• 01.04.2007 12:14

  • von Fabian Hust

Zwei Jahrzehnte bis zur "grünen" Formel 1

Angesichts anhaltender Klimadebatten und schwindender Erdölreserven wird die Formel 1 bis zum Jahr 2030 schrittweise zur "Null-CO2-Formel 1" geformt

(Motorsport-Total.com) - Während in dieser Woche der Weltmotorsportrat der FIA über Veränderungen am technischen Reglement für die Saison 2008 debattierte und Entscheidungen fällte, erarbeitete FIA-Präsident Max Mosley - wieder einmal im Alleingang - ein Konzept, mit dem er die Formel 1 langfristig völlig umkrempeln möchte.

Titel-Bild zur News:

Die F1 soll einen wesentlich größeren Beitrag zum Umweltschutz leisten

Hierzu holte sich der Brite einen Experten an Bord, der in den vergangenen Monaten nicht nur versucht hat, die Entwicklung der Formel 1 in den kommenden zwei Jahrzehnten zu analysieren, sondern der auch viele weitere Variablen mit einbezogen hat. Darunter vor allem die Belastung der Umwelt durch den Menschen und die schwindenden Erdölreserven.#w1#

"Technologie-Fahrplan" von 2010 bis 2030

Shanghai

Aufstrebende Nationen wie China sorgen für immer mehr CO2-Ausstoß Zoom

"Eine Welt ohne Mobilität kann sich heute natürlich niemand mehr vorstellen", so Dr. John Kubrick, Forscher für Umwelttechnologie an der Lancaster University. "Die Frage, ob sich etwas ändern wird, stellt sich aufgrund zur Neige gehender Erdölreserven nicht, die Frage ist lediglich, wie wir in der Lage sein werden, unsere fast grenzenlose Mobilität in drei bis vier Jahrzehnten noch aufrecht zu erhalten."

Der Amerikaner hat in den vergangenen Monaten einen "Technologie-Fahrplan" ausgearbeitet, der ab der Formel-1-Saison 2010 in Kraft tritt und Schrittweise bis zur Saison 2030 umgesetzt werden wird: "Der Automobilweltverband FIA möchte sicherstellen, dass die Formel 1 weiterhin führende Technologie zur Schau stellt, doch diese Technologie muss im Einklang mit den Anforderungen unserer Zeit stehen. Deshalb ist es notwendig, radikal umzudenken."

Benzinverbrauch soll stetig sinken

Tankanlage

Bis zu 70 Liter schluckt ein modernes Formel-1-Auto auf 100 Kilometer Zoom

In einem ersten Schritt soll der Schadstoffausstoß in der Formel 1 sukzessive reduziert werden: "Ab der Formel-1-Saison 2010 darf ein Auto pro Rennen nicht mehr als 180 Liter Super Plus verbrauchen, dem zudem ein erheblicher Anteil Biokraftstoff beigemengt sein muss", erklärt der 54-Jährige. Bei einer Renndistanz von 310 Kilometern wären dies rund 58 Liter auf 100 Kilometer, knapp 20 Prozent weniger als aktuelle Triebwerke schlucken sollen.

Renault-RS27-Motor

Die Formel-1-Triebwerke sollen sparsamer werden Zoom

Die Teams müssen jedoch weiterhin Saugmotoren einsetzen, der Einsatz von Turbos oder Kompressoren bleibt verboten. Stattdessen sollen die Hersteller durch das Benzin-Limit ermutigt werden, den Verbrauch ihrer Motoren zu senken und einen Teil der verlorenen Leistung an anderer Stelle wieder reinzuholen - zum Beispiel durch den Einsatz von Hybdrid-Technologie oder die Nutzung der heißen Auspuffgase. Zudem dürfen die Herstellter den Hubraum ihres Motors frei wählen.

Bis zum Jahr 2019 wird das Benzinlimit weiter verschärft - jedes Jahr um weitere 6,5 Prozent, ausgehend vom Benzinlimit der jeweiligen Saison davor. Damit wird ein Formel-1-Auto im Jahr 2019 "nur" noch rund 98 Liter je Rennen oder rund 31,7 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen.

McLaren-Windkanal

Die Optimierung der Aerodynamik wird eine immer wichtigere Rolle spielen Zoom

"Im Zusammenspiel mit der Hybdrid-Technik und weiteren technologischen Fortschritten wird so weiterhin Rennsport auf höchstem Niveau mit vergleichbaren Rundenzeiten möglich sein", versichert der Forscher.

