• 19.03.2009 10:20

  • von Pete Fink

Bowyer-Interview: Volle Konzentration auf den Cup

Der aktuelle Gesamtzweite Clint Bowyer sprach mit 'Motorsport-Total.com' über Bristol, sein Daytona-Finale auf dem Dach und den Sprint-Cup-Titel

(Motorsport-Total.com) - Mit seinen erst 29 Jahren hat Clint Bowyer bereits einen Nationwide-Titel geholt, und im Sprint-Cup die Plätze drei (2007) und fünf (2008) belegt. Diese starke Serie scheint Bowyer auch 2009 weiterführen zu wollen, denn nach vier Saisonrennen rangiert der Childress-Pilot mit nagelneuem Team schon wieder auf Platz zwei der Gesamtwertung.

Titel-Bild zur News: Atlanta, Atlanta Motor Speedway

Mit erst 29 Jahren hat Clint Bowyer in der NASCAR schon vieles erreicht

Nun steht mit Bristol eine der Strecken an, die es dem Mann aus Kansas besonders angetan hat. Warum Bowyer ein Bristol-Fan ist, was er am Wochenende beim Food City 500 erreichen will, und welche Ziele er für die Sprint-Cup-Saison 2009 noch alles hat, verriet er in einem ausführlichen Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.#w1#

Frage: "Clint, du hast in den ersten vier Saisonrennen drei Top-10-Resultate herausgefahren, und liegst in der Sprint-Cup-Gesamtwertung auf Platz zwei hinter Jeff Gordon. Ich vermute, du bist mit deinem Saisonauftakt rundum zufrieden?"
Clint Bowyer: "Ja klar. So weit, so gut könnte man wohl sagen, aber ich freue mich wirklich. Wir haben ja ein völlig neues Team, und so etwas zu erreichen, ist im heutigen Wettbewerb nicht gerade einfach. Wir haben das Team mit der Startnummer 33 aus dem Nichts heraus aufgebaut, und ich bin schon ein wenig stolz auf das, was wir bisher erreicht haben."

Frage: "Dein neuer Crewchief ist Shane Wilson. Ich habe gehört, dass er schon in der Nationwide-Serie dein Crewchief war. Ist diese Information richtig?"
Bowyer: "Shane war in meinem Nationwide-Team, und wir haben sehr eng zusammen gearbeitet. Ich kenne ihn also gut und habe eine Menge Vertrauen in ihn. Ich denke, er hat auch bereits bewiesen, dass diese Entscheidung richtig war."

Die Bristol-Atmosphäre fasziniert auch die Fahrer

Clint BowyerDaytona, Daytona International Speedway

2009 fährt Clint Bowyer mit der Nummer 33 und einer ganz neuen Mannschaft Zoom

Frage: "Nun stehen mit Bristol und Martinsville zwei Short-Track-Rennen vor der Türe. Ich habe einmal aufgeschnappt, dass Bristol eines deiner Lieblingsrennen sein soll. Ist das richtig?"
Bowyer: "Ja, ich mag die Strecke sehr. Bristol ist Hopp oder Topp. Du kannst mit einem Lächeln im Gesicht von dort wegfahren oder auf die ganze Welt sauer sein. Dort ist es sehr leicht, in einen Unfall verwickelt zu werden, der nicht unbedingt dein eigener sein muss."

"Im Prinzip geht es darum, auf deine Kotflügel aufzupassen, und auf Biegen und Brechen zu versuchen, in der Führungsrunde zu bleiben. Wenn dir das gelingt, dann bist du auf dem besten Weg, eine Top-10-Platzierung heraus zu holen. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, wie ich mich aus dem gröbsten Ärger heraushalten kann, und ich hoffe, dass mir das auch am kommenden Wochenende gelingt."

Frage: "Wer einmal in Bristol gewesen ist, der weiß um die einzigartige Atmosphäre dort. Aber wie fühlt sich das für einen Piloten an? Kannst du Bristol einmal aus einer Fahrerperspektive beschreiben?"
Bowyer: "Genau darum geht es, du hast den Nagel schon auf den Kopf getroffen. Es ist diese unglaubliche Atmosphäre, die man einfach an anderen Strecken nicht hat. Bristol ist jede Menge Aktion und enge Kurven. Das Ganze auf einer nur 800 Meter langen Strecke, um die herum riesige Tribünen hochgezogen sind."

"Es gibt in diesem Stadion nicht einen einzigen schlechten Sitzplatz, jeder Fan kann alles sehen. Wir Fahrer rumpeln andauernd aneinander und die Emotionen gehen durch die Decke. Bristol ist mit Sicherheit einer der heißesten Orte im ganzen Kalender."

