angelegenheit und ich würde sagen, in ihrem Sinn und auch im Sinne ihrer Aktionäre sollten sie darüber noch einmal nachdenken."

Frage: "BMW wird 2009 in der GT2-Kategorie der ALMS antreten..."
Weiss: "Ohne jetzt über andere Serien sprechen zu wollen, aber wenn das der einzige Plan ist, um im US-Markt eine bedeutende Position zu erlangen..."

Über Smoking, Champagner und Bier

Daytona Start Gatorade Duel

Ein NASCAR-Event steht einem Formel-1-Rennen in nichts nach Zoom

Frage: "Jeder, der einmal ein NASCAR-Rennen vor Ort gesehen hat, der weiß, dass das Spektakel und das gesamte Drumherum mindestens die gleiche Dimension wie ein Formel-1-Rennen hat. In Europa muss sich jede Motorsport-Serie mit der Formel 1 vergleichen lassen. Wie würde Robbie Weiss den deutschen Motorsport-Fans den Unterschied zwischen einem NASCAR-Rennen und einem Formel-1-Wochenende erklären?"
Weiss: "Ich bin, wie wir übrigens alle, ein großer Formel-1-Fan. Wenn man sich am Sonntagmorgen um acht Uhr in der NASCAR-Garage umsieht, dann sitzen die Fahrer alle in ihren Motorhomes und schauen sich das Formel-1-Rennen an. Wir stehen mit der Formel 1 nicht im Wettbewerb. Wir sind völlig anders und für viele Menschen, die Rennsport mögen, ergänzen wir uns gegenseitig sogar."

"Die beste Art und Weise wie ich den Unterschied erklären kann, ist folgendes Beispiel: Wenn man auf ein Formel-1-Rennen geht, dann ist es so als würde man im Smoking mit schwarzer Krawatte zu einem Event gehen, wo alle Menschen gut aussehen und Champagner trinken. NASCAR hingegen ist wie ein Barbecue und man trinkt ein Bier."

"Beides ist großartig, aber auch sehr verschieden. Der eine tritt gerne im Smoking auf, der andere trinkt lieber Bier - und viele Menschen mögen beides. Das ist wahrscheinlich der einfachste Weg, den Unterschied zwischen Formel 1 und NASCAR zu beschreiben."

Der zweite Teil des großen Exklusivinterviews mit NASCAR-Vizepräsident Robbie Weiss erscheint morgen auf 'Motorsport-Total.com'. Dann wird es ganz konkret darum gehen, wie NASCAR seine Präsenz in Deutschland ausbauen könnte und was die deutschen NASCAR-Fans in Zukunft in Sachen Live-Übertragungen erwartet.