"Die Forschung der Formel-1-Teams wird ihren Fokus auf jene Gebiete lenken, die auch im Automobilbau eine immer größere Rolle spielen: möglichst effiziente Motoren, ein geringer Luft- und Rollwiderstand sowie die Rückgewinnung von Energie im Bereich der Verzögerung und der Abgase", so Kubrick.

Bye, bye Benzin-Motor

Fuel out!

Benzin soll in den Formel-1-Autos der Zukunft nicht mehr zum Einsatz kommen Zoom

Auf heftigen Widerstand der Teams, Automobilhersteller, Fahrer und Fans dürfte das Vorhaben treffen, Verbrennungsmotoren langfristig - nämlich ab der Saison 2030 - aus der "Königsklasse des Motorsports" zu verbannen: "Natürlich rechne ich mit einer heftigen Gegenwehr, aber wir müssen der Wahrheit ins Gesicht blicken: Wir können keine 40 Jahre mehr Benzin-Verbrennungsmotoren im großen Stil einsetzen. Und hier muss die Formel 1 eine Vorreiterrolle spielen."

Damit die Formel-1-Teams ab dem Jahr 2020 ihre Ressourcen ganz auf die Entwicklung umweltschonender Technologie lenken können, werden alle Rennställe in der zehn Jahre währenden "Übergangsphase" mit einem Einheitsmotor ausgerüstet, der von einem unabhängigen Motorenhersteller bereitgestellt wird und einen durchschnittlichen Verbrauch von 20 Litern auf 100 Kilometer aufweisen wird.

Die Teams müssen damit voll auf die Hybrid-Schiene setzen und sich den Wettbewerbsvorteil an anderer Stelle holen, zum Beispiel durch effiziente Energierückgewinnungssysteme, die Konstruktion möglichst starker und leichter Elektromotoren und Batterie-Systeme sowie die richtige Kombination aus Abtrieb und geringem Luftwiderstand.

Ab 2030 ist CO2-Ausstoß in der Formel 1 Vergangenheit

Sehen so oder so ähnlich die Formel-1-Autos der Zukunft aus? Zoom

Erst in der Formel-1-Saison 2030 findet die wirklich große Revolution statt: Der Antrieb der Formel-1-Boliden erfolgt dann nur noch mit der Kraft von Elektromotoren. Den Strom ziehen die Motoren aus Batterien, gleichzeitig dürfen die Teams die Batterie während der Fahrt durch Energierückgewinnung oder dem Platzieren von Solarzellen auf einer fest definierten Fläche des Autos aufladen.

"Damit wir auch ohne Verbrennungsmotoren spektakuläres Racing sehen, muss auch das restliche Reglement umgestellt werden. Die Autos dürfen deutlich leichter werden, die Breite der Reifen wird reduziert, um den Rollwiderstand zu senken. Der Luft- und Rollwiderstand wird eine wesentlich größere Rolle spielen als Abtrieb. Dadurch werden wir wieder wilde Drifts sehen - wie in den guten alten Zeiten", schwärmt Kubrick, der aber nicht zu glauben scheint, dass die Fans den Motorensound vermissen werden.

Die Formel 1 vor dem (Klima-)Schock

Nico Rosberg

Man darf gespannt sein, wie die Fans auf den Vorschlag reagieren... Zoom

Keine Frage, die FIA wagt in der Formel 1 eine große Revolution, nach 80 Jahren "Benzin-Formel 1" soll die "Elektro-Formel 1" innerhalb von zwei Jahrzehnten Schritt für Schritt eingeführt werden. Einmal mehr begibt sich FIA-Präsident Max Mosley mit seinem Vorstoß auf das Glatteis und wird wieder auf heftige Gegenwehr treffen.

Doch Dr. John Kubrick gibt sich zuversichtlich: "Die Automobilhersteller sind intelligent genug um zu wissen, dass sie im Sport keine Technolgie einsetzen können, die sich in Zukunft kein Haushalt mit durchschnittlichem Einkommen mehr leisten kann. Die Automobilhersteller sind nur in der Formel 1, um mehr Autos zu kaufen. Und die Formel 1 wird auch weiterhin für sie eine hochtechnologische Spielwiese darstellen, das steht außer Frage. Wenn wir aber nichts ändern, wird es bereits in einigen Jahren keine Formel 1 mehr geben - weil sich die Automobilbauer gezwungen sehen, aus Image-Gründen auszusteigen."