Bristol muss irgendwann gewonnen werden

Clint Bowyer

Der Nationwide-Titel 2008 war einer der absoluten Karriere-Höhepunkte Zoom

Frage: "In Bristol bist du nun viermal in Folge in die Top 10 gefahren. Im Frühjahrsrennen 2008 belegte Richard Childress Racing geschlossen die ersten drei Plätze. In der Nationwide-Serie hast du in Bristol bereits gewonnen. Bist du nicht der Meinung, dass in Bristol nun langsam auch einmal ein Sprint-Cup-Sieg fällig wäre?"
Bowyer: "Ja, das ist schon richtig. Der Sieg in der Nationwide-Serie, unser 1-2-3 am Tag danach... Ich muss schon sagen, dass ich mich auf das Rennen freue. Und ich hoffe auch, dass ich dieses Rennen gewinnen kann, denn das ist eines der Rennen, das ich unbedingt einmal gewinnen will. Und: Wenn du ein Sprint-Cup-Rennen in Bristol gewonnen hast, dann weißt du mit Sicherheit, was du an diesem Tag geleistet hast."

Frage: "Im Sprint-Cup hast du schon zwei Rennen gewonnen. Eines in Dover, ein anderes in Richmond. Aber du bist auch der amtierende Nationwide-Champion. Was ist dir persönlich mehr wert? Die Sprint-Cup-Siege oder der Titel?"
Bowyer: "Wir werden dafür bezahlt, dass wir Rennen gewinnen. Meisterschaften können wir hoffentlich irgendwann einmal erwarten. Den Titel in einer der Top-Serien der NASCAR zu gewinnen, war definitiv einer der großen Höhepunkte meiner bisherigen Karriere. Das ist etwas, was ich schon immer erreichen wollte. Aber nun ist es an der Zeit, sich auf den Sprint-Cup zu konzentrieren."

Frage: "Weißt du eigentlich, was dich auch in Deutschland richtig bekannt gemacht hat?"
Bowyer: "Nein."

Das berühmte Daytona-Finale auf dem Dach

Clint Bowyer Daytona

Das Bild ging um die Welt: Clint Bowyer in Daytona auf dem Dach über die Ziellinie Zoom

Frage: "Erinnerst du dich an das Daytona-Rennen 2007, als du auf dem Dach liegend über die Ziellinie gerutscht bist? Das Lustige an der Sache war ja, dass du dabei noch vor Juan Pablo Montoya ins Ziel gekommen bist. Was war denn damals genau los?"
Bowyer: "(lacht; Anm. d. Red.) "Alle lachen immer noch über Daytona, aber in dem Fall war ich leider der Dumme. Am Ende von solchen Rennen musst du deinen Gurt immer richtig festschnallen, denn dann fangen alle damit an, zu fliegen. In meinem Fall leider im wahrsten Sinne des Wortes."

"Du spürst gegen Rennende, wie die Sache immer intensiver wird, und du kannst den Ärger, den es gleich geben wird, förmlich riechen. Du hoffst nur noch, dass du entweder weit vorne oder ganz hinten fährst, damit du nicht verwickelst wirst. Leider ist genau das in Daytona direkt vor meiner Kühlerhaube geschehen. Dann ging alles ganz schnell. Ich wurde umgedreht, das Auto hat Feuer gefangen, aber passiert ist Gott sei Dank nichts."

"Das Lustige war nur, dass ich in dem Moment keine Ahnung davon hatte, dass ich schon über die Ziellinie gerutscht war. Als ich herauskletterte, habe ich wirklich gedacht, dass ich mich noch irgendwo in Turn 4 befinden müsste. Ich habe also eine wirklich lange Strecke auf meinem Dach zurückgelegt."

Frage: "Jetzt bist du erst 29 Jahre alt, hast aber schon einen Nationwide-Titel gewonnen, und wurdest im Sprint-Cup einmal Gesamtdritter und einmal Gesamtfünfter. Können wir davon ausgehen, dass wir in den nächsten 20 Jahren noch eine Menge von Clint Boywer hören werden?"
Bowyer: "Das hoffe ich sehr. Ich liebe diesen Sport und ich hoffe auch, dass ich noch einige tolle Dinge bewegen kann."

Alles Richard Childress zu verdanken

Clint Bowyer

Teambesitzer Richard Childress war der große Fürsprecher von Clint Bowyer Zoom

Frage: "Wie würdest du dich selbst einordnen? Betrachtest du dich noch als einer aus der Riege der 'Young Guns', wie ein Kyle Busch, ein Denny Hamlin oder ein Kasey Kahne? Oder siehst du dich schon als einer der erfahrenen Piloten, wie etwa ein Jeff Gordon oder ein Dale Earnhardt Jr.?"
Bowyer: "Natürlich sehe ich mich noch auf der Seite der 'Young Guns'. Das Problem an der Sache ist nur, dass wir Jungen langsam aber sicher zu den Veteranen der Serie werden."

Frage: "Du bist in Kansas aufgewachsen und stammst aus der Dirt-Track-Szene. Wie groß ist in der modernen NASCAR der Vorteil dieser Dirt-Track-Erfahrung, verglichen vor allem mit den ganzen Formelpiloten wie Montoya, A.J. Allmendinger oder Sam Hornish Jr.?"
Bowyer: "Also auf den Intermediaten-Ovalen wie Kansas, Chicago oder auch Las Vegas hilft dir die Dirt-Track-Erfahrung schon, denn dort musst du dein Auto sehr übersteuernd fahren, egal ob du dich nun am Anfang oder am Ende eines Runs befindest. In dem Bereich ist das schon hilfreich."

Frage: "Dein Entdecker war Richard Childress, der dich 2003 einmal bei einem ARCA-Rennen beobachtet hat. War er damals eigentlich an der Strecke oder hat er dir im Fernsehen zugesehen?"
Bowyer: "Er hat mich im Fernsehen gesehen. Aber das war damals definitiv das Rennen, dem ich alles verdanke. Es war in Nashville, Tennessee, und ich habe bei meinem ersten ARCA-Auftritt beinahe gewonnen. Richard hat sich das Rennen im Fernsehen angeschaut, und hat mich ein paar Wochen später angerufen. Er hat mir eine Chance gegeben und so begann alles."

Frage: "Jetzt fährst du heute immer noch für Childress. Ich nehme an, ihr habt ein sehr gutes Verhältnis?"
Bowyer: "Ja. Er ist genauso ein guter Mensch, wie er ein guter Chef oder Teambesitzer ist. Mir macht es einfach Spaß hier und ich fühle mich bei RCR rundum wohl."

Jeff Burton wäre der Kapitän

Jeff Burton Clint Bowyer Kevin Harvick Childress

Die alt eingesessenen Childress-Stars: Jeff Burton, Clint Bowyer und Kevin Harvick Zoom

Frage: "Wie muss man sich das bei Childress intern vorstellen? Deine Teamkollegen sind Jeff Burton, Kevin Harvick und seit neuestem auch Casey Mears. Gibt es bei euch untereinander eine Art Chef, oder seid ihr einfach vier Teamkollegen, die eng zusammenarbeiten?"
Bowyer: "Nein, in erster Linie sind wir vier Kollegen, die eng zusammenarbeiten. Aber wenn wir einen Teamkapitän wählen müssten, dann würden wir drei wahrscheinlich alle Jeff Burton dazu bestimmen. Einfach aufgrund seiner Erfahrung und seiner Präsenz in diesem Sport."

Frage: "Von außen betrachtet, macht es den Eindruck, als wäre RCR immer noch ein wenig hinter Hendrick, Roush oder vielleicht auch Gibbs einzuordnen. Siehst du das ähnlich?"
Bowyer: "Nein, eigentlich nicht. Wir haben 2008 geschlossen die Plätze vier, fünf und sechs in der Gesamtwertung belegt, waren also höher platziert, als alle anderen Mannschaften. Natürlich haben sie uns im Titelkampf und in punkto Rennsiege geschlagen, dafür waren wir jede Woche konstant zur Stelle. Kein Zweifel: Wir haben Arbeit vor uns, wir müssen mehr Rennen gewinnen. Aber wir robben uns Stück für Stück heran."

Frage: "Du hast gerade das Wort Konstanz gebraucht. Ist diese Konstanz dein ganz persönliches Erfolgsgeheimnis?"
Bowyer: "Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Rennen zu Ende zu fahren, unser ganzes Equipment, die Motoren, alles ist bei diesen langen Rennen einer extremen Belastung ausgesetzt. Das alleine ist ein Verdienst von jedem Mann bei RCR."

Frage: "Wie sieht dann dein Saisonziel für 2009 aus? Ist es alleine das Erreichen des Chase, oder willst du nun mehr?"
Bowyer: "Ich will schon mehr. Aber jede Saison beginnt damit, dass du Rennen gewinnen willst. Damit fängt alles an, das ist dein erstes Ziel. Wenn du das geschafft hast, dann willst du dein zweites Rennen gewinnen. Und wenn du Rennen gewinnen kannst, dann wirst du in den Chase kommen. Wenn du nicht im Chase bist, dann kannst du keine Meisterschaften gewinnen. Aber sobald du im Chase stehst, dann ist das ultimative Ziel, am Ende auch den Titel zu holen."